Titan-Recycling

Titan findet vor allem in der Luftfahrtindustrie Anwendung. Dabei müssen mehr als 90 Prozent des Ausgangsmaterials als Späne entsorgt werden. Ein Forschungsprojekt will den Kreislauf nun schließen.

Es geht um 3 Milliarden Euro


Für den neuen Airbus A350, der zu 14 Prozent aus dem Leichtmetall Titan besteht, gibt es zurzeit mehr als 600 Bestellungen. Allein für diese bestellten Flugzeuge werden in den kommenden Jahren Titanbauteile mit einem Gesamtgewicht von rund 11.000 Tonnen verbaut. Um diese Teile zu fertigen, ist mehr als die zehnfache Ausgangsmenge Titan erforderlich: Rund 100.000 Tonnen wären laut Angaben des Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen an der Leibniz Universität Hannover „Abfall“ in Form von verunreinigten Spänen, die nur noch für weiße Wandfarbe (Titandioxid) oder als Zugabe für die Stahlschmelze verwendbar sind.

Titan ist wegen der komplizierten, energieintensiven Herstellung rund 20-mal teurer als gängige Stahllegierungen, 100.000 Tonnen Titan haben als Neumaterial einen Wert von etwa drei Milliarden Euro. „Dieser extreme Verlust von hochwertigem Werkstoff und Energie tut der verarbeitenden Industrie empfindlich weh“, erklärt Prof. Berend Denkena, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) am Produktionstechnischen Zentrum der Leibniz Universität Hannover.

Die großen betroffenen Unternehmen – von der Titanhalbzeugherstellung über die spannende Bearbeitung und die Werkzeugentwicklung bis zur Anwendung und zum Recycling – haben ebenfalls starkes Interesse, das Downcycling zu ändern. Sieben Industriepartner haben sich daher dem Vorhaben des IFW, die gesamte Prozesskette der Titannutzung zu optimieren, mit großer Überzeugung angeschlossen, von Outokumpu VDM (ehemals: ThyssenKrupp VDM) als Hersteller bis zu Premium AEROTEC und Deharde als Anwender. Mit dabei ist auch das am Produktionstechnischen Zentrum ansässige Institut für Werkstoffkunde. Unter dem Namen „RETURN“ und mit Professor Denkena als Projektleiter wird der Forschungsverbund drei Jahre lang vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert.

Die Luftfahrt-Industrie ist der zentrale Abnehmer von Titanbauteilen und definiert hiermit die sehr hohen Ansprüche an die Qualität der meist komplexen und großen Bauteile, die aus dem vollen Material gefräst werden. Titan lässt sich nur schwer zerspanen und führt zu einem deutlich höheren Werkzeugverschleiß als Aluminium oder Stahl.

„Durch die Schneidstoffpartikel und die eingesetzten Kühlschmierstoffe werden die anfallenden Späne stark verunreinigt“, erklärt Dennis Nespor, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFW. Aus diesen und weiteren Gründen lassen sich die Späne derzeit nicht mit vertretbarem Aufwand so aufbereiten, dass sie erneut als Ausgangsmaterial in den Prozesskreislauf eingespeist werden können.

Die Idee ist, einen geschlossenen Werkstoffkreislauf zu schaffen und einen Großteil der Späne in hoher Qualität dem Prozess wieder zur Verfügung zu stellen. „Dafür kann man aber nicht erst bei den Spänen ansetzen“, erklärt Stefan Kröning, der am IFW das Projekt koordiniert, „man braucht für die Fertigung ein anderes Kühlkonzept während der Zerspanung, darauf angepasste Maschinenkonzepte und entsprechende Werkzeugtechnologien, um die Späne letztlich so wenig zu verunreinigen, dass sie wieder als Ausgangsstoff für hochwertige Anwendungen nutzbar sind.“

Das Institut für Werkstoffkunde (IW) wird die durch die angepassten Technologien erzeugten Späne hinsichtlich der Recyclebarkeit analysieren und bewerten. Das IFW selbst wird im Projekt an zwei Stellen aktiv: Der Bereich Fertigungsverfahren entwickelt geeignete Werkzeuggeometrien und Prozessstrategien, die zu möglichst gut recyclingfähigen Spänen führen. Der Bereich Fertigungsplanung und -organisation ist außerdem verantwortlich für die wirtschaftliche und ökologische Auslegung des gesamten Kreislaufs. „Wir haben im Blick, dass der Optimierungsaufwand bei den zu entwickelnden Technologien nicht größer wird als der Nutzen, der im Zusammenspiel am Ende damit zu erzielen ist. Es hilft ja niemandem, wenn wir in drei Jahren ein Projektergebnis vorlegen, dass nicht wirtschaftlich zu realisieren ist.“

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