Interview

Die geplante Novelle der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung sorgt für Unmut in der privaten Entsorgungswirtschaft. Im Interview erklären Rechtsanwalt Markus W. Pauly und ESN-Geschäftsführer Klaus Bunzel, warum das Prinzip der Selbstüberwachung durchlöchert wird und mit welchen Zusatzkosten die Entsorgungsfachbetriebe rechnen müssen.

„Ein Musterbeispiel für Überregulierung“


Das Zertifikat des Entsorgungsfachbetriebs gilt schon seit vielen Jahren als Gewähr für eine ordnungsgemäße und zuverlässige Entsorgung. In der Regel erlangen die Betriebe das Zertifikat über die Mitgliedschaft in einer anerkannten Entsorgergemeinschaft. Dafür müssen die Betriebe eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Mit der geplanten Novelle der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung will das Bundesumweltministerium die Anforderungen auf eine neue Grundlage stellen. Einige der geplanten Regelungen stoßen dabei auf Widerstand der privaten Entsorgungswirtschaft.

Herr Pauly, die Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb schien bislang in geregelten Bahnen zu laufen und anerkannt zu sein. Nun soll die Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung novelliert werden. Warum ist eine Novelle überhaupt nötig?

Pauly Rechtsanwälte
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Der Gesetzgeber möchte mit der Novelle der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung das bewährte Instrument der Zertifizierung von Betrieben zu Entsorgungsfachbetrieben weiter ausbauen und bestehende Rechts- und Anwendungsunsicherheiten abbauen. Ein wichtiges Ziel ist darüber hinaus, ein einheitliches Regelwerk für Entsorgungsfachbetriebe zu schaffen und das bisherige Nebeneinander von der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung und der Entsorgergemeinschaftsrichtlinie zu überwinden. Schließlich sollen in der neuen Bundesverordnung auch Anregungen der Länder, die schließlich für den Vollzug zuständig sind, Berücksichtigung finden. Diese Einschätzungen der Länder waren bislang weitgehend Bestandteil einer Vollzugshilfe der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA). Ob es tatsächlich zwingend notwendig ist, die Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung zu novellieren, erscheint jedoch fraglich. Ganz anders sieht das zum Beispiel bei der im gleichen Atemzug zu novellierenden Abfallbeauftragten-Verordnung aus, deren letzte Fassung von 1977 datiert und die damit regelrecht überholt ist.

Was spricht dagegen, wenn der Gesetzgeber Rechtsunsicherheiten abbauen und ein einheitliches Regelwerk schaffen will?

Da spricht einiges dagegen, vor allem dann, wenn die Novelle eine Art Paradigmenwechsel enthält, soweit es um den Grundcharakter der Verordnung geht. Ist die bisherige Verordnung, deren sich der einzelne Betrieb schließlich freiwillig unterstellt, noch regelrecht entstaatlicht, so sieht der neue Verordnungsentwurf zahlreiche Möglichkeiten der Behördenbeteiligung vor. Auch das Prozedere der Vorprüfung als Voraussetzung dafür, dass ein Betrieb in eine Entsorgergemeinschaft aufgenommen wird, entspricht nicht dem Selbstverständnis der Entsorgergemeinschaften. Schließlich ist es die Aufgabe einer Entsorgergemeinschaft einen Betrieb an die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb heranzuführen und nicht nur solche Betriebe in die Entsorgergemeinschaft aufzunehmen, die bereits von Anfang an die Gewähr dafür bieten, Entsorgungsfachbetrieb sein zu können.

Welche Rechte sind im Einzelnen für die Behörde vorgesehen?

Beispielsweise sind die für die Überwachung zuständigen Behörden vorab über Audittermine zu informieren. Zudem hat die für die Anerkennung der Entsorgergemeinschaft zuständige Behörde das Recht, an den Sitzungen des Überwachungsausschusses und der Unterausschüsse der Entsorgergemeinschaften teilzunehmen. Die zuständige Behörde ist über solche Sitzungen vorab zu informieren. Anderenfalls begeht die Entsorgergemeinschaft eine Ordnungswidrigkeit.

Was haben die Entsorgergemeinschaften falsch gemacht, dass der Staat zu stärkeren Kontrollmechanismen greift?

Die Entsorgergemeinschaften haben sicherlich nichts falsch gemacht. Der Gesetzgeber ist aber offenbar der Auffassung, dass vereinzelt auch Entsorgungsfachbetriebe in Unregelmäßigkeiten bei der Entsorgung von Abfällen verwickelt waren. Solche behaupteten Umstände aber zum Anlass zu nehmen, das Institut des Entsorgungsfachbetriebes zu verstaatlichen, heißt das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Bereits heute erlaubt das Kreislaufwirtschaftsgesetz die Überwachung von Entsorgungsbetrieben. Wie oft wird ein Unternehmen in der Regel pro Jahr überprüft?

Das kann man pauschal nicht sagen. Bei sogenannten IED-Anlagen sieht das Gesetz je nach Risikostufe zum Beispiel ein Inspektionsintervall von 1 bis 3 Jahren vor.

Die Länder klagen in der Regel über unzureichende finanzielle und personelle Ausstattungen ihre Behörden. Soll die Anerkennungsbehörde nun mögliche Kontrolldefizite der Länder kompensieren?

Jedenfalls bekommt die Anerkennungsbehörde eine zusätzliche starke Position. Da die allgemeinen Kontrollrechte der Überwachungsbehörde in keinster Weise beschnitten werden, liegt jetzt ein Musterbeispiel für Überregulierung statt Deregulierung vor.

Der Bundesrat hat jüngst beschlossen, dass alle Efb-Prüfberichte an die Behörde weitergeleitet und in ein zentrales Register eingestellt werden sollen. Auch das ist offenbar Ausdruck des Misstrauens des Verordnungsgebers gegenüber den Entsorgergemeinschaften. Wie bewerten Sie die Informationspflicht gegenüber der Behörde?

Vordergründig hat sich der Bundesrat auch damit befasst, dass „der Entsorgungsfachbetrieb ein Instrument der Selbstüberwachung der Wirtschaft darstellt“ und hat diesen Grundsatz im Einzelnen der zahlreichen Änderungspunkte zitiert. Insbesondere hat der Bundesrat wohl nur vordergründig erkannt, dass die Teilnahme der Überwachungsbehörde bei den Vor-Ort-Terminen nicht mit dem Prinzip der Selbstüberwachung vereinbar ist. Vor diesem Hintergrund sieht der Bundesrat vor, dass auch die Zustimmungsbehörde berechtigt sein soll, stichprobenhaft die Sachverständigen bei Prüfungen zu begleiten. Den von der Bundesregierung vorgesehenen Paradigmenwechsel hat der Bundesrat somit aber ganz sicher nicht korrigiert. Im Gegenteil: Auch die Einstellung der jeweiligen Überwachungsberichte, die schließlich nichts anderes als ein „internes“ Papier des Sachverständigen sind, im Register geht ganz klar einen Schritt zu weit. Entscheidend für die Publizität nach Außen und somit für das Register ist allein das Zertifikat. Die Möglichkeit der Binnendifferenzierung der Entsorgungsfachbetriebe durch Einsichtnahme in den Überwachungsbericht stellt insoweit ein weiteres, dem herkömmlichen Entsorgungsfachbetrieb wesensfremdes Element dar.

Herr Bunzel, die Entsorgergemeinschaft der Deutschen Stahl- und NE-Metall-Recycling-Wirtschaft (ESN) sieht die Novelle ebenfalls kritisch. Lässt sich bereits absehen, ob den Entsorgungsfachbetrieben zusätzliche Kosten ins Haus stehen?

ESN
ESN

Ja, in den Grundzügen schon. Wir gehen davon aus, dass auf die Unternehmen und die Entsorgergemeinschaften sehr wohl zusätzliche Kosten zukommen werden, sollte die Novelle in der aktuellen Fassung in Kraft treten.

An welchen Stellen werden die höheren Kosten anfallen?

Zum einen bei der Vorprüfung vor Eintritt eines Unternehmens in die Entsorgergemeinschaft also bei einer Erstzertifizierung. Und zum anderen sind es die Kosten der anstehenden unangekündigten Zwischenprüfungen. Da weiterhin die Prüfungstiefe auf der Grundlage von Mindestinhalten der Prüfberichte vom Gesetzgeber vorgegeben wird, kann es hier auch zu Kostensteigerungen gegenüber den prüfenden Sachverständigen kommen. All dies wird sich aber erst in der Praxis nach Inkrafttreten der neuen Verordnung zeigen.

Können Sie abschätzen, in welcher Größenordnung der Zusatzkosten anfallen werden?

Nach gegenwärtigen Schätzungen, die bereits innerhalb der EVGE vorgenommen wurden, rechnen wir mit Zusatzkosten in Höhe von 10 bis 15 Prozent.

Was kostet eigentlich die Erstzertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb?

Die Gesamtkosten einer Erstzertifizierung hängen von vielen Faktoren ab und bewegen sich zwischen 2.000 und 25.000 Euro. Angefangen von Kleinstbetrieben mit 2 bis 3 Beschäftigten und wenig Abfällen und Tätigkeiten, bis hin zu Großunternehmern mit mehreren genehmigten Anlagen, mehreren Standorten und allen Tätigkeiten. Entscheidend ist auch, ob das Unternehmen gemeinsam mit dem Entsorgungsfachbetrieb noch zusätzliche Bereiche wie ElektroG und Altauto prüfen lässt.

Wie teuer sind dann die jährlichen Wiederholungsaudits?

Bei den jährlichen Wiederholungsaudits wird geprüft, ob es Veränderungen zum bestehenden Prüfinhalt gibt. Diese Prüfungen konzentrieren sich in der Regel auf bestimmte Bereiche. Einbezogen werden hierbei aber auch alle Anlagen und Standorte. Bei den Kosten bewegen wir uns hier auch in einem Segment von 1.000 bis 10.000 Euro je nach Größe des Unternehmens.

Wie geht es nun weiter mit der Efb-Novelle?

Die neue EfbV-Novelle liegt jetzt mit allen Änderungen vor und wird nach gegenwärtigen Aussagen des Gesetzgebers Anfang des Jahres 2017 veröffentlicht und dann nach 6 Monaten rechtskräftig. In dieser Zeit müssen die Entsorgergemeinschaften ihre Dokumente an die neue Novelle anpassen. Ab Mitte des Jahres sind dann die neuen Vorschriften bei der Zertifizierung der Unternehmen anzuwenden. Wie es zu diesem Zeitraum mit dem geplanten Register für alle Entsorgungsfachbetrieb-Zertifikate bestellt ist, kann noch nicht gesagt werden, da sich die Länder auf eine längere Frist zur Installierung eines zentralen Registers ausgesprochen haben. Gegenwärtig erarbeitet die LAGA eine neue Vollzugshilfe zur Umsetzung der Novelle. Hier kann man auch gespannt sein, wie diese endgültig aussehen wird.

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