EU-Gesetzgebung

So viel vorauseilender Gehorsam ist selten: Kaum hat die EU-Kommission ihre Vorschläge zur Eindämmung des Plastikmülls präsentiert, reagieren schon zahlreiche Einzelhändler: Sie wollen künftig auf Einwegprodukte verzichten und stärker auf Recyclate und alternative Materialien setzen. Ein Überblick über die Vorhaben.

Einwegplastik wird zum Auslaufmodell


Noch ist es nur ein Vorschlag der EU-Kommission, aber die großen Einzelhandelsketten in Deutschland haben sich schon in Stellung gebracht. Ketten wie Edeka, Lidl und Rewe haben bereits ganze Maßnahmenbündel angekündigt, um das Aufkommen an Plastikmüll zu reduzieren. Im Fokus stehen dabei Einwegprodukte wie Plastikteller, Plastikbesteck und Trinkhalme. Auf sie wollen die Ketten künftig verzichten, stattdessen setzen sie auf den vermehrten Einsatz von Recyclaten und alternativen Materialien.

Der Einzelhandel hat damit überraschend schnell auf einen Vorschlag der EU-Kommission reagiert: Die Kommission hatte im Mai dieses Jahres ihre „Plastikstrategie“ verkündet und darin gefordert, dass bis zum Jahr 2030 alle Plastikverpackungen wiederverwendbar oder recycelbar sein sollen. Gleichzeitig soll die Menge an Einwegplastikabfällen mit rechtlichen Mitteln wesentlich reduziert werden. Konkret ist ein Verbot von Einwegprodukten geplant. Darunter würden Besteck und Geschirr aus Plastik, Trinkhalme, Luftballonstäbe, Rührstäbchen und Wattestäbchen fallen.

Für Artikel, die bisher noch nicht vernünftig ersetzt werden können, sollen die EU-Länder darüber hinaus Sorge leisten, dass der Verbrauch eingedämmt und alternative Produkte gefördert werden. Unter diese Kategorie fallen Verpackungen und Becher für Essen und Getränke zum Mitnehmen.

Doch all dies ist bislang nur ein Vorschlag der Kommission – wenngleich er gute Aussichten hat, auch das Europarlament und den Europäischen Rat zu passieren. Das sehen die großen Einzelhandelsketten in Deutschland wohl ähnlich, denn nur so lässt sich erklären, dass der Handel binnen weniger Monate mit umfangreichen Maßnahmenpaketen aufwartet:

  • Der Rewe-Konzern, zu dem auch Penny und Toom gehören, will in seinen Geschäften ab sofort keine Einweg-Plastikhalme mehr anbieten und somit 42 Millionen der Halme jährlich einsparen. Lediglich Restbestände werden noch verkauft. Ab 2019 gibt es dann nur noch Alternativen aus zertifiziertem Papier, Weizengras oder Edelstahl. Bereits weitgehend abgeschafft wurden in den Läden die Plastikeinkaufstüten. Die Tiefkühltragetaschen werden laut Konzern in diesem Jahr noch auf Recyclat-Folie umgestellt.
  • Bis Ende 2019 will der Discounter Lidl in seinen 3.200 Filialen keine Einwegplastikartikel wie Trinkhalme, Einwegbecher und -gläser, Teller, Besteck und Wattestäbchen mit Plastikschaft mehr verkaufen. Sie werden durch Produkte aus alternativen und recycelbaren Materialien ersetzt. Bereits im Februar hatte Lidl angekündigt, den Plastikeinsatz um 20 Prozent bis zum Jahr 2025 zu reduzieren.
  • Auch die Einzelhandelskette Kaufland, die wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört, will in allen Läden bis 2025 den Kunststoffverbrauch um mindestens 20 Prozent reduzieren. Darüber hinaus will Kaufland eine 100-prozentige Recyclingfähigkeit der Kunststoffverpackungen für Eigenmarken sicherstellen. Außerdem sollen – wie bei Lidl – bis Ende 2019 gezielt ausgewählte Kunststoff-Artikel ausgelistet werden.
  • Edeka plant ebenfalls, nur noch Restbestände im Einwegbereich abzuverkaufen und Mehrwegartikel als Alternativen zu entwickeln. So bestehe beispielsweise ein Becher bereits aus 70 Prozent natürlichen Materialien wie Bambus.
  • Auch die Kaffee-Kette Starbucks will Plastik-Strohhalme abschaffen. In den weltweit rund 28.000 Filialen soll es ab 2020 keine Einweg-Halme mehr geben. Als Ersatz sollen etwa alternative Materialien und ein spezieller Deckel zum Einsatz kommen, aus dem direkt getrunken werden kann. Somit dürften in den Läden pro Jahr mehr als eine Milliarde Plastik-Trinkhalme wegfallen, teilte Starbucks mit.
  • Schließlich wollen auch Hotelkonzerne mit gutem Beispiel vorangehen: Hotelketten wie Iberostar, Hilton, Scandic Hotels und die spanische Hotelgruppe Meliá wollen künftig auf Plastik-Einwegprodukte wie Strohhalme und Becher verzichten. Einige Hotels wollen auch die Zimmer komplett plastikfrei gestalten.

Dass die Maßnahmen der Einzelhändler durchaus wirken können, zeigt der Umgang mit Kunststoff-Tragetaschen. Seitdem diese entweder gar nicht mehr oder nur noch gegen Geld an der Kasse zu bekommen sind, ist nach Angaben der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) der Verbrauch deutlich zurückgegangen. So wurden im vergangenen Jahr in Deutschland nur noch 29 Tüten pro Kopf und Jahr in Umlauf gebracht. Im Jahr zuvor waren es noch 45.

Die Gesamtzahl der verbrauchten Plastiktüten ging auf diese Weise um mehr als ein Drittel auf 2,4 Milliarden zurück. Im Jahr 2015 waren es noch 5,6 Milliarden, im Jahr 2000 sogar 7 Milliarden.

 

© 320° | 24.07.2018

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