Elektromobilität

Elektroautos verkaufen sich nur schleppend, doch Experten sind sich einig: Die Technik ist nicht mehr aufzuhalten. Die Autokonzerne rüsten sich bereits für die neue Ära emissionsfreier Autos.

Elektroautos werden das „New Normal“


Autos mit Elektroantrieb werden in den kommenden Jahren einen rasanten Siegeszug hinlegen – darin sind sich Autobauer und Analysten mittlerweile einig. Auch wenn die Einführung der batteriebetriebenen Technik in einigen Märkten schleppend läuft, so verkündete Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), erst kürzlich: „Ab der kommenden Dekade erreicht die Elektromobilität den Massenmarkt“.

Auch das Center of Automotive Management prognostizierte Anfang des Jahres in einer Studie, dass ab 2020 deutlich mehr Schwung in den Elektroautomarkt kommen wird. Eine Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) prognostiziert gar, dass bis 2030 jeder dritte Neuwagen in der EU ein Elektroauto sein wird. Bis mindestens 2020 werde das Wachstum aber noch schleppend verlaufen.

4,8 Prozent mehr Elektroautos in Europa

Was schleppend heißt, zeigen die Zahlen für Europa. Nach Angaben der Autoherstellervereinigung ACEA wurden im vergangenen Jahr insgesamt 155.273 batteriebetriebene Autos neu registriert. Gegenüber dem Vorjahr ist das zwar ein Plus von rund 4,8 Prozent, doch das ändert nichts daran, dass der Anteil der reinen Elektroautos an allen neu zugelassenen Pkw in Europa unverändert klein ist: 2016 betrug er 1,5 Prozent, 2015 lag er bei 1,4 Prozent.

Absoluter Spitzenreiter beim Anteil der Elektroautos ist Norwegen: Hier fährt mittlerweile fast jedes dritte neu zugelassene Auto mit Strom. Deutschland dagegen liegt mit einem Anteil von 0,8 Prozent auf Platz acht. In absoluten Zahlen ausgedrückt wurden in Deutschland im vergangenen Jahr sogar 7,7 Prozent weniger Elektroautos registriert als noch 2015. Laut Kraftfahrzeug-Bundesamt waren es genau 11.410 Fahrzeuge.

Kaufprämie in Deutschland hat wenig genützt

Dabei hatte die Bundesregierung erst Mitte 2016 eine Kaufprämie von 4.000 Euro auf rein batteriebetriebene Elektrofahrzeuge und 3.000 Euro auf Hybridfahrzeuge ausgelobt. Außerdem gibt es für die Autos mittlerweile eine Steuerbefreiung von zehn Jahren.

Genützt hat die Prämie bislang wenig: Laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurden bis Ende März insgesamt 15.348 Anträge für den Umweltbonus gestellt – 8.658 Anträge entfielen auf reine Elektroautos. Immerhin verzeichnete das BAFA zuletzt ein stark steigendes Interesse: Mit insgesamt 2.698 Anträgen im März stiegen die Anträge im Vergleich zum Vormonat um 34 Prozent. Mit Abstand am beliebtesten sind die Modelle BMW i3 und Renault Zoe.


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Deutsche Autobauer bei E-Autos weltweit auf Platz zwei

Während die Zulassungen für E-Autos in Deutschland noch vor sich hin dümpeln, stehen bei den deutschen Autobauern die Zeichen längst auf Wachstum. Auf dem Weltmarkt für E-Autos belegen sie hinter China Platz zwei. Mittlerweile gibt es laut VDA rund 30 Elektroauto-Modelle von Herstellern aus der Bundesrepublik. Bis zum Jahr 2020 soll es knapp 100 Varianten mit deutschem Konzernmarkenzeichen geben. Laut Wissmann wird eine Reichweite von 500 Kilometern bald Standard sein, die gesamte Branche investiere in den Elektroantrieb knapp 40 Milliarden Euro.

So hat auch Daimler bei der Jahreshauptversammlung vergangene Woche betont, dass der Konzern immer mehr auf Elektromobilität setzen wird. „Wir gehen jetzt davon aus, dass in 2025 bereits 15 bis 25 Prozent unserer Produktion batterieelektrisch, vollelektrisch angetrieben sein wird“, betonte Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Gemeinsam mit BMW und Volkswagen wird Daimler in diesem Jahr europaweit erstmals rund 106.000 Elektroautos auf den Markt bringen, lautet eine weitere Prognose von PwC. Das wäre ein Plus gegenüber 2016 von 54 Prozent. Bis zum Jahr 2023 sollen deutsche Autohersteller jährlich etwa eine halbe Millionen Elektroautos in Europa bauen. Am Rande des Genfer Autosalons im März sagte PwC-Analyst Christoph Stürmer: „Vor drei Jahren galten die alternativ betriebenen Fahrzeuge auf den Automessen noch als Exoten. Diesmal werden sie in Genf das ‚New Normal‘ sein.“


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Autobauer in China rüsten kräftig auf

Neben den deutschen Autobauern rüsten auch Autobauer in China kräftig auf. Schon jetzt ist das Land mit einem Anteil von 43 Prozent an der Weltproduktion von 870.000 E-Fahrzeugen bei der Herstellung Spitzenreiter, wie der McKinsey Electric Vehicle Index zeigt. Auch bei der Flottenstärke liegt China vorne: Fast die Hälfte der im Jahr 2016 weltweit 743.000 neu zugelassenen E-Fahrzeuge entfielen auf China. Hier sind aber Plug-in-Hybrid – also Autos, die sowohl mit Verbrennungsmotor als auch mit Strom fahren – miteingerechnet.

Den Boom in China erklärt McKinsey-Experte Nicolai Müller mit drei Faktoren: „Zum einen ist China mit 75 verfügbaren E-Modellen das Land mit der größten Modellvielfalt, zum anderen wirkt eine Kombination aus direkten finanziellen Anreizen und nicht-finanziellen Vorteilen wie beispielsweise eine leichtere Zulassung in den großen Städten als Beschleuniger.“ Und drittens baue das Land die Ladeinfrastruktur massiv aus.

Auch in Deutschland ist die Ladeinfrastruktur noch nicht optimal. Mittlerweile gibt es 6.517 öffentliche Ladepunkte, darunter 230 Schnellladepunkte, wie die Bundesregierung Mitte März auf eine Anfrage der Grünen mitteilte. Damit die Regierung das selbstgesetzte Ausbauziel von einer Millionen Elektrofahrzeuge bis 2020 erreichen kann, sind aber insgesamt 7.000 öffentliche Schnellladepunkte und 36.000 Normalladepunkte nötig.

Verbot von Diesel- und Benzinautos ab 2030 gefordert

Dass das Ziel von einer Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen in drei Jahren tatsächlich erreicht werden kann, daran glaubt fast niemand mehr. Dennoch wird auch von politischer Seite der Druck erhöht. Die Grünen forderten sogar im Herbst vergangenen Jahres, die Neuzulassung von Diesel- und Benzinautos ab 2030 komplett zu verbieten.

Der Grünen-Vorschlag löste unter anderem in der Automobilbranche viel Kritik aus. Trotz der Entwicklung hin zum Elektroauto seien Verbrennungsmotoren auch über 2030 hinaus ein wichtiger Faktor für Verkehr und Wirtschaft in Deutschland, betonte beispielsweise der Automobilclub ADAC.

Auf teilweise offene Ohren sind die Grünen aber ausgerechnet im SPD- und unionsgeführten Bundesrat gestoßen. Dieser hat im Herbst 2016 den Beschluss gefasst, die EU-Kommission aufzufordern zu prüfen, wie die emissionsfreie Mobilität gefördert werden kann. Auf dieser Basis soll die Kommission dann Vorschläge für Abgaben und Steuern unterbreiten, damit spätestens ab dem Jahr 2030 EU-weit nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden. Sollte es tatsächlich so weit kommen, dann wäre spätestens dann der Siegeszug von Elektroautos nicht mehr aufzuhalten.

© 320°/ek | 10.04.2017

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