Treibhausgasemissionen

kostenpflichtig
Der EU-Emissionshandel soll den CO2-Preis erhöhen und den Umstieg auf umweltfreundliche Alternativen lohnenswert machen. In der Praxis funktioniert das Instrument nur bedingt. Das liegt an der kostenlosen Verteilung der Zertifikate.

Emissionshandel: Rechnungshof moniert Verteilung kostenloser Zertifikate


Der Europäische Rechnungshof rät der EU-Kommission dazu, bei der Vergabe kostenloser Verschmutzungsrechte nachzuschärfen. Diese Zertifikate an die Energiewirtschaft und Teile der Industrie sollen eigentlich nur in Ausnahmefällen erteilt werden, machten zuletzt aber immer noch 40 Prozent aller verfügbaren Verschmutzungsrechte aus, wie der Rechnungshof am Dienstag in Luxemburg mitteilte.

Zwar sei grundsätzlich eine kostenlose Vergabe gerechtfertigt gewesen, erklärte der zuständige EU-Rechnungsprüfer Samo Jereb. Ein gezielterer Einsatz hätte aber Vorteile sowohl für den angepeilten Ausstieg aus der Kohleindustrie als auch für die öffentlichen Finanzen und das Funktionieren des Binnenmarktes gebracht.

Jereb sagte, mit der kostenlosen Zuteilung sollten die Industriesektoren unterstützt werden, die am wenigsten in der Lage sind, ihre CO2-Kosten an die Kunden weiterzugeben. „Dies ist jedoch nicht der Fall.“ Vielmehr kämen die Branchen, auf die mehr als 90 Prozent der Industrieemissionen entfallen, in den Genuss kostenloser Zertifikate. So hätten EU-Mitglieder – vor allem Bulgarien, Tschechien, Polen und Rumänien – die Investitionen oft darauf verwendet, „vorhandene Braun- und Steinkohlekraftwerke zu sanieren, anstatt auf umweltfreundlichere Kraftstoffe umzustellen“, betonten die Prüfer in ihrem Bericht.

In den Blick nahmen sie auch die Luftfahrtbranche. Diese erhalte kostenlose Zertifikate, obwohl sie die CO2-Kosten an die Kunden weitergeben könne, kritisierten die Prüfer. Dies wiederum könne dazu führen, dass CO2-intensive Flugreisen zum Nachteil des Schienenverkehrs unterstützt werden. „Wenn die Zuteilung kostenloser Zertifikate nicht gezielter erfolgt, wird die EU nicht alle Vorteile, die das Emissionshandelssystem für die Dekarbonisierung und die öffentlichen Finanzen haben könnte, nutzen“, mahnte Jereb.

Die EU-Kommission hat das Ziel ausgegeben, dass im Jahr 2050 „keine Netto-Treibhausgasemissionen“ mehr freigesetzt werden. Dafür ist der Emissionshandel ein wichtiger Baustein. Der Emissionshandel ist so ausgestaltet, dass Kraftwerke und Fabriken Verschmutzungsrechte für jede Tonne CO2 brauchen, die sie in die Luft blasen. Da die Gesamtmenge dieser zugeteilten Zertifikate jedes Jahr entsprechend der Klimaziele sinkt, werde die Zertifikate knapper und ihr Preis steigt. Stromerzeugung mit viel Kohlendioxid wie bei der Kohle wird so teurer und der Umstieg auf Alternativen lohnend.

Den grundsätzlichen Wirkungsmechanismus erkannte der Rechnungshof an. Die Reform habe zuletzt die Zertifikatemenge verringert und den Preis hochgetrieben.

 

© 320°/dpa | 15.09.2020
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