Recycling von Wärmedämmsystemen

Schon bald werden größere Mengen Wärmedämmverbundsysteme zur Verwertung anstehen. Bislang gibt es dafür kein Recyclingverfahren. Probleme bereitet vor allem das Flammschutzmittel HBCD, das im EPS vielfach enthalten ist. Experten diskutieren über die beste Verwertungsoption.

EPS-Recycling mit Lösungsmitteln


Wärmedämmverbundsysteme werden seit den 70er Jahren im Neubau und bei der energetischen Sanierung von Altgebäuden angewandt. Das Dämmmaterial besteht meist aus expandiertem Polystyrol (EPS) und wird auf dem Wanduntergrund aus Ziegel, Kalksandstein oder Beton befestigt. Die Oberfläche besteht in der Regel aus einer armierenden Putzschicht.

Wird das Gebäude abgerissen oder zurückgebaut, entsteht ein Verbundabfall aus EPS und Mörtel. Ein Verwertungsverfahren für dieses Stoffgemisch gibt es jedoch nicht. Zum einen ist das Aufkommen zu gering, um ein Recyclingverfahren im industriellen Maßstab zu etablieren. Zum anderen bereitet auch das EPS Schwierigkeiten. Denn EPS wurde bis vor kurzem noch mit 0,7 bis 1 Prozent Hexabromcyclododekan (HBCD) als Flammschutzmittel ausgerüstet, wie Andreas Mäurer, Abteilungsleiter Kunststoffrecycling im Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), auf der „Berliner Konferenz Mineralische Nebenprodukte und Abfälle“ erläuterte. Seit Frühjahr darf HBCD-haltiges EPS daher nicht mehr einfach recycelt und als Rezyklat vermarktet werden.

Die Frage ist also: Was tun, wenn in den kommenden Jahren das Aufkommen an Verbundabfällen deutlich zunimmt, weil bis dahin die rund 30-jährige Lebensdauer der ersten Dämmsysteme abläuft? Die Antwort ist auch deshalb von Bedeutung, weil Experten wie Mäurer davon ausgehen, dass der HBCD-Anteil im Abfall größer sein wird als der festgelegte Grenzwert für die Einstufung als POP-Abfall. Um dennoch ein sicheres und ökonomisches Recycling zu gewährleisten, sollten aus Mäurers Sicht in jedem Fall folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Auf der Baustelle ist zunächst eine sinnvolle Erfassung der Wärmedämmverbundsysteme nötig, um EPS-reiche Abfallfraktionen erzeugen zu können. Der Transport der Abfallmengen generell ist nicht effektiv, weil die rückgebauten Abfälle sehr voluminös sind.
  • Ein Verfahren zur Trennung in HBCD-haltige und -freie Wärmedämmverbundsysteme muss etabliert werden, weil gängige Schnellanalysengeräte auf Basis von NIR, RFA oder Gleitfunkenspektroskopie nicht in der Lage sind, Materialien nach HBCD und neuem polymerem bromierten Flammschutzmittelsystemen zu sortieren.
  • Die sichere Zerstörung des HBCD muss gewährleistet sein, während zugleich die werkstoffliche Verwertung der enthaltenen mineralischen und polymeren Wertstoffe erreicht wird.
  • Die anzustrebende Trenntechnik muss also zunächst den mineralischen Anteil vom Polymer trennen, im zweiten Schritt aber das HBCD-Additiv aus dem Polymer entfernen, ohne das Polymer nachhaltig zu schädigen.

Geringe Probleme dürfte das HBCD-freie Post-Consumer Styropor bereiten. Das Material könne gemahlen und dann als Leichtzuschlag für Mörtel und Beton genutzt werden, erklärte Mäurer auf der Berliner Konferenz. Weitaus schwieriger ist die Frage, wie man am besten mit dem EPS umgeht. Eine thermische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage würde das Flammschutzmittel sicher und hinreichend zerstören, ohne den Verbrennungsprozess zu beeinträchtigen. Doch würden bei dieser Variante die polymeren Ressourcen nur schlecht genutzt, wie Mäurer einwendet. Die große aufgewendete Produktions- und Veredlungsenergie würde komplett verloren gehen.

CreaSolv-Verfahren als Alternative

Der Wissenschaftler empfiehlt daher die Rückgewinnung des Polysterols nach vorheriger Flammschutzmitteltrennung. Dies sei technisch mit Hilfe lösungsmittelbasierter Recyclingtechnologien erreichbar. Das abgetrennte bromierte Flammschutzmittel könnte dann durch thermische Behandlung zur Bromrückgewinnung eingesetzt werden.

Für das werkstoffliche Recycling der Verbundabfälle aus Wärmedämmverbundsystemen hält Mäurer den so genannten CreaSolv-Prozess für geeignet. Dieser Prozess biete sich generell für das Recycling von Polymeren aus Verbundstrukturen an, erklärte er. Die Verbundabfälle würden zunächst mit einem Lösungsmittel benetzt. Dabei löst sich das expandierte EPS auf und kann durch Fest-Flüssig-Trennung vom mineralischen Anteil separiert werden. Der mineralische Anteil wird dann thermisch vom Lösungsmittel befreit und als Recyclingbaustoff verwendet. Das eingesetzte Lösungsmittel ist dabei eine als non-VOC klassifizierte Flüssigkeit, die weit unterhalb des Flammpunktes eingesetzt wird. Daher sei die Verbundtrennung mit Hilfe des Lösungsmittels beispielsweise auch direkt auf der Baustelle machbar.

Übrig bleibt ein gereinigtes Polystyrolgranulat

Die von Mineralien befreite Polymerlösung wird im zweiten Schritt vom Flammschutzmittel HBCD und anderen Additiven sowie den niedermolekularen Abbauprodukten befreit, so dass eine reine hochwertige Rezyklat-Lösung übrig bleibt. Das Recyclingprodukt, ein gereinigtes Polystyrolgranulat, ist laut Mäurer marktfähig oder kann alternativ durch Zugabe eines Treibmittels wieder zu expandierfähigen EPB-Breads aufgearbeitet werden.

Parallel dazu wird das abgereinigte HBCD ebenfalls vom Lösungsmittel getrennt und kann als hochbromhaltige und schwermetallfreie Fraktion zur Rückgewinnung von Brom verwendet werden. Dazu gibt es in Terneuzen (Holland) eine industrielle Anlage, die anorganische und organische Abfälle in einem thermischen Verfahren oxidiert und Brom zurückgewinnt. Beide Stoffströme, sowohl das Polymer als auch das Flammschutzmittel, würden dadurch hochwertig wiedergewonnen, betonte Mäurer.

Was allerdings noch fehlt, ist eine CreaSolv-Anlage im Industriemaßstab. Die Realisierung einer Erstanlage sei der notwendige Schritt, um die Technologie am Markt zu etablieren, betonte Mäurer. Gelinge die Umsetzung in rentablen Kleinanlagen, könnte in naher Zukunft ein Netzwerk von Aufbereitungsanlagen dazu beitragen, das Abfallaufkommen aus Wärmedämmverbundsystemen werkstofflich optimal zu nutzen.

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