Kommunalisierung in Bad Kreuznach

In die Diskussion um die geplante Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in Bad Kreuznach schaltet sich nun auch der betroffene Entsorger Veolia Umweltservice ein. Er wehrt sich gegen die Behauptung, fehlender Wettbewerb habe zu erhöhten Angebotspreisen geführt. Der Kreis selbst sei dafür verantwortlich.

Erstaunen, Befremdung und Enttäuschung


Mit einem offenen Brief hat sich Veolia Umweltservice West in die Diskussion um die Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft im Kreis Kreuznach eingeschaltet. Darin kritisiert der private Entsorger nicht nur die fehlende Gelegenheit, vor dem Werksausschuss oder dem Kreistag seine Sicht der Dinge vortragen zu können, er weist auch die Behauptung zurück, fehlender Wettbewerb hätte zu erhöhten Angebotspreisen geführt.

Veolia hatte im Jahr 2012 im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag für die Entsorgung von Hausmüll, Biomüll inklusive Papier in der Stadt und im Kreis Kreuznach erhalten. Für das Stadtgebiet hatte der private Entsorger den kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb als Subunternehmer beauftragt. Nach eigenen Angaben hatte Veolia für die Leistungserbringung 9 Müllsammelfahrzeuge und 3 andere Fahrzeuge angeschafft. Die Sammelfahrzeuge seien mit ldentsystemen zur Auslesung von lnformationen an den Abfallbehältern ausgestattet worden. Weiterhin verfügten die Bioabfallsammelfahrzeuge (gemäß den Vorgaben der Ausschreibung) über ein Detektionssystem mit 30 Empfindlichkeitsstufen, die Störstoffe in den Bioabfällen erkennen.

Die Ident- und Detektionssysteme seien zur ausschließlichen Nutzung im Landkreis Bad Kreuznach beschafft worden und werden nach Ende der Vertragslaufzeit anderweitig nicht nutzbar sein, erklärt Veolia. Die Investitionen in Anlagevermögen zur Erbringung der gewonnenen Aufträge beliefen sich zu Beginn des Jahres 2013 auf etwa 2,4 Millionen Euro. Für die Erbringung der Dienstleistungen sorgen 40 Fahrer/Lader sowie 2 Disponenten und eine Sachbearbeiterin des Veolia-Betriebes in Bad Kreuznach-Planig.

„Höhere Angebotspreise billigend in Kauf genommen“

Vor diesem Hintergrund zeigt Veolia nur wenig Verständnis für die Behauptung, fehlender Wettbewerb hätte zu erhöhten Angebotspreisen geführt. Wie der private Entsorger betont, liege es im Gestaltungsspielraum einer Kommune, welche Vorgaben zur Fahrzeug- und Behälterausstattung, zum Einsatz von ldent- und Verwiegungssystemen oder zu Vertragslaufzeiten und Abfuhrrhythmen gemacht werden. Je höher die geforderten Standards, umso höher seien die damit verbundenen Investitionen.

„lm Fall der viel diskutierten Ausschreibung des Landkreises Bad Kreuznach hatte man durch Vorgabe der damals neuesten Abgasnorm Euro V für die Sammelfahrzeuge, den Einsatz der beschriebenen ldent- und Störstoffysteme sowie vergleichsweise hoher Vertragsstrafen bei fehlender Leistung einen vergleichsweise sehr hohen Standard angesetzt“, schreibt Veolia. „Man muss davon ausgehen, dass diese Kriterien in Kooperation mit dem beratenden Ingenieurbüro so festgelegt worden sind. Sichert man dadurch einerseits einen hohen Dienstleistungsstandard, so nimmt man andererseits billigend in Kauf, dass es zwangsläufig zu höheren Angebotspreisen kommen muss´“, heißt es in dem Schreiben an den Landrat und die Fraktionsvorsitzenden des Kreistages.

Wie Veolia ebenfalls betont, habe das Unternehmen den Fuhrpark für die Dienstleistungserbringung im Kreis Bad Kreuznach komplett erneuern müssen. Ohne die entsprechenden Vorgaben hätten alle Anbieter vermutlich mit vorhandenen älteren und günstigeren Fahrzeugen kalkuliert. „Der bei Veolia in Bad Kreuznach vorhandene Fuhrpark an Abfallsammelfahrzeugen war zum Zeitpunkt der Ausschreibung erst 5 Jahre alt und hätte noch weiter genutzt werden können“, stellt der private Entsorger klar.

Wenn daher die Ausschreibung für ein Investitionsvolumen von mehreren Millionen Euro sorge und zugleich die Vertragslaufzeiten zwischen 3 und 5 Jahren liegen, dann sei dies „ein Risiko, dass sicher viele kleinere und mittelgroße Unternehmen eher nicht bereit und in der Lage sind zu tragen“. Insofern seien die Ausschreibungskriterien und Vertragslaufzeiten im Hinblick auf fehlenden Wettbewerb kritisch zu hinterfragen.

Offerte an Veolia-Mitarbeiter

Die aktuellen Pläne in Bad Kreuznach sehen vor, die komplette Abfallentsorgung zu kommunalisieren. Demnach will der Kreis das Abholen von Rest- und Biomüll nach dem Auslaufen des Vertrages mit Veolia im Jahr 2019 selbst übernehmen. Auch der bestehende Vertrag mit Remondis für Papier, Sperrmüll und Elektroschrott bis 2017 soll nicht verlängert werden. Ab 2018 will der Landkreis diese Abfälle ebenfalls selbst abholen.

Die Allgemeine Zeitung zitiert den Bad Kreuznacher Abfallwirtschafts-Dezernent Hans-Dirk Nies (SPD), wonach die Kommunalisierung dem Gebührenzahler jährlich ab 2019 eine Summe zwischen 456.000 und 643.000 Euro spare. Bis zum Start 2019 sollen für den notwendigen Bauhof 18 Fahrzeuge gekauft, bis zu 44 neue Mitarbeiter eingestellt und für 600.000 Euro ein Sozialgebäude gebaut werden, heißt es weiter.

Nies habe zudem durchblicken lassen, dass es eine offizielle Offerte an die Mitarbeiter von Veolia geben könnte, in den kommunalen Betrieb zu wechseln, wenn sich das Unternehmen 2019 aus dem Landkreis zurückzieht.

„Kostenvorteil nicht wegzudiskutieren“

Wie Veolia in seinem öffentlichen Brief ausführt, sei der Kostenvorteil, den ein kommunaler Abfallwirtschaftsbetrieb durch den Entfall der Umsatzsteuer hat, nicht „wegzudiskutieren“. Hierbei werde jedoch oftmals der Negativeffekt des Nichtabzugs der Vorsteuer bei eingekauften lnvestitionsgütern, eingekauften Verbrauchsgütern sowie eingekauften Dienstleistungen außer Acht gelassen. Auch hinter dem Punkt Personalkosten setzt der Entsorger ein Fragezeichen. „lm Bereich der Personalkosten wäre eine tarifvertragliche Prüfung vorzunehmen und unseres Erachtens auch offenzulegen, da es ja nach Ausgestaltung einen ‚Zwang‘ zum TVöD gibt und sich hierdurch elementare Kostenverschiebungen einstellen können“, schreibt Veolia. Es sei deshalb darzustellen, ob es nicht zu signifikanten Erhöhungen von Personalkosten bei einem kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb komme.

Hinzu komme der fehlende Wettbewerb. „Wenn in der Diskussion immer wieder von fehlendem Wettbewerb bei der letzten Ausschreibung die Rede ist, so ist ganz nüchtern festzustellen, dass dieser im Falle einer Rekommunalisierung komplett entfällt“, betont Veolia. Dieses führe in vielen Fällen zu einer eher unwirtschaftlichen Leistungserbringung, da nach der erfolgten Rekommunalisierung der Wettbewerbsdruck entfalle und Kostenoptimierungen oftmals nur schwerfällig realisiert würden.

Letztendlich kann Veolia aber gegen die Kommunalisierung, sofern sie tatsächlich kommt, nichts ausrichten. „Wenn es der erklärte politische Wille ist, die Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft im Landkreis Bad Kreuznach umzusetzen, dann haben wir weder die Möglichkeiten, dieses zu verhindern, noch wollen wir im Schlussakkord der Entscheidungsfindung als schlechte Verlierer dastehen“, erklärt Veolia am Ende des Briefes. Man bitte jedoch darum, „in künftigen Diskussionen und Darstellungen darauf zu verzichten, Veolia und anderen privaten Anbietern die Schuld für fehlenden Wettbewerb in die Schuhe zu schieben“.

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