Öffentliche Beschaffung

Der Ruf nach verpflichtendem Einsatz von Recyclingmaterial wird immer lauter. Die gute Nachricht ist: Bei Recyclingpapier wird er immer öfter gehört. Doch noch immer gibt es viele Behörden, die sich verweigern.

Etliche Behörden zögern noch bei Verwendung von Recyclingpapier


Die Bundeswehr tut es schon seit 1994, die Bundesregierung will es immerhin bis 2020 in den angeschlossenen Behörden durchsetzen: die nahezu ausschließliche Verwendung von Recyclingpapier.

Um in den Büros die umweltfreundlichere Papiervariante zur Pflicht zu machen, ist an sich nicht mehr nötig, als die Vorschriften zur Beschaffung entsprechend zu gestalten. Trotzdem gibt es in Deutschland noch einige Bundesbehörden, Bildungseinrichtungen, Städte und Gemeinden und kommunale Unternehmen, die keine entsprechenden Vorgaben machen. Die gute Nachricht: Die positiven Beispiele häufen sich.

„Wir sind, was die Verwendung von Recyclingpapier angeht, auf einem guten Weg“, sagt auch Sönke Nissen. „Es gibt aber noch Luft nach oben.“ Nissen ist Leiter der Geschäftsstelle der Initiative Pro Recyclingpapier (IPR), die im Jahr 2000 von mehreren Unternehmen gegründet wurde. Seitdem arbeitet er mit Kollegen daran, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung zur Umstellung auf Recyclingpapier mit dem Blauen Engel zu überzeugen.

Recyclingpapier ist in vielen Fällen günstiger

Vorurteile, gegen die Nissen und sein Team ankämpfen müssen, sind Falschinformationen über Qualität und Preis des Papiers aus Altpapier. „Vielfach ist nicht bekannt, dass Recyclingpapiere mit einem 70er oder 80er Weißgrad günstiger sind als vergleichbare Frischfaserpapiere“, sagt Nissen. Der Preis von Papier mit einem höheren Weißgrad ist entweder vergleichbar mit dem von Neuware oder liegt leicht drüber. Bei der Qualität gibt es laut Nissen mittlerweile keine Abstriche mehr – auch nicht bei der Archivierbarkeit.

Wie viele öffentliche Beschaffer auf Bundes- und Länderebene mittlerweile tatsächlich ausschließlich oder in großen Teilen Recyclingpapier verwenden, darüber hat die Initiative keinen lückenlosen Überblick. „Insgesamt beträgt der Marktanteil von Recyclingpapier an Büropapier in Deutschland etwa 15 Prozent“, sagt Nissen. „Das gibt aber keinen Aufschluss über die Verwendung in der öffentlichen Verwaltung, da hier auch der private und gewerbliche Sektor miteingeschlossen sind.“


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Hälfte der Bundesverwaltung druckt auf Broschüren auf Recyclingpapier

Bei den Behörden und Einrichtungen der Bundesverwaltung hat die Bundesregierung selbst nachgerechnet und kommt in einem Monitoring-Bericht über das Jahr 2017 zu dem Ergebnis, dass „erst rund 40 Behörden und Einrichtungen der unmittelbaren Bundesverwaltung zu mindestens 95 Prozent Recyclingpapier mit dem Blauen Engel nutzen“. Etwa die Hälfte davon gaben an, Broschüren auf Recyclingpapier drucken zu lassen.

Der Bericht zeigt, dass einige Behörden noch Nachholbedarf haben: Das Maßnahmenprogramm „Nachhaltigkeit“ der Bundesregierung aus dem Jahr 2015 sieht nämlich vor, in den eigenen Behörden und Einrichtungen den Anteil von Recyclingpapier bis zum Jahr 2020 auf 95 Prozent zu steigern. In Deutschland gibt es knapp 100 Oberste Bundesbehörden und Bundesoberbehörden. Hinzu kommen 36 Bundesmittelbehörden sowie mehr als 200 Bundesunterbehörden. Alles in allem geht es also um rund 240 Bundesbehörden.

Papieratlas gibt Überblick über Verbrauch in Städten und Hochschulen

Wer trotz fehlender Gesamtübersicht einen Eindruck vom Einsatz von Recyclingpapier in Deutschland bekommen möchte, ist bei der IPR dennoch gut aufgehoben: Online veröffentlicht sie laufend vorbildhafte Behörden unter Angabe derer Quoten im Rahmen des Projekts „Grüner beschaffen“. Auch zahlreiche kommunale Entsorger wie die Unternehmen aus München, Berlin oder Hamburg sind hier mit einer Hundert-Prozent-Quote gelistet.

Ebenfalls einen guten Überblick liefert der jährlich stattfindende Wettbewerb Papieratlas. Dabei machen Hochschulen ab 5.000 Studenten und Städte ab 50.000 Einwohnern ihren Papierverbrauch und den Recyclingpapiereinsatz transparent und konkurrieren um den Preis als recyclingpapierfreundlichste Stadt beziehungsweise Hochschule Deutschlands.

Die angegebenen Daten der Hochschulen und Kommunen zum Blauen-Engel-Papier werden neben dem Preisträger jährlich in zwei dicken Berichten veröffentlicht. Von den 187 zum Wettbewerb eingeladenen Städten machten im vergangenen Jahr 106 Städte mit. Den wachsenden Recyclingpapieranteil zeigen auch folgende Zahlen: Die Gesamtrecyclingpapier-Quote in den Großstädten ist zwischen 2008 und 2016 um rund 20 Prozentpunkte auf 86 Prozent gestiegen – ein Rekord. Gab es 2008 lediglich drei 100-Prozent-Städte, so waren es 2016 bereits 28.

Bei den Hochschulen, die im vergangenen Jahr zum zweiten Mal gegeneinander antraten, ist die Recyclingpapierquote 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozentpunkte auf rund 66 Prozent gestiegen – auch das ist ein Rekord. Von 141 angeschriebenen Hochschulen beteiligten sich im vergangenen Jahr 39 an dem Wettbewerb.

Um auch bei den Kommunen noch für Recyclingpapier zu werden und nicht zuletzt ihnen die Chance zur Imagepflege zu geben, gibt es beim Papieratlas 2018 erstmals auch einen Landkreiswettbewerb. Die Ergebnisse aller Wettbewerbe werden am 25. September im Bundesumweltministerium verkündet.

 

© 320° | 09.08.2018

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