Interview zur aktuellen Lage am E-Schrott-Markt

Die Insolvenz des E-Schrott-Verwerters Hennemann zeigt, wie schwierig die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Recyclingwirtschaft geworden sind. Im Interview mit 320° erklärt Gerhard Jokic, Geschäftsführer von Remondis Electrorecycling, wie es um den E-Schrott-Markt bestellt ist und warum sowohl der Output als auch der Input Probleme bereitet.

„Etliche Verwerter schreiben tiefrote Zahlen“


Es klingt paradox. Marktanalysten bescheinigen dem globalen E-Schrott-Recycling durch die Bank gute Zukunftsaussichten. Der Markt für Elektro- und Elektronikaltgeräte boomt wie kaum ein anderer. Zugleich wird die Liste der Unternehmen, die von wirtschaftlichen Schwierigkeiten berichten, immer länger. Mitte August hat der E-Schrott-Recycler Hennemann Recycling Insolvenz angemeldet. Die Firma konnte den Preisverfall auf den Rohstoffmaärkten nicht mehr auffangen.

Herr Jokic, Marktanalysten wie Frost & Sullivan bescheinigen dem E-Schrott-Recycling eine glänzende Zukunft. Wie ist es in Wirklichkeit um den E-Schrott-Markt in Europa bestellt?

Remondis
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Der europäische E-Schrott-Markt steht extrem unter Druck. Die gesamte wirtschaftliche Situation ist sehr angespannt. In diversen Marktstudien wird ein regelrechter Hype dargestellt, der mit der Wirklichkeit leider nur wenig zu tun hat. Der Markt ist von einem intensiven Wettbewerb geprägt, so dass etliche Verwerter in Deutschland tiefrote Zahlen schreiben.

Die Insolvenz von Hennemann Recycling wird also kein Einzelfall bleiben?

Davon gehe ich aus. Bereits die kommenden Monate werden dies zeigen. Viele haben schon jetzt extreme Zahlungsschwierigkeiten. Ich gehe davon aus, dass der ein oder andere das Jahresende nicht überleben wird und dass es weiter zu einer Konsolidierung im Markt kommen wird.

Wo ist der Wettbewerb am härtesten, auf der Input- oder auf der Output-Seite?

Es ist vor allem ein Output-Problem. Seit Januar 2013 verzeichnen wir eine permanente Abwärts- bzw. Seitwärtsbewegung auf den internationalen Rohstoffmärkten. Das bedeutet einen extremen Preisverfall bei den Output-Strömen. Erlöse bei Mischkunststoffen beispielsweise sind um bis zu 19 Prozent gesunken. Bei den hochwertigen Fraktionen im Bereich der IT-Ware werden bis zu 18 Prozent weniger erlöst. Auch die Kupferschrottpreise sind seit Januar dieses Jahres im Sinkflug.

Und das betrifft den deutschen wie den europäischen Markt gleichermaßen?

Ja, das ist ein europaweites Problem. In Frankreich zum Beispiel gibt es etliche Firmen, die sich vom Markt zurückziehen. In Polen beobachten wir die gleiche Entwicklung. In Deutschland sehe ich noch dramatischere Entwicklungen auf uns zukommen.

Warum?

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Weil wir es speziell in Deutschland auch noch mit den steigenden Optierungen seitens der Kommunen zu tun haben. Die Mengen gehen merklich zurück. Die Sammelgruppen 3 und 5, also IT- und Unterhaltungselektronik-Geräte sowie Haushaltskleingeräte, sind schon zu gut 80 Prozent wegoptiert. Zudem haben die meisten Mittelständler Fixpreise mit den Kommunen vereinbart. Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben mit der Kommune eine Vereinbarung über ein, zwei Jahre geschlossen, und der Rohstoffpreis sinkt deutlich. Über eine Anpassung der Preise können Sie aber nicht nachverhandeln, so dass Sie von den sinkenden Rohstoffpreisen besonders stark getroffen werden.

Wie groß ist der Anteil der Green-Fence-Politik Chinas am aktuellen Preisverfall?

Das kann man natürlich nicht genau beziffern. Aber Fakt ist, dass gerade bei Kunststoffen aus der Sammelgruppe 5, der Haushaltskleingeräte, erhebliche Absatzschwierigkeiten bestehen. In Europa herrscht ein erhebliches Überangebot, was auch zu dem dramatischen Preisverfall beigetragen hat. Einige Recycler haben Lagerbestände aufgebaut und spekulieren auf bessere Rohstoffpreise. Aber der Absatz ist extrem erschwert, insbesondere nach Asien. Diese Situation wird sich wohl auch mittelfristig nicht merklich verbessern.

Die Verträge mit den Kommunen lassen sich aufgrund solcher Ereignisse nicht nachverhandeln?

Nein, in der Regel nicht. Dabei ist es schon kurios: Die Kommune hat einen Recycler ausgewählt und die Erlöse in ihrem Jahresbudget fest eingeplant. Nun geht der Recycler in die Insolvenz und die Kommune erzielt die geplanten Erlöse nicht mehr. Das kann auch nicht im Sinne der Kommunen sein und ich hoffe deshalb auf ein Umdenken.

Abgesehen von den Mengenproblemen – wie gut ist derzeit die Qualität des Inputs?

Verwendete Rohstoffe in Flachbild-Fernsehern in Deutschland 2010Wir bemerken seit Längerem, dass die Inhaltsstoffe beispielsweise bei der IT-Fraktion nicht mehr das sind, was sie einmal waren. Viele Materialien werden substituiert und sind nur noch in homöopathischen Mengen verbaut. So geht der Edelmetallanteil gerade im IT-Bereich deutlich zurück. Wer mit der Kommune für diese Altgeräte hohe Preise vereinbart hat und das nicht mehr auf diesem Preisniveau vermarkten kann, wie er es mal kalkuliert hat, bekommt natürlich ein Problem.

Lange wurde in der E-Schrott-Branche über illegale Exporte geklagt. Hat sich die Situation inzwischen gebessert?

Nein, keineswegs. Der mangelhafte Vollzug ist noch immer ein großes Thema. Große Mengen an E-Schrott verschwinden in dunklen Kanälen und werden über die Häfen illegal exportiert. Das Material der Sammelgruppen 3 und 5 wird größtenteils über die Kommunen geregelt. Aber keiner schaut genau hin, wo das Material wirklich landet. Das ist natürlich eine fatale Situation. Qualitativ hochwertiges Recycling und Schadstoffentfrachtung findet dann natürlich nicht mehr statt. Dabei war das neben der Abfallvermeidung das vorrangige Ziel der WEEE-Direktive und des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG).

Gibt es noch andere Sammelgruppe außer den IT- und Haushaltskleingeräten, die Sorgen bereiten?

Ja, die Kühlgeräte beispielsweise. Hier sind wir von einem Equal-Level-Playing-Field noch ganz weit entfernt. Remondis ist nach Cenelec-Standards und der Standort Lünen mittlerweile auch nach dem WEEELABEX-Standard zertifiziert. Wir stellen uns der Herausforderung, die FCKWs aus Kühlschränken zurückzugewinnen und die Rückgewinnungsquoten auch einzuhalten. Das ist allerdings exorbitant schwer, wenn die Hersteller nicht bereit sein, dafür auch mehr zu bezahlen.

Könnte die Novellierung des ElektroG die Schraube zurückdrehen?

Ich hoffe, dass mit der Novelle einige Verschärfungen kommen. Vor allem, was die Optierungen betrifft. Unter anderem sollten Altgeräte ausschließlich an zertifizierte Erstbehandlungsanlagen gegeben werden, wie es auch im ersten Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums formuliert wurde. Wir hoffen, dass sich diese Verbesserungen dann auch tatsächlich in der Praxis zeigen und das Recycling in Deutschland eine ernsthafte Chance bekommt.

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