Mehr Kreislaufwirtschaft

Die Überarbeitung der europäischen Abfallpolitik ist mit der gestrigen Abstimmung im Parlament einen großen Schritt vorangekommen. Während einige Vorschläge der Kommission abgesegnet wurden, wurden andere Punkte ergänzt oder verschärft. Ein Überblick über die aktuellen Vorgaben.

EU-Abfallpaket: Das steht im Parlamentsbeschluss


Änderungen, Streichungen, Ergänzungen: Das EU-Parlament hat am gestrigen Dienstag das Abfallwirtschaftspaket der EU-Kommission kräftig bearbeitet. Die aktuelle Parlamentsversion ist nun Grundlage für weitere Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission. Wir zeigen Ihnen, was künftig gilt, wenn die sechs Richtlinien in der derzeitigen Version in Kraft treten.

Strengere Recyclingquoten für Siedlungsabfälle

Siedlungsabfälle sollen spätestens bis zum Jahr 2030 zu 70 Prozent recycelt beziehungsweise für die Wiederverwendung vorbereitet werden. Schon 2025 soll eine Mindestquote von 60 Prozent gelten. Im Vorschlag der EU-Kommission lag die Quotenvorgabe ab Jahr 2030 lediglich bei 65 Prozent.

Es gibt aber Ausnahmen von der Quotenvorgabe: Mitgliedsstaaten, die bis zum Jahr 2013 weniger als 20 Prozent ihrer Siedlungsabfälle recycelt haben und bis 2025 voraussichtlich nur eine Recyclingquote von 50 Prozent schaffen, kann mehr Zeit eingeräumt werden.

Quotenvorgaben für Verpackungen

Bei Verpackungen soll ab Ende 2025 eine Mindestrecyclingquote von 70 Gewichtsprozent aller anfallenden Verpackungen gelten. Fünf Jahre später gilt dann eine Mindestvorgabe von 80 Prozent. Die EU-Kommission hatte mit 65 Gewichtsprozent ab 2025 beziehungsweise 75 Prozent ab 2030 noch eine niedrigere Quote gefordert – allerdings bezog sich diese auf die Vorbereitung zur Wiederverwendung oder zum Recycling.

Für die einzelnen Verpackungsarten legte das Parlament folgende Quoten fest, die ebenfalls über den Wunsch der Kommission hinausgehen:

  • 60 Gewichtsprozent bei Kunststoffen, (EU-Kommission: 55 Gewichtsprozent)
  • 65 Gewichtsprozent bei Holz, (EU-Kommission: 60 Gewichtsprozent)
  • 80 Gewichtsprozent bei Eisenmetallen, (EU-Kommission: 75 Gewichtsprozent)
  • 80 Gewichtsprozent bei Aluminium, (EU-Kommission: 75 Gewichtsprozent)
  • 80 Gewichtsprozent bei Glas, (EU-Kommission: 75 Gewichtsprozent)
  • 90 Gewichtsprozent bei Papier und Karton (EU-Kommission: 75 Gewichtsprozent)

Für Materialien in den Verpackungen soll darüber hinaus gelten:

  • 80 Gewichtsprozent bei Holz, (EU-Kommission: 75 Gewichtsprozent)
  • 90 Gewichtsprozent bei Eisenmetallen, (EU-Kommission: 85 Gewichtsprozent)
  • 90 Gewichtsprozent bei Aluminium, (EU-Kommission: 85 Gewichtsprozent)
  • 90 Gewichtsprozent bei Glas, (EU-Kommission: 85 Gewichtsprozent)
  • Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Quote von 85 Gewichtsprozent bei Papier und Karton entfällt.

Auch zur Wiederverwendung macht das Parlament Vorgaben: Bis zum 31. Dezember 2025 müssen mindestens 5 Gewichtsprozent aller Verpackungsabfälle und bis 2030 mindestens 10 Gewichtsprozent wiederverwendet werden. Die Kommission hatte dazu gar keine Angaben gemacht.

Außerdem sollen laut Parlament in Betracht gezogen werden, für die Verpackungsabfälle aus Hauhalten und für industrielle und gewerbliche Verpackungsabfälle separate Zielvorgaben zu machen. Des Weiteren sollen die Staaten Anreize für einen Lebenszyklusansatz und wiederverwertbare Verpackungen schaffen. Jedes Land soll Programme zur Vermeidung von Verpackungsabfällen entwickeln und biobasierte und biologisch abbaubare Verpackungen durch die Verbesserung der Marktbedingungen fördern.

Verschärfung der erlaubten Deponierungsquote

Ab dem Jahr 2030 dürfen die EU-Mitgliedsländer nur noch 5 Prozent ihrer Siedlungsabfälle auf Deponien ablagern. Die EU-Kommission hatte hier noch 10 Prozent erlaubt. Auch hier soll es eine Ausnahme geben: „Ein Mitgliedsstaat kann eine Fristverlängerung von fünf Jahren zum Erreichen des Ziels gemäß Absatz 5 beantragen, wenn er 2013 mehr als 65 Prozent seiner Siedlungsabfälle in Deponien abgelagert hat“, so der Parlamentsvorschlag. Die Ablagerung von biologisch abbaubaren Abfällen soll komplett verboten werden.

Berechnung der Recyclingquote

In ganz Europa soll die Berechnung der Quote künftig harmonisiert werden. „Deshalb muss die Berichterstattung über das Erreichen der Recyclingziele auf der Grundlage des dem abschließenden Recyclingverfahren zugeführten Inputs erfolgen“, lautet der aktuelle Parlamentsvorschlag. Gewichtsverluste durch den Recyclingprozess dürfen nicht abgezogen werden. Diese Forderungen unterscheidet sich im Kern nicht von dem Vorschlag der EU-Kommission.

Definition von Siedlungsabfällen

In der neuen Abfallgesetzgebung sollen auch zahlreiche Begriffe genauer definiert werden. Am strittigsten ist hier die Formulierung zu den Siedlungsabfällen. Während die EU-Kommission unter Siedlungsabfällen gerne folgendes definiert hätte: „gemischte Abfälle und getrennt gesammelte Abfälle aus anderen Quellen, die in Bezug auf Beschaffenheit, Zusammensetzung und Menge mit Haushaltsabfällen vergleichbar sind“, so hat das EU-Parlament das Mengenkriterium gestrichen.

Trotzdem hat das Parlament die Befürchtungen der privaten Entsorger zerstreut. Diese hatten angemahnt, dass Kommunen sämtliche industriellen und gewerblichen Abfallströme unter dem Stichwort „Daseinsvorsorge“ für sich reklamieren könnten. Dazu hat das Parlament folgenden Passus eingefügt: „Die Definition des Begriffs „Siedlungsabfälle“ in dieser Richtlinie gilt unabhängig vom öffentlichen oder privaten Status der Abfallbewirtschaftungseinrichtung“. Außerdem wurde unter anderem präzisiert, dass Siedungsabfälle aus „kleineren Betrieben, Bürogebäuden und Einrichtungen einschließlich Schulen, Krankenhäusern und Regierungsgebäuden“ stammen.

Getrenntsammlungspflicht auch für Textilien und Bioabfälle

Nach dem Willen des EU-Parlaments sollen künftig sechs Fraktionen der Siedlungsabfälle getrennt gesammelt werden: Papier, Metall, Kunststoff, Glas, Textilien und Bioabfälle. Der Kommissionsvorschlag sah diese Pflicht für Textilien und Bioabfälle nicht vor.

Laut Parlament soll außerdem in der neuen Abfallrahmenrichtlinie verankert werden, dass auch bei nicht getrennt gesammelten Abfällen die Mitgliedsstaaten versuchen müssen, diese anschließend zu separieren. Für gefährliche Haushaltsabfälle soll eine getrennte Sammlung eingeführt werden.

Mindestanforderungen für die erweiterte Herstellerverantwortung

Künftig sollen laut Kommission-Vorschlag EU-weit die gleichen Mindestanforderungen an die Herstellerverantwortung gelten. Dabei sollen die Hersteller an den Kosten für die Entsorgung beteiligt werden und gleichzeitig Anreize geschaffen werden, damit die Produkte möglichst recyclingfähig beziehungsweise wiederverwendbar sind. Das Parlament fordert das auch, geht aber noch einen Schritt weiter und verlangt, dass mindestens für Verpackungen, Elektro- und Elektronikaltgeräte, Batterien und Akkumulatoren sowie Altfahrzeuge zwingend eine Herstellerverantwortung eingeführt wird. Diese kann kollektiv oder einzeln wahrgenommen werden.

Weitere Maßnahmen

Das EU-Parlament geht mit seinen Forderungen zur Abfallvermeidung und bester verfügbarer Technik über die Vorschläge der Kommission hinaus. So soll beispielsweise bis zum 31. Dezember 2018 das Europäische Normierungsinstitut Qualitätsnormen für Sekundärrohstoffe entwickeln. Außerdem soll die Kommission ebenfalls bis Ende 2018 einen Bericht über die Unionszielvorgaben und die Ressourceneffizienz erstellen. Des Weiteren soll spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der neuen Abfallrahmenrichtlinie eine Plattform eingerichtet werden, die die Akteure der Kreislaufwirtschaft europaweit vernetzt aber auch beispielsweise die Organisationen für die Herstellerverantwortung überwacht.

© 320°/ek | 15.03.2017

Mehr zum Thema
Landgericht München muss Lkw-Kartellprozess neu aufrollen
Die neue Abfall­­­verbringungsverordnung kann kommen
Verpackungsmüll: Warum bayerische Kommunen weiterhin auf das Bringsystem setzen
Forscher: Plastik ist viel großräumiger verteilt als vermutet
Zu viel Bürokratie: „Das macht manche Firmen verrückt“
UN-Bericht: Die Welt produziert Jahr für Jahr mehr Elektroschrott
Regierung in Sachsen beschließt Förderung der Kreislaufwirtschaft
Videoüberwachung an Containern ist „schwieriges Thema“
EU-Länder unterstützen Verpackungs­verordnung
„Das größte Bürokratie­entlastungspaket, das es je gab“
Videoüberwachung an Containerstellplätzen?
Weniger Lebensmittel- und Textilabfälle: EU-Parlament verabschiedet Position