Stahl- und Aluminiumprodukte

Die EU versucht, den USA die Stirn zu bieten. Doch kann sie das wirklich? Experten bezweifeln nicht nur die Wirksamkeit der EU-Schutzzölle auf Stahlprodukte, sondern verdeutlichen auch die Machtlosigkeit der europäischen Staaten.

„EU-Schutzzölle richten mehr Schaden als Nutzen an“


Der frühere US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, ist für seine nüchterne Sichtweise bekannt. Am Mittwoch (19. Juli) war er Gast bei der Mitgliederversammlung des Arbeitgeberverbands Südwestmetall in Ludwigsburg. Er ging um das Thema „America first – Germany last?“

Es dauerte nicht lange, bis klar wurde, wie Kornblum die Machtverteilung einschätzt. „Die USA befinden sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht“, sagte der Diplomat. „Es gibt keinen Bereich des öffentlichen oder privaten Lebens, wo man uns wehtun kann, das muss man leider so sagen.“

Zu versuchen, ein Freihandelssystem ohne die USA aufzubauen, sei „Selbstmord“. Das EU-Handelsabkommen mit Japan sei zwar „nett“, es bringe aber nichts, sagte Kornblum. „Die USA bleiben der Kern dieser Welt.“

„Importflut lässt sich nicht belegen“

Das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut ifo geht noch einen Schritt weiter. Die EU-Schutzzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte gegenüber allen Ländern seien eine kontraproduktive Maßnahme, die der EU und auch dem Welthandel schadet. „Die Schutzzölle sind keineswegs Ausdruck ökonomischer Vernunft, sondern der Lobbystärke der Stahlbranche. Sie richten mehr Schaden an als Nutzen“, erklärt Gabriel Felbermayr, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft.

Das Argument, sich vor einer durch die US-Zölle auf Stahl und Aluminium bereits jetzt ausgelösten Importflut zu schützen, lasse sich mit aktuellen Zahlen nicht belegen, meint Felbermayr. Weder die Mengen noch die Importwerte der von Trump mit Zöllen belegten Produkte hätten sich im Vergleich zu vergleichbaren Produkten auffällig entwickelt. Es sei auch kein systematischer Preisverfall bei Importen zu erkennen.

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl hatte am Dienstag die Einführung der EU-Schutzzölle begrüßt. Der Wirtschaftsverband verwies auf den zunehmenden Importdruck seit Beginn des Jahres. So seien hochgerechnet bis zum Jahresende 47,8 Millionen Tonnen Stahl in die EU gekommen – 18 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Das ifo Institut hingegen argumentiert, dass die europäischen Handelsdaten erst bis April verfügbar sind und es somit noch viel zu früh sei, um mögliche Strukturänderungen zu erkennen. „Zudem schwächt die EU die WTO und die Anti-Trump-Allianz mit diesen Schutzzöllen. Gleichzeitig provoziert die EU, dass auch andere Länder Schutzzölle nach derselben Argumentation erlassen“, so Felbermayr. Es käme zu einer de facto Renationalisierung des globalen Stahl- und Aluminiumhandels (25 Prozent Importzölle an allen maßgeblichen Grenzen).

Leidtragende sind die stahlverbrauchenden Industrien und die Verbraucher, weil die Schutzzölle die Stahl- und Aluminiumpreise in die Höhe treiben, sagt Felbermayr. Gerade im Stahlbereich seien bereits eine Reihe von Maßnahmen in Kraft, um die europäische Industrie vor Billigstahl ausländischer Herkunft zu schützen. Die EU sollte besser weiter daran arbeiten, gemeinsam mit den anderen Stahlproduzenten die globalen Überkapazitäten abzubauen.

 

© 320°/mit Material von dpa | 19.07.2018

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