Vorlagefragen

Gemischtes Altpapier gilt eigentlich als notifizierungspflichtig. Ein Gericht in den Niederlanden sieht das anders und stuft das Altpapier in die Grüne Liste ein. Was gilt nun, fragt sich ein Verwaltungsgericht – und ruft den Europäischen Gerichtshof an.

EuGH entscheidet über Einstufung von gemischtem Altpapier


Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat den Europäischen Gerichtshof angerufen, um klären zu lassen, ob gemischtes Altpapier zur Verbringung notifizierungspflichtig ist. Hintergrund sind unterschiedliche Rechtsauffassungen des Verwaltungsgerichts sowie eines Gerichts in den Niederlanden. Das niederländische Gericht hat gemischtes Altpapier in die sogenannte Grüne Liste unter dem Basel Code B3020 des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 eingestuft. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hingegen hält es für notifizierungspflichtig.

Wie die Kölner Anwaltskanzlei Pauly berichtet, liegt dem Verfahren folgender Sachverhalt zugrunde: Ein deutsches Entsorgungsunternehmen erfasst seit 2006 deutschlandweit Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton (PPK) und führt diese der Verwertung zu. Die Firma bringt das aufbereitete Altpapier grenzüberschreitend als Abfall in eine Papierfabrik in die Niederlande. Nach den Vorgaben der niederländischen Papierfabrik besteht das gelieferte Altpapier zu 90 Prozent aus Papier, Pappe und Karton sowie Verbunden auf PPK-Basis. Enthalten sein dürfen zudem maximal 10 Prozent Störstoffe, deren Zusammensetzung ebenfalls vorgegeben ist.

Nach Angaben der Kanzlei wurden die Verbringungen in die Niederlande bislang gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 („VVA“) in einem förmlichen Verfahren notifiziert. Im Jahr 2015 erstritt jedoch die Papierfabrik vor einem niederländischen Gericht die Einstufung der Papierabfälle in die sog. Grüne Liste unter dem Basel Code B3020 des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006. Somit wäre ein Notifizierungsverfahren nicht mehr notwendig und die Papierabfälle könnten unter Beachtung der allgemeinen Informationspflichten des Art. 18 VVA verbracht werden.

Am Ende nur ein Übersetzungsfehler?

Vor diesem Hintergrund wandte sich das Entsorgungsunternehmen an die Sonderabfallagentur Baden-Württemberg und bat ebenfalls um die Einstufung der Papierabfälle unter den Basel Code B3020. Die Sonderabfallagentur lehnte dies mit der Begründung ab, dass sich das Altpapiergemisch nicht vollständig unter einen der vier Spiegelstriche des Basel-Code B3020 einordnen ließe, erläutert die Kanzlei Pauly. Eine derartige Einstufung scheitere zudem an dem hohen Fremdstoff- und Störstoffanteil. Die Abfälle blieben daher notifizierungspflichtig.

Das Entsorgungsunternehmen klagte daraufhin vor Gericht gegen die Sonderabfallagentur. Das zuständige Verwaltungsgericht Stuttgart erließ aber noch kein Urteil. Zwar teilt das Verwaltungsgericht die Auffassung der Sonderabfallagentur, doch dieser Auslegung steht das Urteil des niederländischen Gerichts entgegen. Das Verwaltungsgericht legte daher dem EuGH Vorlagefragen zur Einstufung des gemischten Altpapiers vor.

Wie die Kanzlei Pauly betont, sei die Entscheidung des EuGH zu dieser Frage von hoher praktischer Relevanz. Die Entscheidung bleibe nun abzuwarten. Möglicherweise liegen den unterschiedlichen Rechtsauffassungen auch unterschiedliche Übersetzungen zugrunde. So weist das Verwaltungsgericht Stuttgart darauf hin, dass die deutsche Fassung des vierten Spiegelstrichs des Basel-Code B3020 sich auf „nicht sortierten Ausschuss“ bezieht, während die niederländische Fassung dies als „nicht sortierten Abfall“ bezeichnet.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat das anhängige Verfahren bis zu einer Entscheidung aus Luxemburg ausgesetzt.

 

© 320° | 17.12.2018

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