Globale Erwärmung

Zu wenig Ehrgeiz, zu langsam: Die bisherigen Anstrengungen im Kampf gegen die globale Erwärmung reichen nicht aus, warnen Experten. Wenn die Staaten so weiter machten wie bisher, drohe eine Katastrophe.

Experten warnen vor Klimakatastrophe


Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssen die Länder ihre bisherigen Anstrengungen mindestens verdreifachen. Das geht aus dem sogenannten 9. Emissions Gap Report hervor, den das UN-Umweltprogramm (Unep) am Dienstag in Paris vorstellte. Das Zwischenzeugnis der Unep-Experten soll aufzeigen, inwiefern die Klimaschutzziele im Pariser Abkommen mit bisherigen Versprechungen der Staaten zur Reduzierung der Treibhausgase erreicht werden können. Ihre Erkenntnisse dienen auch als Grundlage für die 24. UN-Klimakonferenz vom 3. bis 14. Dezember im polnischen Kattowitz.

„Mehr als jemals zuvor müssen die Länder jetzt handeln“, warnen die Autoren in ihrem Bericht. Wenn die Länder allerdings so weitermachten wie bisher, werde sich die Erdtemperatur um etwa 3,2 Grad im Vergleich zurzeit vor der Industrialisierung erhöhen – und dann noch weiter steigen, heißt es in dem Report.

Das Ziel des Pariser Klimaabkommens von höchstens zwei Grad durchschnittlicher Erwärmung der Erdtemperatur gilt als äußerste Grenze, um katastrophale Klimafolgen abzuwenden. Wenn möglich, sollte die Erderwärmung dem Pariser Abkommen zufolge aber schon bei 1,5 Grad begrenzt werden. Um das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten, müssten die Länder ihre bisherigen Bemühungen verdreifachen, heißt es in dem Unep-Bericht. Um die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, sei es sogar nötig, die Anstrengungen zu verfünffachen.

G20-Länder liegen hinter gestecktem Ziel zurück

Viele Wissenschaftler warnen schon bei plus 1,5 Grad bis Ende des Jahrhunderts vor für die Menschheit kaum tragbaren Folgen: Schmelzen der Eiskappen, Anstieg der Meeresspiegel, mehr Wetterextreme. Nach drei relativ stabilen Jahren sei der weltweite CO2-Ausstoß 2017 wieder gestiegen, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Bericht. Mit 53,5 Gigatonnen (Gt) CO2 sei der Ausstoß alarmierend hoch und die Spitze noch längst nicht erreicht. Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen. Hauptgründe dafür sind ein höheres Wirtschaftswachstum bei langsamerer Abnahme des Energieverbrauchs – vor allem mit Blick auf Kohle.

„Deutschland und Europa könnten hier Führungsstärke zeigen, indem sie die vollständige Treibhausgasneutralität bis 2050 und eine deutliche Stärkung der Emissionsminderungsziele für 2030 festschreiben“, fordert Gunnar Luderer, ein Autor des Berichts und Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

„Ein globaler Höhepunkt der Emissionen bis 2020 ist entscheidend für die Erreichung der Klimaziele von Paris, aber Ausmaß und Tempo der aktuellen Verringerung sind unzureichend“, stellen die Wissenschaftler in ihrem Bericht fest. Momentan seien die G20-Länder nicht auf dem Weg, ihre national festgelegten Ziele für 2030 zu erfüllen – nur Brasilien, China und Japan liegen im festgelegten Rahmen.

Steuerpolitik hat Schlüsselfunktion

„Seit das Pariser Klimaabkommen verabschiedet wurde, sind die Kosten für erneuerbare Energien um grob ein Drittel weiter gesunken. Deutlich mehr ist heute machbar als damals möglich erschien“, mahnte Niklas Höhne, der den Bericht mitverfasst hat.

Der Report zeigt auch konkrete Wege auf, um die Klimaziele einzuhalten. So hakt es demnach besonders bei der Reduzierung der Subventionen für fossile Brennstoffe, bei Förderprogrammen für erneuerbare Energien, E-Mobilitäts-Programmen und Emissionsnormen bei schweren Nutzfahrzeugen.

Der Steuerpolitik komme eine Schlüsselfunktion zu, wenn es darum geht, Einfluss auf die Wirtschaft zu nehmen. So könnten fossile Brennstoffe hoch besteuert werden, während emissionsarme Alternativen mit Subventionen gefördert werden. Dennoch sei die Steuerpolitik in vielen Ländern immer noch nicht auf den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ausgerichtet. Vor allem seien öffentliche Organisationen genau da gefordert, wo private Unternehmen zurückschreckten.

CO2-Preis als Instrument?

Eine der Autorinnen des Berichts, Brigitte Knopf vom Mercator Research Institute for Global Commons and Climate Change, forderte eine nachhaltige Finanzreform in Deutschland und auf internationaler Ebene. „Neben dem Abbau von fossilen Subventionen muss eine solche Reform einen wirksamen CO2-Preis beinhalten“, erklärte sie. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung könnten dazu verwendet werden, andere Steuern zu senken.

Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Lukas Köhler, rief die Bundesregierung dazu auf, sich beim nächsten G20-Gipfel und auf der Klimakonferenz in Kattowitz für eine internationale CO2-Bepreisung durch den Emissionshandel einzusetzen. Die Naturschutzorganisation WWF Deutschland erwartet von der deutschen Regierung, die Kohlekommission nicht weiter zu behindern. Sie müsse „einen schnellen und großen ersten Schritt beim Kohleausstieg einfordern und ausreichend Mittel für den Strukturwandel bereitstellen“, so der Leiter Klimaschutz und Energiepolitik, Michael Schäfer.

Erst in der vergangenen Woche hatten zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs vor der Weltklimakonferenz in Kattowitz größeren Ehrgeiz bei der Begrenzung der Erderwärmung gefordert. Deutschland und 15 weitere Länder hatten eine Erklärung unterzeichnet, die mehr Engagement bei der Verringerung von Treibhausgasemissionen fordert.

 

© 320°/dpa | 27.11.2018

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