Internationaler Stahlschrottmarkt

Am internationalen Markt für Stahlschrott hat das Jahr 2016 schwach begonnen. Die CFR-Preise für HMS 1/2 geben wenig Anlass zur Freude, vielerorts sind die Exporte eingebrochen. Ein Überblick über den internationalen Stahlschrottmarkt.

Exportpreise für Stahlschrott bleiben schwach


In Zusammenarbeit mit Recycling International Ri-logo-rgb

Vor gut einem Jahr waren türkische Stahlwerke noch bereit, für die Schrottqualität HMS 1/2 80:20, die zwischen Europa und der Türkei gehandelt wird, CFR-Preise von weit über 300 US-Dollar pro Tonne zu bezahlen. Nur zwölf Monate später wird dieselbe Mischung für deutlich weniger als 200 US-Dollar pro Tonne gehandelt – ein dramatischer Preisverfall innerhalb eines Jahres.

Gegen Ende November lag der CFR-Preis für die Schrottqualität HMS 1/2 80:20 bei 190-195 US-Dollar pro Tonne. Anbieter aus dem Ostseeraum und den USA erlösten für die gleiche Schrottmischung rund 200 US-Dollar je Tonne. Wer jedoch die Türkei beliefern wollte, wurde zunächst enttäuscht, weil die türkischen Stahlwerke etwa zwei Wochen lang keinen Schrott kauften.

Erst Anfang Dezember wurde die Handelsruhe durchbrochen. Der Kaufpreis für HMS 1/2 80:20 aus Europa pendelte sich daraufhin bei 193 US-Dollar pro Tonne ein. Die US-Exporteure erzielten CFR-Preise von etwa 185 US-Dollar pro Tonne für HMS 1/2 80:20 und 190 US-Dollar für Shredderschrott.

Zu Beginn des neuen Jahres wurden die türkischen Stahlwerke dann auf dem internationalen Markt deutlich aktiver und schlossen in nur gut einer Woche Geschäfte über mehr als eine Viertelmillion Tonnen Eisenschrott ab. Auswirkungen auf den Stahlschrottpreis hatte die zusätzliche Nachfrage jedoch nicht. Denn auch britische und US-amerikanische Exporteure lockten mit Preisen zwischen 185 und 190 US-Dollar pro Tonne HMS 1/2 80:20.

Presse_2016_downloads_160114_Grafik_Preisentwicklung_Stahlschrottmarkt_TurkeiEnde Januar lagen die CFR-Preise für Lieferungen von Europa in die Türkei bei 180 bis 185 US-Dollar pro Tonne HMS 1/2 80:20. Für Shredderschrott wurden 185 bis 190 US-Dollar erzielt, für die Mischung HMS 1/2 70:30 lag der Preis zwischen 155 und 160 US-Dollar je Tonne.

Deutlicher Rückgang der US-Exporte

Für die US-amerikanischen Stahlschrottexporteure war 2015 ein schwieriges Jahr. Nach aktuellen Zahlen des US-Handelsministeriums fielen ihre Überseeverkäufe im November auf ein Mehrjahrestief von 873.051 Tonnen. Im gesamten Zeitraum Januar bis November gingen die Exporte von 14,251 Millionen Tonnen im Vorjahreszeitraum auf 11,762 Millionen Tonnen zurück. Das entspricht einer Verringerung um 17,5 Prozent.

Auffällig ist hierbei vor allem der Rückgang der Exporte nach Taiwan auf 1,586 Millionen Tonnen (-36,1 Prozent). Nach Südkorea wurden 1,021 Millionen Tonnen exportiert (-37,5 Prozent), die Ausfuhren nach Kanada erreichten 632.086 Tonnen (-29,4 Prozent). Der Rückgang der US-Lieferungen nach China war weniger drastisch, sie sanken um 10,7 Prozent auf 653.038 Tonnen, wohingegen Bestellungen aus Malaysia von 425.395 Tonnen auf nur noch 34.560 Tonnen einbrachen.

Die Türkei hingegen, der größte Abnehmer für Stahlschrott aus den USA, hat die Importe zwischen Januar und November 2015 um 3,9 Prozent auf 3,506 Millionen Tonnen erhöht. Mexiko steigerte die Importe aus den USA sogar um 40 Prozent auf 1,024 Millionen Tonnen. Den größten Zuwachs verzeichnet allerdings Indien mit einem Sprung von 86,5 Prozent auf 986.587 Tonnen. Damit ist Indien zum fünftgrößten Abnehmer von US-Stahlschrott aufgerückt.

Rekordhoch für chinesische Stahlexporte

Zahlen liegen seit kurzem auch für die Stahlexporte Chinas vor. Gemäß chinesischer Zollbehörden sind im Dezember 2015 rund 10,66 Millionen Tonnen bearbeiteter Stahl ausgeführt worden. Auf das Jahr hochgerechnet würde das ein Gesamtexport 112,4 Millionen Tonnen bedeuten. Das wiederum entspricht einem Anstieg von 20 Prozent gemessen an den 93,78 Millionen Tonnen von 2014, die auch schon einen Anstieg von über 50 Prozent gegenüber 2013 darstellten. Im Vergleich dazu hat die Stahlindustrie der restlichen Welt ihre Exporte um 20 Millionen Tonnen reduziert.

statistic_stahl---geschaetzte-nachfrage-nach-regionen-weltweit-2016Viele Experten glauben jedoch, dass im Jahr 2016 die Exporte abnehmen werden. Geschuldet sei das einer Kombination von gesättigten ausländischen Märkten und Handelsrechtsklagen, die andere Staaten gegen chinesische Billigprodukte angestrengt haben. Besonders starker Widerstand kommt derzeit von Vertretern der europäischen Stahlindustrie. Chinesische Anbieter hätten ihre Exporte in die EU im vergangenen Jahr um 50 Prozent gesteigert, klagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, bei einer Pressekonferenz heute in Düsseldorf. In den durch Handelsschutzmaßnahmen gut abgesicherten nordamerikanischen Markt hätten sie dagegen 2015 um mehr als ein Viertel abgenommen.

„Das Handelsschutzinstrumentarium der EU muss zeitnah und konsequent angewendet werden, um Schaden von der heimischen Industrie abzuwehren“, forderte Kerkhoff. Es sei nur ein erster Schritt, dass am vergangenen Freitag vorläufige Zölle gegen unfaire Kaltfeinblech-Importe aus China und Russland verhängt wurden. Die Höhe sei jedoch bei weitem nicht ausreichend, so Kerkhoff. Obwohl Dumpingspannen für chinesische Importe von fast 60 Prozent nachgewiesen werden konnten, wurden nur Zölle zwischen 14 und 16 Prozent festgelegt. „Damit wird das unfaire Verhalten der chinesischen Anbieter auf dem europäischen Markt nicht unterbunden“, befürchtet der Verbandspräsident.

Geradezu grotesk wäre es laut Kerkhoff, wenn angesichts der aktuellen Bedrohungslage durch Billigimporte China im Dezember der Marktwirtschaftsstatus verliehen würde. Dass China seine Strukturprobleme exportiere, sei ein Beleg für die mangelnde Bereitschaft der chinesischen Regierung Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen. „Abgesehen davon, dass dieses planwirtschaftlich geführte Land keine Marktwirtschaft ist, würde es unsere Abwehrmöglichkeiten gegen China praktisch von einem auf den anderen Tag zerstören“, warnt der Verbandspräsident.

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