Im Sog der Rohölpreise

Seit Sommer sind die Preise für Altkunststoffe in China drastisch gefallen. Die schleppende Nachfrage hat bereits etliche Recycler in Schwierigkeiten gebracht. Die Recyclingindustrie in Europa sieht sich dagegen ganz anderen Herausforderungen gegenüber.

Flaute auf Asiens Altkunststoff-Märkten


Der August war ein schwarzer Monat für Asiens Kunststoffrecyclingindustrie. Der Preisabsturz beim Rohöl hat auch die Preise für Primärkunststoff mit in den Keller gezogen. Die Preise für Sekundärkunststoffe sind diesem Trend gefolgt. Etliche asiatische Recycler haben versucht, bei noch offenen Bestellungen die ursprünglich ausgehandelten Preise neu zu verhandeln. Einige waren noch nicht mal in der Lage, die angekommenen Frachten zu bezahlen.

Darunter hatten viele Exporteure zu leiden. „Bei den Exporteuren sind düstere Erinnerungen an das Krisenjahr 2008 wach geworden“, schreibt Surendra Borad Patawari, Vorstandsvorsitzender der Gemini Corporation, im BIR-Marktbericht für Oktober. Viele hätten größte Schwierigkeiten gehabt, die Frachten, die bereits unterwegs waren, zu handeln. „Wir haben einen sehr flauen Markt erlebt, viele Exporteure haben sogar den Handel eingestellt.“

Neuen Aufwind könnten die Altkunststoffmärkte durch die im Oktober wieder gestiegenen Preise für Rohöl bekommen. Auch die deutliche Reduzierung der Frachtkosten könnte den Handel mit Altkunststoffen ankurbeln. „Seit Mitte September sind die Transportkosten für Frachten von den US-Häfen nach asiatische Häfen um 300 bis 400 US-Dollar gefallen“, berichtet Patawari. Die Transportkosten von europäischen Häfen nach Asien seien seit Ende August um 20 bis 30 Prozent gesunken. Gleichzeitig sei es auch günstiger geworden, Fracht von den USA nach Europa zu verschiffen.

Preise für Kunststoffabfälle in China drastisch gesunken

Von den gesunkenen Frachtkosten hat die chinesische Kunststoffrecyclingindustrie momentan allerdings nicht viel. Die Unternehmen haben vielmehr mit einem starken Rückgang der Inlandsnachfrage zu kämpfen. „Der größte Teil der recycelten Kunststoffe wird für die Herstellung neuer Plastikprodukte und für die Infrastruktur gebraucht“, sagt Steve Wong, Vorsitzender des chinesischen Altkunststoffverbands CSPA. „Aber China ist nicht mehr die ‚Weltfabrik‘ für Spielzeug, Haushaltsprodukte, Verpackungen und elektrische Geräte, die es mal war.“

Im Gegenteil – viele Hersteller würden ihre Produktion in andere Schwellenländer verlagern, weil die Produktionskosten in China nicht mehr wettbewerbsfähig genug seien. „Die eigentliche Gefahr geht somit nicht von der nicht so gut laufenden globalen Konjunktur aus, sondern davon, dass China seinen Wettbewerbsvorsprung gegenüber Ländern wie Mexiko aber auch Staaten in Osteuropa, Afrika und Südostasien einbüßt“, beschreibt Wong die Lage. Darüber hinaus schrumpft auch der Absatz der Produkte in China, da die Kaufkraft der privaten Haushalte sinkt.

Das alles führt auch zu sinkenden Preisen für Kunststoffabfälle. „Der Preis für PET-Flaschen ist um die Hälfte gefallen“, so Wong. Ähnlich sieht es bei Plastik aus Kühlschränken aus. „Pro Tonne waren diese Kunststoffe mal bis zu 450 Euro wert. Jetzt können sie nur noch zu Preisen von unter 200 Euro verkauft werden. Kunststofffolien aus Polyethylen und Polyamid erzielen gerade einmal 350 Euro – früher lagen die Preise bei 550 Euro je Tonne.“

Am unerwünschtesten sind derzeit Mischkunststoffe sowohl aus dem Post-Consumer- als auch aus dem Industriebereich, vor allem Materialien, die eine manuelle Sortierung und Waschen erfordern. „Im vergangenen Jahr wurden derartige Materialien mit 150 bis 230 Euro pro Tonne bewertet. Momentan sind sie gerade einmal genug wert, um die Kosten für Import und Transport zu decken. Bei einigen liegt der Verkaufspreis sogar unter dem Einkaufspreis“, verdeutlicht Wong die Situation in China. Wann der Altkunststoffmarkt in China wieder anziehen wird, steht derzeit in den Sternen. „Einige erwarten eine Trendwende im kommenden Jahr. Aber das bleibt noch abzuwarten.“

Circular Economy lässt viele neue Recyclinganlagen entstehen

Ganz anders sieht es derzeit in Europa aus. „Der regionale Handel in Europa entwickelt sich dank der guten innereuropäischen Nachfrage stabil“, wie der Vorsitzende der BIR-Kunststoffsparte Patawari berichtet. „Hier entstehen viele neue Recyclinganlagen, sodass wir einen ständigen Altkunststoffbedarf erwarten.“ All die Diskussionen um die Circular Economy hätten den Bedarf an lokalen Recyclingmöglichkeiten befeuert. Zugleich betont Patawari: „Aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“

Patawari sagt das mit Blick auf die recht niedrige EU-Recyclingquote. Nur ein Viertel der Altkunststoffe in der EU werden recycelt. „Japan, China und Indien erzielen bereits Recyclingquoten von über 50 Prozent“, sagt er. „Die EU will das bis 2025 schaffen, aber dazu braucht es noch erhebliche Investitionen.“ Patawari schätzt, dass es bis zu fünf Milliarden Euro kosten wird, um ähnlich hohe Recyclingraten wie China oder Japan zu erreichen.

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