Freiwillige Rücknahme

Ist es rechtmäßig, wenn der Einzelhandel Alttextilien zurücknimmt, auch wenn diese von anderen Herstellern stammen? Ja, lautet der Tenor zweier aktueller Gerichtsurteile.

Gerichte stützen Rücknahme-Angebote für Alttextilien


Wie die Anwaltskanzlei Köhler & Klett mitteilt, sind jüngst zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zur freiwilligen Rücknahme von Alttextilien ergangen. Beide Verfahren betreffen die seit langem umstrittene Grundsatzfrage, ob Hersteller oder Vertreiber nur Abfälle von Produkten zurücknehmen dürfen, die sie selbst hergestellt haben beziehungsweise die bei ihm selbst erworben wurden, oder ob sich die freiwillige Rücknahme auch auf gattungsgleiche Produkte anderer Hersteller oder Vertreiber erstrecken kann.

Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg

Köhler & Klett verweist zum einen auf das Urteil des VG Hamburg vom 19. September dieses Jahres (Az.: 13 K 3752/15). Eine nordrhein-westfälische Kommune hatte gegen einen Feststellungsbescheid der Stadt Hamburg geklagt, der die Grundlage einer bundesweiten Rücknahmeaktion für Alttextilien bildet. Der Bescheid ent­halte eine ausdrückliche Regelung, wonach das die Rücknahme betreibende Modeunternehmen auch Alttextilien zurücknehmen darf, die der Kunde bei anderen Vertreibern erworben hat, erklärt die Kanzlei.

Die nordrhein-westfälische Kommune sah sich jedoch in ihren Rechten als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und ihrem grund­gesetzlich garantierten Selbstverwaltungsrecht verletzt. Dem habe das VG Hamburg nun widersprochen und die Klage erstinstanzlich als unzulässig ab­gewiesen. Die Berufung wurde wegen grundsätzli­cher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

„Im Ergebnis gewährt ein Feststellungsbescheid dem Betreiber eines freiwilli­gen Rücknahmesystems somit eine hohe Rechtssicherheit, weil einerseits die Kommunen an die in dem Bescheid getroffene Feststellung des Vorliegens einer freiwilligen Rücknahme gebunden sind, solange der Bescheid nicht aufgehoben wird“, betont Köhler & Klett. Insbesondere dürften Kommunen das Rücknahmesystem nicht als gewerbliche Sammlung behandeln und dagegen einschreiten. Andererseits könnten die Kommunen eine Aufhe­bung des Bescheides mangels Klagebefugnis nicht im Klageweg erzwingen.

Ein kleiner Wermutstropfen besteht aus Sicht der Kanzlei darin, dass sich das VG Hamburg in der schriftlichen Urteilsbegründung strikt auf Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage beschränkt und zu der Kernfrage einer Rücknahme fremder Produkte nicht auch in der Sache Stellung genommen habe. In der mündlichen Verhand­lung im April habe die Kammer noch deutlich zuerkennen gegeben, dass sie der Rechtsauffassung der Stadt Hamburg und des beigelade­nen Modeunternehmens folgt und eine Beschränkung der Rücknahme auf Produkte, die bei der Beigeladenen erworben wurden, nicht für geboten hält.

Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart

Diese Auffassung vertritt auch das VG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 28. Juni dieses Jahres (Az.: 14 K 2931/17). „Das VG Stuttgart sieht Produktverantwortung als Gruppenverantwortung aller Hersteller und Vertreiber einer bestimmten Wa­rengattung an“, erklärt Köhler & Klett. „Deshalb ist nach Ansicht des Gerichts die freiwillige Rück­nahme bei ungefährlichen Abfällen nicht auf eigene Produkte des Zurück­nehmenden beschränkt, sondern erfolgt auch bei der Rücknahme fremder Produkte der gleichen Warengattung in Wahrnehmung von Produktverant­wortung, solange die Rücknahme von Abfällen nicht quantitativ unverhält­nismäßig zu der Tätigkeit als Hersteller oder Vertreiber ist.“

Das VG Stuttgart habe der Klage auf Erteilung eines Feststellungsbescheids, der die Rücknahme fremder Produkte umfas­send regelt, stattgegeben. Auch in diesem Fall wurde die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

„Beide Entscheidungen zeigen, dass die auf rein wirtschaftlichen Motiven be­ruhenden Restriktionsversuche bei der freiwilligen Rücknahme rechtlich nicht überzeugen können“ meint Köhler & Klett. „Die Urteile sind daher ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Produktverantwortung und aus ökologischer Sicht uneinge­schränkt zu begrüßen.“

 

© 320° | 26.09.2018

Mehr zum Thema
Kreislaufwirtschaft: Deutschland und China vereinbaren Aktionsplan