Biokraftstoff aus Abfall

Wissenschaftler in Österreich wollen einen besonders effizienten Biokraftstoff herstellen. Die Forscher setzen dazu zwei Verfahren ein, die sich auch kombinieren lassen. Sie wollen so das Einsatzspektrum von biogenen Inputstoffen erweitern.

Herstellung von Biosprit: Anlage kann nasse und trockene Biomasse verarbeiten


Kostengünstig soll er sein und zudem CO2-neutral. Die Rede ist von einem Biokraftstoff der zweiten Generation, den Wissenschaftler der TU Wien produzieren wollen. In ihrem neu gestarteten Projekt „Heat to Fuel“ wollen die Forscher diese Ziele erreichen. Zudem wollen sie die Herstellung effizienter gestalten.

Bereits seit zwei Jahren forschen die Wissenschaftler an der Herstellung von Biokraftstoff, wie die Universität mitteilt. Für den Kraftstoff wollen sie vorrangig Abfälle der Forst- und Landwirtschaft sowie Reststoffen der Nahrungsmittelindustrie einsetzen. „Man kann sogar Reststoffe wie Rinde, Stroh oder Lignin verwenden“, erklärt Anna Mauerhofer, Forscherin am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der TU Wien.

Zur Umwandlung der Reststoffe in Biokraftstoff setzen die Wissenschaftler zwei sonst unabhängige Technologien in einer Anlage ein. Trockene Rohstoffe wie beispielsweise Holz oder Rinde werden demnach in einer Zweibettwirbelschicht bei hohen Temperaturen von über 750 Grad Celsius in Gas umgewandelt. Anschließend würden sie durch eine Fischer-Tropsch-Synthese zu hochwertigem Biodiesel verflüssigt.

Für nasse Rohstoffe hingegen setzen sie auf die sogenannte „Hydrothermal Liquefaction“. Dabei werde die nasse Biomasse bei extremem Druck von bis zu 200 bar und Temperaturen von etwa 250 Grad Celsius zu Biorohöl verarbeitet, erklärten die Forscher. Am Ende stehe ein flüssiger Biokraftstoff, der getankt werden könne. Als Input könnte beispielsweise Schwarzlauge infrage kommen, die bei der Papierherstellung anfällt.

Beide Prozesse können verschränkt werden

Beide Prozesse laufen den Angaben zufolge nebeneinander ab. Sie sollen aber dort verschränkt werden, wo Ressourcen gespart werden können und eine höhere Effizienz erreicht wird. „Wir möchten alle ungenutzten Energie- und Materialströme, die während der Prozesse anfallen, so gut wie möglich wiederverwerten und möglichst wenige Abfallströme ungenutzt lassen“, erklärt der Leiter der Forschungsgruppe zukunftsfähige Energietechnik, Hermann Hofbauer.

So könnte die bei der Vergasung entstehende Abwärme jene Wärme liefern, die bei der „Hydrothermal Liquefaction“ gebraucht werde. Bei der „Hydrothermal Liquefaction“ selbst fielen Abfallstoffe, wie kohlenstoffreiches Wasser an, die im Prozess wiederverwendet werden könnten. Mittels „Aqueous Phase Reforming“ könnte daraus der Wasserstoff für die Fischer-Tropsch-Synthese sowie zur Veredelung des erzeugten Biorohöhls zu Kraftstoff gewonnen werden.

Auf dem Weg zum Industriemaßstab

Im Pilotmaßstab funktioniert die Herstellung bereits, versichern die Forscher. 14 Partner aus sieben Ländern würden nun im Projekt „Heat-to-Fuel“ daran arbeiten, die Produktion des Biokraftstoffes technisch und wirtschaftlich zu realisieren. Mit einer solchen Anlage könne das Spektrum von biogenen Inputstoffen beträchtlich erweitert werden, lautet das Versprechen.

Sowohl nasse als auch trockene Biomasse könnte effizient eingesetzt werden – je nachdem welche Biomasse saisonal oder regional zur Verfügung stehe. Außerdem sollen die Transportwege kurz gehalten werden. Die Herstellungsverfahren müssten also auf die lokal verfügbaren Rohstoffe angepasst werden, wie Mauerhofer erklärt.

Die TU Wien wird sich vor allem mit dem Bereich Biomassevergasung beschäftigen. „Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Wiederverwendung des CO2 bei der Vergasung und der Erforschung alternativer biogener Brennstoffe“, erklärt Stefan Müller, der das Projekt Heat-to-Fuel leitet. „Die Umsetzung dieser Ziele wäre ein toller Schritt, um der Realisierung einer Bioraffinerie zur Erzeugung synthetischer Kraftstoffe ein weiteres Stück näherzukommen.“


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[su_spoiler title=“Biokraftstoff aus Abfällen: Welche Projekte es sonst noch gibt“]

  • Hochleistungs-Biokraftstoff für Flugzeuge

Enerkem produziert seit 2016 Biomethanol aus gemischtem festen Siedlungsabfall. 2017 hat das kanadische Unternehmen die kommerzielle Produktion von Zellulose-Ethanol aus Müll gestartet. Das in Montréal ansässige Unternehmen betreibt eine kommerzielle Anlage (100.000 Jahrestonnen) in Alberta und ein Innovationszentrum in Quebec.

Der disruptive thermochemische Umwandlungsprozess läuft in vier Stufen ab: Zunächst wird das Inputmaterial vorbereitet, sprich sortiert, geshreddert und wenn nötig getrocknet. Diese kohlenstoffreiche Fraktion geht dann in den Vergasungsreaktor. In weniger als fünf Minuten werden die Kohlenstoffmoleküle laut Enerkem durch partielle Oxidation bei geringer Hitze und unter Druck in ein reines Synthesegas umgewandelt. Anschließend durchläuft das Gas verschiedene Reinigungs- und Aufbereitungsverfahren und erreicht dadurch Erdgasqualität. Dieses Gas wird mittels handelsüblicher Katalysatoren in Biokraftstoffe und Chemikalien umgewandelt.

Im März dieses Jahres hat das Unternehmen bekannt gegeben, dass ihm die Produktion eines neuen Hochleistungs-Biokraftstoff gelungen sei. Der neue Kraftstoff soll das Potenzial haben, die Oktanzahl der auf dem Markt angebotenen Kraftstoffe auf bis zu 112 zu verbessern. Damit wollen die Kanadier den Markt für Spezialkraftstoffe wie etwa Flugbenzin oder den professionellen Motorsportbereich bedienen.

  • Biodiesel aus Klärschlamm

Das Fraunhofer-Institut Umsicht will eine neue Prozesskette für die Herstellung von Benzin und Diesel aus biogenen Reststoffen etablieren. Das in Zusammenarbeit mit Partnern entwickelte TCR-Verfahren (Thermo-Catalytic-Reforming) soll neben Klärschlamm eine breite Basis an Biomassen und Reststoffen verwerten können. Als Beispiele nennt das Fraunhofer-Institut Holzreste, Gärreste aus Biogasanlagen, Abfälle aus der Getränke- und Papierproduktion oder kommunale Bioabfallfraktionen.

Neben einem hochwertigen Öl als Zwischenprodukt für die Kraftstofferzeugung entstehen beim TCR-Verfahren Produktgas und Biokohle. Diese Bestandteile könnten für die Energieerzeugung oder als Bodenverbesserer eingesetzt werden.

Mitte November hat das Umsicht den ersten Spatenstich für eine Demonstrationsanlage gesetzt. Die Inbetriebnahme ist für 2020 vorgesehen. Die Anlage soll pro Stunde 500 Kilogramm getrockneten Klärschlamm in rund 50 Liter Biobenzin und Biodiesel umwandeln.

  • Aus Bioabfällen wird Biomethan

Der niederländische Abfallverwerter Renewi hat im März seine Biokraftstoff-Anlage offiziell eröffnet. Aber nicht in den Niederlanden, sondern in Kanada. Die Anlage im Großraum Vancouver ist auf den Durchsatz von 115.000 Tonnen organische Abfälle pro Jahr ausgelegt, wie das Unternehmen mitteilt.

In der Anlage werden Bioabfälle in Biomethan umgewandelt. Das bei der Vergärung der Bioabfälle entstehende Biogas werde für die erdgasbetriebenen Abfallsammelfahrzeuge der Stadt Vancouver genutzt, wie Renewi sagt. Darüber hinaus werde auch ein Kompostprodukt hergestellt, das für den Landschaftsbau und die landwirtschaftliche Nutzung geeignet sei.

  • Biosprit aus Kaffeesatz

Für den Energiekonzern Shell und die Technologiefirma bio-bean ist Kaffeesatz der ideale Ausgangsstoff für Biokraftstoffe. bio-bean sammelt Kaffeesatz von großen Ketten ein. Der Kaffeesatz wird getrocknet und daraus das Kaffeeöl extrahiert. Auf diese Weise wurden den Angaben zufolge bislang 6.000 Liter Kaffeeöl gewonnen.

Das Kaffeeöl wird als Teil der Biokomponente mit herkömmlichem Diesel zu einem B20-Biodiesel gemischt. Dieser sogenannte B20 wird seit Ende 2017 von mehreren Bussen des öffentlichen Personennahverkehrs in London getankt. Diese mussten dafür nicht extra umgerüstet werden.

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© 320° | 20.11.2018

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