Initiative GemIni

Der Entwurf zur Abschaffung der dualen Systeme stößt bei den abfallpolitischen Sprechern im Bundestag überwiegend auf vorsichtige Zustimmung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von 320°. Insbesondere in einem Punkt herrscht fraktionsübergreifend Übereinstimmung.

„Ich finde die Initiative interessant“


Der Papier hatte vor rund zwei Wochen für Furore gesorgt: Eine Initiative aus kommunalen und privaten Entsorgern hat die Abschaffung des Dualen Systems gefordert. In dem Positionspapier wird eine gebührenfinanzierte Verpackungsentsorgung vorgeschlagen; die Organisation soll die Kommune übernehmen.

In der Entsorgungswirtschaft stieß das Papier wie erwartet auf ein geteiltes Echo. Auch die zuständigen Politiker der Bundestagsfraktionen sind ich nicht ganz einig, was sie von dem Vorschlag halten sollen. Eine Umfrage von 320° unter den abfallpolitischen Sprechern hat ergeben, dass die meisten Politiker die Auffassung vertreten, die Abfallsammlung – also auch die von Verpackungen – gehört in kommunale Hand. Von einer Abschaffung der Produktverantwortung halten die vier Abgeordneten von CDU, SPD, Linke und Grüne hingegen nichts.

Am klarsten positioniert sich Ralph Lenkert von den Linken. „Prinzipiell bin ich dafür, die dualen Systeme abzuschaffen“, sagt er. Mit dem Modell GemIni ist er dennoch nicht vollständig einverstanden. „Wir lehnen es ab, alles über Gebühren zu finanzieren“, sagt er. Ohne Produktverantwortung gebe es keinen Anreiz mehr, Verpackungen einzusparen. Seine Partei bevorzuge ein System, das die Lizenzen in eine Verpackungsabgabe umwandelt. Das Geld solle von einem einzigen System, das gesellschaftlich organisiert ist, verwaltet werden.

Folie1„Generell sollen die Verpackungen kommunal erfasst werden“, fordert Lenkert. Die Weiterverarbeitung könne dann entweder von einem kommunalen, oder einem privaten Unternehmen gemacht werden. Dafür bräuchte er aber nur ein Unternehmen, anstelle von zehn. Außerdem solle das System staatlich kontrolliert und überwacht werden. Wer sich an dem System nicht beteiligt, begehe eine Straftat.

Forderung nach stärkerer kommunaler Zuständigkeit

Etwas vorsichtiger äußert sich Peter Meiwald, abfallpolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen. „Ich finde die Initiative sehr interessant, denn die Müllsammlung gehört grundsätzlich in den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge“, sagt der Politiker. Er will aber nicht ausschließen, dass auch private Unternehmen zum Zug kommen: „Auch wenn die Städte und Kommunen mehr Verantwortung übernehmen, könnten Aufträge nach wie vor an private Entsorger vergeben werden.“ Seine Partei diskutiere derzeit intensiv mit der Gemeinschaftsinitiative und auch mit Umweltverbänden und Entsorgungsunternehmen, wie ambitionierte Recyclingziele am besten erreicht werden können. Dabei setzen die Grünen aber weiterhin auf die Produktverantwortung.

Auch der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Gebhart, plädiert zunächst für eine Beibehaltung der Produktverantwortung. So entstehe der Anreiz, Verpackungen möglichst zu vermeiden. Was die Entsorgung angeht, fordert der Politiker, dass die Verpackungen gemeinsam mit weiteren Wertstoffen in einer Tonne gesammelt werden: „Künftig sollten Verpackungen und sonstige Abfälle aus den gleichen Materialien in einer einheitlichen Wertstofftonne entsorgt werden.“

Ob er den Vorschlag der Gemeinschaftsinitiative für sinnvoll hält, lässt Gebhart offen. Stattdessen nennt er drei Punkte, die aus seiner Sicht besonders dringlich sind: „ Die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen muss erhöht werden – technisch ist dies machbar. Im Zuge des Wertstoffgesetzes braucht es eine umfassende Neuregelung und eine bessere Organisation, zum Beispiel mit einer zentralen Stelle. Und es muss eine bessere Kontrolle und einen besseren Abgleich der gemeldeten Mengen geben.“ Auch die bestehende Trittbrettfahrerproblematik solle in diesem Zusammenhang gelöst werden.

Initiative verliert ihre Glaubwürdigkeit

Micheal Thews, der abfallpolitische Sprecher der SPD, kann sich ebenfalls vorstellen, dass im kommenden Wertstoffgesetz eine stärkere kommunale Zuständigkeit verankert wird. Auch er will in jedem Fall die Produktverantwortung beibehalten. Der Vorschlag der Gemeinschaftsinitiative ist ihm jedoch nicht konkret genug. „Eine Änderung oder Weiterentwicklung des bestehenden Systems muss den Aspekt der Produktverantwortung berücksichtigen, was ich in dem vorliegenden Vorschlag noch nicht erkenne“, sagt Thews.

Unterdessen ist aber noch immer nicht klar, wer sich hinter der Initiative GemIni verbirgt. Ihr Sprecher, der Rechtsanwalt Hartmut Gaßner, sagte auf der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz in der vergangenen Woche, dass rund 20 Firmen das Modell unterstützen. Allerdings sei er noch immer nicht in der Lage sei, die Namen zu nennen. Das habe mit den derzeitigen Problemen der dualen Systeme zu tun.

Das wiederum deutet darauf hin, dass der Entsorgungskonzern Remondis die Initiative tatsächlich unterstützt. Remondis ist mit Eko-Punkt einer von zehn Betreibern eines dualen Systems. Dass der größte private Entsorgungskonzern ein kommunales Modell unterstützt, wäre in der Tat bemerkenswert und würde diejenigen stützen, die generell eine stärkere kommunale Verantwortung in der Abfallwirtschaft fordern.

Irritierend ist allerdings der Umstand, dass niemand von den anderen angeblichen Unterstützern sich zu GemIni bekennen will. Im Falle von Remondis wäre es noch nachvollziehbar, im Falle möglicher kommunaler Unternehmen erscheint es jedoch befremdend. Es dürfte Gaßner schwerfallen, im politischen Raum für ein Vorhaben zu werben, dessen Glaubwürdigkeit dadurch verloren geht, dass die Unterstützer sich nicht trauen, ihren Namen zu nennen.

Doppelbelastung für den Bürger

Wie der Rechtsanwalt der Kanzlei GGSC auf der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz nochmals betonte, wolle die Initiative GemIni nicht die Produktverantwortung abschaffen. Es gehe vielmehr darum, die Inhalte der Produktverantwortung neu festzulegen. Die ökologische Anreizfunktion im Rahmen des bisherigen Systems der Verpackungsentsorgung ließe sich nicht nachweisen, sagte er. Es sei auch nicht belegt, dass die bisherigen Lizenzentgelte einen Kostendruck ausüben, der zur Vermeidung von Verpackungsaufwand führt.

Hinsichtlich der Finanzierung des kommunalen Gegenmodells rechnete Gaßner vor, dass die Entsorgungskosten, die bei den dualen Systemen anfallen, sich auf 824 Millionen Euro belaufen. Die Lizenzentgelte beliefen sich 2011 auf 941 Millionen Euro. Diese Entgelte zahlt letztlich der Bürger, weil die Inverkehrbringer von Verpackungen die Lizenzgebühren auf den Verkaufspreis für Verpackungen draufschlagen.

Käme es zu einer Gebührenfinanzierung, dann entfielen zwar die Lizenzentgelte, aber der Verkaufspreis blieb dennoch erst einmal bestehen. Folglich würde der Bürger doppelt für die Verpackungsentsorgung bezahlen. Gaßner geht allerdings davon aus, dass der Wettbewerb im Einzelhandel dazu führen dürfte, dass die bereits eingepreisten Entgelte sukzessive zurückgenommen werden, so dass am Ende nur die Belastung über die Gebühr übrigbliebe. Er rechnet damit, dass die Kostenbelastung deutlich unter 10 Euro pro Einwohner und Jahr liegen würde.

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