Ungeklärter Verbleib stillgelegter Fahrzeuge

Das Thema illegale Altautoexporte hat es auf die politische Agenda geschafft. Die EU-Kommission sieht darin eines der größten Probleme der Altfahrzeug-Richtlinie. Inzwischen fordert auch die Bundesregierung Aufklärung.

Illegale Altauto-Exporte: Politik will Aufklärung


Die Europäische Kommission ist mit der Umsetzung der Altfahrzeugrichtlinie weitgehend zufrieden. Dennoch gebe es einige Problemfelder, räumte Artemis Hatzi-Hull, zuständig für den Bereich Abfallentsorgung in der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission, bei der heutigen Pressekonferenz zum Internationalen Automobil-Recycling Kongress IARC 2015 in Berlin ein. Dazu zählt sie insbesondere die illegale Behandlung und den illegalen Export von Altfahrzeugen. Sie verwies jedoch auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. „Unser Job ist es Gesetze zu erlassen, die Umsetzung liegt bei den Mitgliedstaaten“, sagte sie. „Wir tun alles, was wir können, um der Recyclingwirtschaft zu helfen“, versicherte die Kommissionsvertreterin.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Maßnahmen, die die EU-Kommission in Erwägung zieht, um die Altauto-Verwertung weiter zu verbessern. Artemis Hatzi-Hull nannte unter anderem die Harmonisierung des Berichtsystems und der Kalkulationsmethoden der EU-Mitgliedstaaten. Ziel ist es hier, die Aussagekraft und Zuverlässigkeit der Statistiken zu verbessern, um dadurch auch eine bessere Vergleichbarkeit der erfassten Daten zu ermöglichen. Weitere Überlegungen zielen darauf ab, Demontagebetriebe besser über recyclingfähige Materialien zu informieren und das Altautorecycling an die fortschreitende Entwicklung der Fahrzeugtechnik anzupassen.

Wie Artemis Hatzi-Hull bei der Pressekonferenz betonte, falle die Bewertung der im Jahr 2000 in Kraft getretenen europäischen Altfahrzeug-Richtlinie insgesamt positiv aus. Die Richtlinie sei in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt worden und habe zu positiven ökologischen und ökonomischen Resultaten geführt. Inzwischen seien toxische Materialien in Fahrzeugen nahezu eliminiert. Und auch die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Erfüllung der geforderten Verwertungsquoten seien gut.

Weniger als die Hälfte wird in Deutschland verwertet

Deutscher kritischer äußerte sich Beate Kummer, Sprecherin des deutschen Stahlrecycling-Konzerns Scholz. „Nach wie vor ist unklar, wo jedes Jahr rund 1,4 Millionen Altfahrzeuge aus Deutschland verbleiben“, erklärte sie bei der Pressekonferenz. Ihr würden zahlreiche Beweise aus Deutschland, Österreich, Slowenien und Kroatien vorliegen, dass Altfahrzeuge illegal entsorgt werden. Diese werde sie auch in Kürze veröffentlichen.

Scholz selbst betreibt in Espenhain nahe Leipzig eine Behandlungsanlage für Shredderrückstände aus der Altautoaufbereitung. In die Anlage hat Scholz seit 1991 rund 60 Millionen Euro investiert. Das Ergebnis ist, dass Scholz als eines der wenigen Unternehmen die seit Anfang 2015 von der Altfahrzeug-Richtlinie geforderte Verwertungsquote von 95 Prozent sicher erfüllt. Und dennoch bleibt das Problem bestehen, dass in Deutschland im Jahr 2012 zwar 1,38 Millionen Altfahrzeuge stillgelegt wurden, aber Schätzungen zufolge weniger als die Hälfte im Land verwertet wird.

Forschungsvorhaben zum Verbleib der Altfahrzeuge

Inzwischen ist das Thema auch bei der Politik angekommen. Die Bundesregierung hat im Jahr 2014 im Rahmen des Umweltforschungsplans ein Vorhaben mit dem Titel „Entwicklung von Lösungsvorschlägen, einschließlich rechtlicher Instrumente, zur Verbesserung der Datenlage beim Verbleib von Altfahrzeugen“ initiiert. Im Fokus der Forschungsarbeiten steht die Identifikation möglicher Ursachen der „statistischen Lücke“ hinsichtlich des Verbleibs endgültig stillgelegter Fahrzeuge, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervorgeht. Ergebnisse des Vorhabens erwartet die Bundesregierung für Frühjahr 2016.

Die Bundesregierung erklärt in ihrer Antwort, dass die Menge an statistisch nicht erfassten, endgültig stillgelegten Fahrzeugen sich auf Gebrauchtwagen und Altfahrzeuge verteilt. Da der Export von Gebrauchtwagen in Teilen keiner statistischen Berichtspflicht unterliegt, liegen der Bundesregierung auch keine Daten über möglicherweise illegal verschrottete oder illegal exportierte Altfahrzeuge vor. Wie es in der Antwort weiter heißt, lag in Deutschland das Durchschnittsalter aller PKW im Jahr 2014 bei 8,8 Jahren. Das Durchschnittsalter der Altfahrzeuge habe im Jahr 2012 ca. 14 bis 15 Jahre betragen.

Umkehr der Beweislast

Scholz-Sprecherin Kummer fordert vor diesem Hintergrund eine Revision der europäischen Altfahrzeug-Richtlinie. Handlungsbedarf sieht sie unter anderem mit Blick auf eine exaktere Definition der Begriffe Altfahrzeug und Gebrauchtwagen. Außerdem sollte die Beweislast umgekehrt werden. „Künftig sollten die Exporteure nachweisen müssen, dass es sich bei dem Exportgut um einen Gebrauchtwagen und nicht um ein Altfahrzeug handelt“, sagte sie bei der Pressekonferenz. Bislang liegt die Beweislast bei den Zollbeamten. Darüber hinaus fordert Scholz zusätzliche Vorgaben, um eine höhere Erfassung von Altautos innerhalb der EU zu erreichen.

Handlungsbedarf in punkto Altautoverwertung erkennt auch die europäische Automobilindustrie. Allerdings nicht hinsichtlich der Altfahrzeug-Richtlinie: Die Richtlinie habe ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt, betonte Erik Jonnaert, Generalsekretär des europäischen Automobilverbands ACEA, bei der Pressekonferenz. Er sprach sich dafür aus, die Richtlinie ohne Änderung beizubehalten. Ansatzpunkte zur Verbesserung sieht Jonnaert stattdessen in anderen Bereichen. So sollte die Anforderung, einen Verwertungsnachweis zu führen, nicht die Ausnahme sein, sondern zur Regel werden, fordert der ACEA-Vertreter.

Darüber hinaus setzt sich der Automobilverband für eine europaweit einheitliche Umsetzung der Richtlinie ein. Wichtig sei eine Wettbewerbsgleichheit für alle ordnungsgemäß tätigen Anlagenbetreiber. Außerdem sollten weitere Schritte unternommen werden, um die Post-Shredder-Technologie zu fördern. Diese Behandlungstechnik sei die am besten geeignete Methode zur Altautoverwertung, betonte Jonnaert in Berlin.

Mit Blick auf den laufenden Revisionsprozess bezüglich Ausnahmen von der Altfahrzeug-Richtlinie im Anhang II wies Jonnaert darauf hin, dass die Automobilindustrie bereits einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung von Schwermetallen geleistet hat. „Weitere Reduktionen sollten sich am ökonomischen und technischen Fortschritt orientieren”, erklärte er.

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