Zukunft des Verkehrs

Konzepte für das fahrerlose Auto gibt es viele. Doch wie geht das im echten Stadtverkehr? Das testet ein Projekt von Karlsruhe bis Heilbronn.

Karlsruhe testet autonome Fahrzeuge im realen Straßenverkehr


Das Auto findet den Weg zum Büro alleine und den Parkplatz dazu. Der Roboterbus bringt Theaterbesucher pünktlich zur Premiere, und das vernetzte E-Mobil sorgt für eine stressfreie Heimfahrt im Feierabendverkehr. So entspannt könnte die schöne neue Verkehrswelt aussehen.

Ob und wie autonomes und vernetztes Fahren im Alltag tatsächlich funktioniert, will das Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg (TAF) ausloten, das am Donnerstag in Karlsruhe an den Start ging. Die Erwartungen sind hoch, die Herausforderungen auch.

Um was geht es bei dem Projekt?

Es soll ein «Reallabor» für verschiedene Mobilitätskonzepte im Tüftlerland sein. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen sollen hier ihre Systeme und Geschäftsmodelle für den künftigen Milliardenmarkt erproben können – und zwar im Alltagsverkehr mit Autos, Bussen, Zustelldiensten oder Fahrzeugen der Straßenreinigung und Carsharing-Anbietern.

Was ist das Besondere?

Im Unterschied zu Projekten in Braunschweig, an der Autobahn 9 in Bayern oder im Saarland erfasst es alle Arten von öffentlichen Straßen: innerstädtische Routen mit Rad-, Fußgänger- und Straßenbahnverkehr, Tempo-30-Zonen, Wohngebiete, Parkhäuser, Landes- und Bundesstraßen und Autobahnabschnitte. Das setzt eine aufwendige Infrastruktur mit Einbindung der Kommunen voraus, die nach Wissen des federführenden Forschungszentrums Informatik (FZI) so beispiellos ist.

Wo fahren die autonomen Fahrzeuge?

Auf ausgewählten Strecken zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn. Einbezogen sind in Karlsruhe der KIT-Campus, Teile der Oststadt, die Umgebung um den Hauptbahnhof und südliche Stadtteile. In Bruchsal gehört die Durchfahrt am Barockschloss dazu. Los geht es zunächst in Karlsruhe mit einer 13 Kilometer-Schleife, die große Kreuzungen wie Durlacher Allee/Ostring und die Südtangente einschließt. In Heilbronn führt ein sieben Kilometer langer Abschnitt vom Autobahnanschluss Heilbronn/Neckarsulm bis in ein Parkhaus. Zum Start sind 30 Kilometer präpariert, später soll das Testfeld an die 200 Kilometer umfassen.

Inwiefern tangiert das den normalen Verkehr?

Das Testfeld nutzt die vorhandene Straßeninfrastruktur. Für andere Verkehrsteilnehmer ändert sich laut FZI nichts. Dass man auf der Teststrecke ist, bemerkt man an Hinweisschildern, Hightech-Test-Autos mit Warnlicht auf dem Dach und an der Technik am Straßenrand.

Welche Voraussetzungen braucht es für das autonome Fahren?

Fahrzeuge werden mit Sensoren, Kameras sowie intelligenter Soft- und Hardware ausgestattet. Damit können sie ihre Umgebung wahrnehmen. Informationen kommen über Kommunikationsanlagen an Straßen, Kreuzungen oder in Parkhäusern. Sendeantennen für WLAN und Mobilfunk, Kameras an Ampelmasten, Wetterstationen und Sensoren erfassen Straßenbahnen, Autos, Radfahrer und Fußgänger. Die Infos werden an die Fahrzeuge blitzschnell übermittelt, damit die sich der Verkehrssituation anpassen können. Detaillierte 3-D-Karten helfen bei der Orientierung.

Was ist die größte Herausforderung?

Trotz ausgeklügelter Technik – so leicht ist der Mensch nicht zu ersetzen: Die größte Herausforderung bleibt die Sicherheit, meint Hermann Winner, Fahrzeugtechnik-Professor von der TU Darmstadt.

Bisher warnten Kritiker vor allem vor Fällen, in denen die Software entscheiden müsse, wen sie bei einem drohenden Unfall opfert. Seit dem tödlichen Unfall mit einem autonomen Auto am 18. März im US-Staat Arizona geht es um die Funktionstüchtigkeit der Technologie.

Wer stoppt notfalls das Robo-Fahrzeug?

Im Idealfall erkennt es eine brenzlige Situation und bremst. Doch falls nicht, ist stets ein ausgebildeter Sicherheitsfahrer an Bord. „Die haben gelernt, solche Situationen abzuschätzen und entsprechend zu reagieren“, betont FZI-Sprecherin Julia Feilen.

Was gilt es noch zu klären?

Neben technischen Fragen müssen die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Wirtschaftlichkeit ausgelotet werden. Auch Fragen der Haftung und des Datenschutzes müssen geregelt sein. Für das Testfeld wurde mit dem Landesdatenschutzbeauftragten ein Konzept erarbeitet: Die von den Kameras erfassten Bilder werden von automatischen Algorithmen zu anonymem Objektlisten umgewandelt, die an das Testauto zum Abgleich eigener Daten gehen.

Wann können Autofahrer die Hände ganz vom Lenkrad lassen?

Das kann dauern. Bis sich hierzulande autonome Fahrzeuge in größerem Stil durchsetzen, dürften nach Schätzung von Experten noch mindestens zwei Jahrzehnte ins Land gehen. Andere Länder drücken mehr auf’s Tempo. Nach Überzeugung von Wirtschaftsprofessor Ferdinand Dudenhöffer dürfte China „den Rest der Welt beim autonomen Fahren abhängen“. Es will schon 2025 den für den vernetzten Verkehr wichtigen 5G-Mobilfunk-Standard flächendeckend einführen.

 

©320°/dpa | 03.05.2018

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