Sonderabfall-Verbrennung

Wenn es um Abfallverbrennung geht, geht es in der Regel um Hausmüll und Gewerbeabfälle. Doch wie ist es eigentlich um die Sonderabfallverbrennung bestellt? Ein Überblick über die aktuelle Marktlage und die technischen Entwicklungen.

Kaum beachtet, aber unverzichtbar


Wenn Andreas Neuss die Marktbedingungen für Sonderabfallverbrennungsanlagen (SAV) beschreiben soll, fällt die Formulierung „nicht einfach“. Das sei schon seit zehn Jahren so, sagt er. Erst in den vergangenen beiden Jahren habe sich das etwas gebessert.

Neuss ist Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Sonderabfallverbrennungsanlagen (BDSAV). Ende Januar war er zur Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz eingeladen, um über die Entwicklung der Sonderabfallverbrennung in den vergangenen zehn Jahren zu berichten. Will man die Kernaussagen seines Vortrags in einem Satz zusammenfassen, könnte man sagen: Die Sonderabfallverbrennung unterliegt einem stetigen Wandel ohne gravierende Ausschläge.

Noch vor zehn Jahren war der Druck auf die Anlagenbetreiber größer. Damals, 2008, machte sich die Wirtschaftskrise auch in der Auslastung von klassischen Hausmüllverbrennungsanlagen bemerkbar. In der Folge hätten einige Hausmüllverbrennungsanlagen zunehmend gefährliche Abfälle mitbehandelt, erklärte Neuss. Dieser Trend habe sich durch Vorbehandlungs- oder Mischanlagen noch verstärkt. Solche Anlagen hätten die Betreiber von Hausmüllverbrennungsanlagen als preisgünstige Alternative für ihren Output genutzt.

Im Jahr 2000 hätten die Müllverbrennungsanlagen rund 120.000 Jahrestonnen angenommen, verdeutlichte Neuss. Bis 2015 habe sich die Menge auf etwa 350.000 Jahrestonnen gesteigert. „Erst in den letzten beiden Jahren ist durch eine zunehmend bessere Auslastung der MVA mit Hausmüll und Gewerbeabfällen die Menge leicht zurückgegangen.“

Sieben Anlagen stillgelegt

Insgesamt seien in den vergangenen zehn Jahren die Kapazitäten für die Hausmüll- und Gewerbeabfallverbrennung ausgeweitet worden. Die Kapazitäten für die Sonderabfallverbrennung dagegen seien abgebaut worden. In den vergangenen zehn Jahren seien in Deutschland sieben SAV-Anlagen stillgelegt worden, sagte Neuss. Diese hatten eine Kapazität von zusammengerechnet 15.000 Tonnen.

Darunter seien Anlagen gewesen, deren Betrieb an eine Produktion eines bestimmten Stoffes gebunden war wie beispielsweise bei Höchst in Gendorf. Insgesamt habe sich die Kapazität in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren um etwa 10 Prozent reduziert.

Sonderabfallverbrennungsanlagen in Deutschland

Der Kapazitätsabbau bei den SAV konnte zum Teil durch eine Kapazitätsausweitung der bestehenden Anlagen kompensiert werden. Dabei waren keine größeren technischen Änderungen nötig. Vielmehr sei es gelungen, durch Optimierungen und Änderungen im Anlagenbetrieb den Durchsatz bestehender Anlagen zu erhöhen, wie Neuss anhand einiger Beispiele deutlich machte:

  • Die Anlage der GSB-Sonderabfall-Entsorgung in Bayern war ursprünglich für 120.000 Jahrestonnen ausgelegt. Derzeit werden 200.000 Tonnen pro Jahr durchgesetzt.
  • Die HIM-Anlage in Biebesheim war für den Durchsatz von 60.000 Tonnen konzipiert. Der reale Durchsatz liegt derzeit bei etwa 110.000 Tonnen.
  • Die Abfall-Verwertungs-Gesellschaft (AVG) in Hamburg hatte anfangs einen Durchsatz von 90.000 Tonnen pro Jahr. Mittlerweile ist die Menge auf etwa 130.000 Tonnen gestiegen.

Dass in Deutschland noch weitere Verbrennungskapazitäten hinzukommen werden, ist nach Neuss‘ Einschätzung wenig wahrscheinlich. Denn mit einem Anlagenneubau seien nicht nur hohe Investitionen verbunden, es bestehe zudem ein Auslastungsrisiko. Auch in anderen EU-Ländern scheint ein SAV-Zubau nur wenig wahrscheinlich zu sein. Derzeit ist in der EU-28 eine Kapazität von 3,58 Millionen Tonnen installiert.

Sonderabfall-Verbrennungskapazitäten in Europa

Neue Systeme zur Reduzierung von Quecksilberemissionen

Auch aus technischer Sicht hat sich in den vergangenen Jahren einiges bei der Sonderabfallverbrennung getan. Dazu zählt unter anderem die Verringerung von Quecksilberemissionen. „Normalerweise werden systembedingte Emissionsspitzen im mehrstufigen Abgasreinigungssystem abgefangen“, erklärte der BDSAV-Geschäftsführer. Allerdings sei teilweise bei verpackt angelieferten Abfällen keinerlei Kontrolle möglich. Auch seien illegale Einträge von Schadstoffen möglich.

Beides könne zu einem punktuellen aber erheblichen Eintrag von Schadstoffen wie Quecksilber führen. „Dies gilt insbesondere für Anlagen, die im Markt agieren“, betonte Neuss. Anlagen der chemischen Industrie hätten mit diesem Problem weniger zu tun, da der Input besser bekannt sei.

Die neu eingerichteten Systeme zur Verringerung von Quecksilberemissionen bestehen aus einer Rohgasmessung für Quecksilber. Werden bestimmte Grenzwerte überschritten, wird die automatische Zugabe von festen oder flüssigen Zusatzstoffen ausgelöst, mit denen Quecksilber gebunden wird. Dabei kommen beispielsweise dotierte Aktivkohle oder anorganische Additive zum Einsatz.

SAV-Vorbehandlungsanlagen schneiden besser ab

Darüber hinaus haben einige SAV-Betreiber eigene Anlagen zur Vorbehandlung von Abfällen gebaut. Die Vorbehandlung erfolge beispielsweise durch Shreddern von Gebinden oder stückigen Abfällen, erklärte Neuss. Damit könne die zum Teil notwendige Vorbehandlung bestimmter Abfälle direkt am Standort der Verbrennung vorgenommen werden.

Außerdem würden die Shredder werden abgesaugt, und die Abgase in der Verbrennung thermisch und somit bestmöglich gereinigt. „Dies ist auf jeden Fall besser, als es die teilweise in den Mischanlagen installierten Systeme mit Aktivkohle oder Biofilter können.“ Folglich schnitten diese Anlagen in puncto Abluftreinigung auch besser ab als Misch- und Vorbehandlungsanlagen.

Immer mehr flüssige Abfälle aus der chemischen Industrie

Hinzu kommt, dass die SAV-Betreiber auch auf geänderte Marktverhältnisse der chemischen Industrie reagiert haben. Im Zuge einer gesteigerten Produktion hätte die chemische Industrie zunehmend flüssige Abfälle erzeugt, die reaktiv, korrosiv oder heiß seien. „Diese können nur über gesonderte Einrichtungen in die Drehrohre befördert werden“, sagte Neuss.

Die Entsorgung von flüssigen Abfällen sei in Anlagen der chemischen Industrie kein Problem. Bei anderen, eher marktoffenen Anlagen sei diese Möglichkeit nur eingeschränkt oder auch gar nicht vorhanden gewesen. Einige dieser SAV hätten darauf reagiert und entsprechende Anlagen nachgerüstet.

Dazu gehört auch die AVG in Hamburg. Diese hat eine Sonderchargenstation installiert. Diese Nachrüstung war augenscheinlich kein Spaziergang: „Genehmigung, Planung, Bau und Inbetriebnahme dieser komplexen Anlage haben sich über drei Jahre hingezogen und 2 Millionen Euro gekostet.“

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