Widerstand der Bürger

Der Anlagenbetreiber EEW will den Durchsatz des Müllheizkraftwerks Göppingen erhöhen. Doch ein Teil der Bürger ist dagegen. Nach drei Terminen ist der Bürgerinformationsprozess gescheitert. Was kommt nun? Die Rekommunalisierung?

Kein Kompromiss zu MHKW Göppingen


An sich ist es keine große Sache: Circa 22.000 Tonnen mehr Müll pro Jahr sollen künftig im Müllheizkraftwerk Göppingen verbrannt werden – derzeit sind es knapp 158.000 Tonnen. Doch seit über einem Jahr liegen die Pläne des Betreibers Energy from Waste (EEW) auf Eis. Der Grund: Die Bürgerinitiative „Müllkonzept Göppingen“ macht gegen das Vorhaben mobil und auch die Bürger sind besorgt. Der Versuch, via Bürgerinformationsprozess die Zweifel zu zerstreuen, ist gescheitert.

Wie aus dem Abschlussbericht hervorgeht, den das Umweltforschungsinstitut Tübingen als Mediator des Bürgerinformationsprozesses vergangene Woche vorgelegt hat, konnten im Punkt ,Verbesserungsvorschläge’ keinerlei Ergebnisse erzielt werden. Ziel des Bürgerinformationsprozesses war es, mit allen Beteiligten nach weiteren Optimierungsmöglichkeiten zu suchen, was einzelne Vertragsinhalte, den Betrieb der Anlage und ein zukünftiges Abfallwirtschaftskonzept betrifft. „Der Grund dafür ist, dass sich die teilnehmenden Bürger weigerten, in irgendeiner Weise Vorschläge zu äußern. Sie lehnen eine Durchsatzerhöhung kategorisch ab“, heißt es.

Keine erhöhte Gesundheitsbelastung

Für ihre Haltung führen die Bürger dem Bericht zufolge gesundheitliche Bedenken an. Das sieht die Bürgerinitiative „Müllkonzept Göppingen“ ähnlich. Sie trat 2017 mit dem Argument in Erscheinung, die Feinstaub-Emissionen des MHKW, insbesondere mit PCB, Dioxin und Furan belastete Stäube, erhöhten die Gefahr für die menschliche Gesundheit. „Nachweise für eine erhöhte gesundheitliche Belastung in Folge des Betriebs des MHKW konnten keine gefunden werden“, schreibt nun das Umweltforschungsinstitut.

Auch dafür, dass die geplante Durchsatzerhöhung ein erhöhtes Gesundheitsrisiko mit sich bringen würde, seien keine Belege gefunden worden. Kurz vor der dritten Sitzung hatten 19 der 30 beteiligten Bürger eine Stellungnahme eingereicht, dass sie aus grundsätzlichen Überlegungen gegen eine Vertragsanpassung sind. Welche das sind, lässt der Abschlussbericht offen.

Die Erhöhung der Durchsatzmenge wird im Entsorgungsvertrag, der noch bis 2035 läuft, zwischen dem Landkreis und der EEW festgelegt. Der Kreistag muss einer solchen Erhöhung zustimmen. Generell sind Landrat Edgar Wolff und die Kreisverwaltung dafür. Die Kreisverwaltung verspricht sich davon finanzielle Vorteile für den Landkreis und den Bürger. Über die geplante Gesamtlaufzeit des Entsorgungsvertrags bis 2035 soll der Gebührenhaushalt des Landkreises um bis zu 19,5 Millionen Euro entlastet werden – bis zu 20 Euro pro Haushalt. Allerdings ist das laut Abschlussbericht nur zu realisieren, „wenn die Abfallreduzierung bei den Haushalten/Gewerbebetrieben“ greift.

Aus Sicht der Bürgerinitiative „Müllkonzept Göppingen“ gehen derzeit mehrere Millionen „unnötige“ Beitragszahlungen der Bürger in die Taschen des Betreibers beziehungsweise der chinesischen Eigentümer. Sie fordern daher, die Verbrennungskapazitäten nicht zu erhöhen und den Vertrag mit EEW zu kündigen. Stattdessen soll die Rekommunalisierung des MHKW geprüft werden.

Kommt jetzt die Rekommunalisierung?

Im Bürgerinformationsprozess wurde die Frage nach einer Rekommunalisierung des MHKW ebenfalls in den Raum gestellt. Laut Abfallwirtschaftsbetrieb ist ein Betreiberwechsel aber frühestens ab 2030 sinnvoll. Einige politische Parteien haben die Idee inzwischen aufgegriffen. Die Freien Wähler Göppingen hatten vor der Sommerpause vorgeschlagen, dass der Kreis das MHKW übernehmen könne. Einen potenziellen Betreiber sehen sie im Unternehmen Energieversorgung Filstal (EVF).

Auch die Grünen scheinen nicht abgeneigt. Der Südwest Presse sagte Grünen-Fraktionssprecherin Martina Zeller-Mühleis: „Wir werden einen Prozess der Überprüfung anstoßen.“ Christian Stähle von den Linken, mit einer Stimme im Kreistag vertreten, will der Zeitung zufolge ebenso eine Rückführung in die öffentliche Hand. Damit wären bereits 24 der 63 stimmberechtigten Vertreter im Kreistag für eine Rekommunalisierung.

Hinzu kommt, dass die SPD-Kreisräte nach einer Fraktionssitzung am Montagabend (17. September) einen Antrag beschlossen haben, demzufolge der Kreis den Vertrag mit EEW bis zum 31. Dezember 2025 kündigen soll. In der Zeit bis zum 31. Dezember 2021 soll die Verwaltung die Möglichkeit einer Rekommunalisierung des Müllheizkraftwerks prüfen und die Finanzierbarkeit darstellen.

Wie es nun weitergeht, ist vor diesem Hintergrund völlig offen. Am 25. September tagt der Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags zu diesem Thema. Die endgültige Entscheidung zur Vertragsanpassung fällt in der Kreistagssitzung am 12. Oktober.

 

© 320° | 18.09.2018

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