Verfehlte Ziele

Die Bundesregierung muss beim Petersberger Klimadialog eigene Versäumnisse eingestehen. Gut möglich, dass die Bundesrepublik ihre Klimaziele noch stärker verfehlen wird als erwartet. Viele Hoffnungen ruhen nun auf der jüngst eingesetzten Kohlekommission.

Klimaschutz: Deutschland verliert Vorreiterrolle


Deutschland wird seine Klimaziele bis 2020 nach Einschätzung von Bundesumweltministerin Svenja Schulze möglicherweise noch deutlicher verfehlen als bislang gedacht. „Die Annahmen, die da zugrunde liegen, sind leider nicht so wahrscheinlich“, sagte die SPD-Politikerin der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). „Vor allem wurde überschätzt, was die bisherigen Maßnahmen bewirken. Sie reichen schlicht nicht.“

Erst am vergangenen Mittwoch hatte die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzbericht 2017 eingeräumt, dass Deutschland voraussichtlich sein Ziel verfehlen wird, bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken. Derzeit scheinen nur 32 Prozent Ersparnis möglich.

Es könne „sogar noch schlimmer kommen“, sagte die Umweltministerin jetzt der Zeitung. Mittlerweile hätten viele andere Länder beim Klimaschutz aufgeholt. „Vorreiter waren wir mal, über viele Jahre“, sagte Schulze. „Aber wir sind zu lange stehen geblieben.“

Deutschland war jahrelang Vorbild

Mit dem Eingeständnis, dass Deutschland in Sachen Klimaschutz hinterherhinkt, eröffnete Schulze auch den Petersberger Klimadialog, den die Bundesregierung an diesem Montag und Dienstag veranstaltet. „Es ist bitter für mich, Ihnen sagen zu müssen, dass wir unsere selbstgesteckten Ziele für 2020 verfehlen werden“, sagte die Umweltministerin heute (18. Juni) vor Gästen aus China, Frankreich, Russland, den USA und rund 30 anderen Ländern. Beim Petersberger Klimadialog diskutieren Vertreter aus der ganzen Welt über die konkrete Umsetzung des Klimaabkommens von Paris und die Probleme im Klimaschutz.

Die Bundesrepublik galt jahrelang als Vorbild. 36 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne, das sei ein großer Erfolg, sagte Schulze zur Begrüßung. Um die Abkehr von der Kohle habe man sich aber „nicht im gleichen Maße“ gekümmert, räumt sie ein. „Weil es eben häufig schwieriger ist, sich vom Alten zu trennen als Neues aufzubauen.“ So ist Deutschland trotz seiner Energiewende noch immer ein Braunkohle-Land und auch der Verkehr stößt heute sogar mehr CO2 aus als 1990.

Viele Hoffnungen liegen deshalb auf der neu eingerichteten Kohlekommission, die Anfang Juni von der Bundesregierung offiziell eingesetzt wurde. Die Kommission besteht aus 31 Mitgliedern aus den Reihen der Wirtschaft, Gewerkschaften, Umweltverbände, Wissenschaft, Politik und betroffenen Regionen. Aufgabe der Kohlekommission ist es, bis Ende des Jahres ein Enddatum für die Stromproduktion aus Kohle in Deutschland sowie einen Ausstiegspfad vorzulegen. Dabei sollen Klimaschutz und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Regionen den gleichen Stellenwert einnehmen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte Anfang Juni, dass die Kohle „mit Sicherheit nicht kurzfristig ausgeknipst“ werde. Bei der Schaffung neuer Jobs müssen man „an den Qualifikationen und Traditionen“ der Regionen ansetzen, die industriell geprägt seien. Als Beispiel nannte er die Batteriezellen-Produktion.

Ausstieg aus der Kohle erst nach 2030?

Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber rief die Bundesregierung dazu auf, sich weiter für eine grenzüberschreitende Klimapolitik einzusetzen. „Genauso wichtig ist es allerdings, dass auch Deutschland selbst sich auf den Weg in eine saubere Zukunft macht. Dazu gehört ein rascher Ausstieg aus der Kohle“, sagte der Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung der „Rheinischen Post“ (Montag).

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung kann aus Sicht des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) aber nicht schon bis 2030 erreicht werden. Es sei ausgeschlossen, den Energiebedarf der stromintensiven Betriebe – etwa der Chemie-, Stahl- und Aluminiumindustrie – bis dahin durch Wind und Sonne zu decken, sagte Laschet der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.

Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte für den Braunkohletagebau Garzweiler II Abbaugenehmigungen bis 2045 erteilt. „Ich glaube, es wird länger sein als 2030, aber vielleicht kürzer als 2045“, sagte Laschet zum Ausstiegskorridor. Die EU hat bis 2030 ambitionierte Ziele für einen geringeren Ausstoß von Treibhausgasen vorgegeben. Energiesicherheit und Klimaschutzziele müssten parallel gewährleistet werden, sagte Laschet.

 

© 320°/dpa | 18.06.2018

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