Bilanz für 2016

Der Naturschutzbund NABU lässt kein gutes Haar an der deutschen Abfallpolitik. Das Wertstoffgesetz: Exemplarisch für eine verfehlte Abfallpolitik. Die Gewerbeabfallverordnung: Mehr Ausnahmen als Regeln. Die Bioabfallverordnung: wird nicht korrekt vollzogen. Alles in allem, so der NABU: Ein Jahr verpasster Chancen.

NABU kritisiert „verfehlte Abfallpolitik“


Die abfallpolitische Bilanz des NABU für 2016 fällt wenig positiv aus. Bei vielen Gesetzesinitiativen klaffen nach Ansicht des Umweltverbands Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Der hohe Anspruch der politischen Programme und Strategien sei zwar begrüßenswert, doch die Bundesregierung setze keine klaren rechtlichen Rahmenbedingungen, die aus der linearen Wirtschaft herausführen könnten.

Mit dem Wertstoffgesetz, der Gewerbeabfallverordnung und der Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes seien wichtige Entscheidungen angestanden, die eine Ressourcenwende hätten einleiten können, so der NABU. „Doch wer die vorgestellten Rechtsentwürfe liest, stellt fest: Die Vermeidung von Abfällen und die Vorbereitung zur Wiederverwendung sind Fremdworte für die Regierung; moderate inputbasierte Recyclingquoten und die thermische Verwertung zählen weiterhin zu den Geboten der Stunde.“

Kein Innovationsdruck durch Verpackungsgesetz

Exemplarisch für eine verfehlte Abfallpolitik ist aus Sicht des NABU das Ringen um das Wertstoffgesetz. So sei im Zuge der siebenjährigen Debatte eine Mindesterfassungsmenge (ursprünglich: 25 kg pro Einwohner in jedem Bundesland) gestrichen worden. Diese hätte gerade in Regionen mit schlechten Sammelerfolgen Anreize schaffen können, Sekundärrohstoffe zu erzeugen.

Kritisch sieht der Umweltverband auch die höheren Recyclingquoten. Diese seien über die letzten Monate so aufgeweicht worden, „dass sie kaum noch wirklichen Innovationsdruck ausüben werden“. Um ein stärkeres Umdenken auch der Hersteller hin zu einem recyclingfreundlichen Produktionsprozess zu gewährleisten, waren ursprünglich höhere Quoten vorgeschlagen, die dynamisch gestaltet werden sollten. Sie seien alle auf der Strecke geblieben, bedauert der NABU.

Was außerdem fehle, seien wirtschaftliche Anreize für eine bessere Recyclingqualität und den Einsatz von Recyclaten. „Der aktuelle Plan der Bundesregierung, die dualen Systeme darum wetteifern zu lassen, wer seine Lizenzentgelte möglichst ökologisch gestaltet, ist zum Scheitern verurteilt“, meint der NABU. „Wenn jedes einzelne System nicht-standardisierte Kriterien anlegen darf, die entsprechend schlecht kontrolliert werden können, bringt das dem Gesamtsystem nichts. Ein Bonus-Malus-Mechanismus, in den alle Inverkehrbringer von Verpackungen einzahlen müssen und von dem die Produzenten von „guten“ Verpackungen inklusive Recyclateinsatz profitieren wäre die bessere Alternative.“

Schließlich kritisiert der NABU auch die Pläne zur Schaffung einer Zentralen Stelle. Die Kontrolle der Lizenzierungs-, Sammlungs- und Verwertungsmengen von Wertstoffen sollte nicht bei Herstellern und Handel liegen. Deren Interesse liege nicht vorrangig in der Vermeidung von Abfällen geschweige denn in besseren Verwertungssystemen, sondern allein in der Schließung von Schlupflöchern beim Finanzierungssystem der erweiterten Produzentenverantwortung, so der NABU. „Die Zentrale Stelle sollte daher an eine staatliche Behörde angedockt werden, die unabhängig kontrolliert und vor allen Dingen transparente und nachvollziehbare Daten der Allgemeinheit zur Verfügung stellt.“

Gewerbeabfallverordnung: Mehr Ausnahmen als Regeln

Unzureichend sei auch der Kabinettsentwurf zur Novelle der Gewerbeabfallverordnung, der Ende des Jahres veröffentlicht wurde. Das Umweltbundesamt hatte ermittelt, dass 2,4 Millionen Tonnen gewerbliche Abfälle zusätzlich der stofflichen Verwertung zugeführt werden könnten. „Doch der aktuelle Entwurf der Gewerbeabfallverordnung zeigt, dass die Bundesregierung nicht plant, ihre selbst gesteckten Ziele des Ressourcenschutzes ernst zu nehmen. Sie wären technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar, was die Finanzierungsmechanismen bei der Entsorgung von Privathaushalten zeigen.“

Besonders kritisiert der Umweltverband, dass Privathaushalte ihren Müll zwingend getrennt sammeln müssten, während es für Unternehmen zahlreiche, aber nicht nachvollziehbare Ausnahmeregelungen gebe. Den Nachweis für diese Ausnahmen müssten Gewerbetreibende erst auf Anfrage der Behörden vorlegen.

Der NABU fordert deshalb die Streichung der Ausnahmeregelungen wie technische Machbarkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit mindestens für diejenigen Abfallströme, die auch in privaten Haushalten getrennt werden. Gewerbetreibende müssten unaufgefordert klar definierte strenge Nachweise liefern, wenn sie von der Getrenntsammlungspflicht befreit werden wollen.

Elektroaltgeräte: Handelsrücknahme weist Mängel auf

Wenig besser fällt das Fazit für das ElektroG aus. Die Novelle sei zwar erst 2015 verabschiedet worden, doch bereits 2016 offenbarten sich viele „offene Baustellen“. Das größte Sorgenkind sei die Rücknahme durch den Handel. Obwohl stationäre und Online-Händler seit Ende Juli 2016 Altgeräte zurücknehmen müssten, „drückt sich der Handel großteils vor seiner Verantwortung“.

Entweder seien Informationen zur Rücknahme für die Kunden nur schwer zu finden oder die Rücknahme werde nur mit einem hohen Aufwand für die Verbraucher umgesetzt. Um den alltäglichen Vollzug zu gewährleisten, müssten die zuständigen Abfallbehörden ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen, so der NABU. Nötig sei, das ElektroG nochmals zu novellieren. Dabei müsste sichergestellt werden, dass

  • Händler, die sich der Rücknahme von Altgeräten verweigern oder diese unnötig erschweren, mit Sanktionen und Bußgeldern belegt werden
  • Händler eine klar definierte Pflicht haben, ihre Kunden transparent und auffällig über die Rücknahmemöglichkeiten zu informieren
  • Altgeräte unabhängig von ihrer Größe bei den Großhändlern kostenlos zurückgegeben werden können
  • auch der Lebensmittelhandel, der Elektrogeräte veräußert, zur Rücknahme von Altgeräten verpflichtet wird

Sperrmüllverordnung und Biomüll

Der NABU begrüßt zwar, dass die Heizwertklausel aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz gestrichen wird, doch das reicht aus seiner Sicht nicht aus. Ohne konkrete Vorgaben sei zu befürchten, dass Sperrmüll weiterhin mehrheitlich den Weg in die Verbrennung findet. Der NABU fordert daher eine eigene Verordnung für die rund 2,5 Millionen Jahrestonnen Sperrmüll. Diese soll klare Behandlungsvorgaben vor allem für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und eine bürgerfreundliche Sammelstruktur machen. Gleichzeitig soll sie Recyclingquoten für die Wertstoffe im Müll vorgeben und die Verbrennung unbehandelten Sperrmülls verbieten.

Beim Thema Bioabfall sieht der Umweltverband ebenfalls Handlungsbedarf. Seit dem 1. Januar 2015 ist im Kreislaufwirtschaftsgesetz die Getrenntsammlung von Bioabfällen vorgeschrieben. Jedoch weigere sich Ende 2016 noch mehr als jeder zehnte Landkreis, dieses Gesetz in die Praxis umzusetzen, bemängelt der NABU.

Die meisten Kommunen rechtfertigten ihre ablehnende Haltung mit zu hohen Kosten oder einem hohen Grad an Eigenkompostierern. Diese Argumente lasse das Gesetz aber nur in ganz wenigen Ausnahmefällen gelten. „Die erwartbaren höheren Sammelmengen, die der Vergärung oder der Kompostierung zugeführt werden, rechtfertigen einen höheren logistischen Aufwand und auch in ländlichen Regionen mit großen Gärten finden sich im Restmüll nach wie vor ein sehr hoher Anteil an Speiseresten und Bioabfällen“, betont der NABU.

Der Verband verweist auf Studien, wonach rund neun Millionen Tonnen Bioabfall erfasst und als Gas oder Kompost verwertet werden könnten. Aktuell näherten sich die Städte und Landkreise aber erst der Marke von fünf Millionen Tonnen. Das liege auch daran, dass die zuständigen übergeordneten Behörden den praktischen Vollzug nicht einfordern.

„Nur wenige Landesumweltminister und Regierungsbezirke scheinen sich mit Landräten und Bürgermeistern anlegen zu wollen, wenn es um den Anschluss der Haushalte an eine Biotonnensammlung geht“, so der NABU. „Umweltpolitisch ist dies ein Armutszeugnis und es bedarf es einer dringenden Kehrtwende in den Ländern, damit geltendes Recht endlich vollzogen wird.“

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