Rückläufige Exporterwartungen

Die Zahl der Handelskonflikte und Krisen nimmt weltweit zu. Für die exportstarke deutsche Wirtschaft birgt das enorme Risiken. Ist das der Beginn einer Trendwende? Die ersten Konjunkturprognosen werden bereits gesenkt.

Konjunktur-Aufschwung droht zu kippen


Nach neun Jahren wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland mehren sich die Anzeichen für eine mögliche Trendwende. Grund sind vor allem die zunehmenden Handelskonflikte und die damit verbundenen globalen Unsicherheiten. Eine weitere Eskalation von Handelsspannungen könnte das Wirtschaftswachstum deutlich bremsen, meint der kommissarische Chefvolkswirt der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), Alvaro Santos Pereira.

Angesichts der zunehmenden Risiken hat die OECD aktuell die Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft nach unten korrigiert. Sie rechnet nun mit einem Wachstum von je 2,1 Prozent in diesem und im kommenden Jahr. Im März hatten die Experten für dieses Jahr noch ein Plus von 2,4 Prozent erwartet, für 2019 war sie damals von 2,2 Prozent ausgegangen.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat seine Prognose zurückgeschraubt. Der Wirtschaftsverband hat heute bekanntgegeben, dass er für 2018 ein Wachstum der deutschen Wirtschaft von 2,2 Prozent erwartet. Bislang war der DIHK von 2,7 Prozent ausgegangen.

„Aus dem Ausland kommen zunehmend Misstöne, die Unsicherheit wächst“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Der internationale Handel schleppe sich dahin. Dazu kämen handelspolitische Konflikte wie der zwischen den USA und der EU. Die Exporterwartungen der Unternehmen trübten sich ein.

Nach neun Jahren Aufschwung könne es eine Wende in der Entwicklung geben, sagte Wansleben. „Wir befürchten das ein bisschen.“ Auch die führenden Forschungsinstitute hatten zuletzt erklärt, die Risiken für die deutsche Wirtschaft nähmen zu.


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Riesiger Schuldenberg in Italien

Große Sorgen bereitet dem DIHK auch die Regierungskrise in Italien. „Hier steht viel auf dem Spiel“, sagte Wansleben. Angesichts der Größe der italienischen Volkswirtschaft wäre eine Staatskrise wie in Griechenland für die Eurozone finanziell nicht zu stemmen.

Italien lebt mit einem riesigen Schuldenberg von 2,3 Billionen Euro (2017), dem höchsten aller Euroländer. Das entspricht fast 132 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Schlimmer ist die Lage nur in Griechenland (knapp 179 Prozent). Erlaubt sind nach dem EU-Regelwerk für die Währungsunion eigentlich nur 60 Prozent.

Schulden in dieser Höhe können zu einem echten Problem werden, wenn die Zinsen dafür drastisch steigen. So musste Rom am Mittwoch für neue Anleihen eine erheblich höhere Verzinsung akzeptieren – für fünfjährige Anleihen zum Beispiel gut 2,3 Prozent statt zuvor knapp 0,6 Prozent. Würde dieser Trend anhalten, könnte sich Italien auf Dauer nicht mehr zu auskömmlichen Bedingungen frisches Geld leihen. Ähnlich stellte sich die Lage vor einigen Jahren in Griechenland dar, als das Land angesichts dramatisch gestiegener Anleihezinsen im Jahr 2010 unter einen internationalen Rettungsschirm schlüpfte.

Eine vergleichbare Hilfsaktion für das viel größere Italien gilt aber als unmöglich, weil dafür die Mittel des Rettungsfonds ESM nicht ausreichen würden. Und sollte Italien tatsächlich Schulden nicht mehr bedienen können, bekämen etliche Banken ein Riesenproblem. Denn viele Banken, vor allem in Italien, haben in großem Umfang italienische Staatsanleihen in den Büchern.

Strafzölle für EU?

Ein weiterer Konfliktherd ist der schwelende Zollstreit zwischen der EU und den USA. Ein Krisengespräch zwischen EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und US-Handelsminister Wilbur Ross am heutigen Nachmittag in Paris hat keinen Durchbruch gebracht. „Es ist jetzt am Präsidenten der Vereinigten Staaten, eine Entscheidung zu treffen“, teilte eine Sprecherin von Malmström nach dem Treffen mit. Man werde nicht spekulieren, wie diese am Ende ausfallen werde.

Das derzeitige EU-Kompromissangebot im Handelskonflikt sieht vor, Verhandlungen über Handelserleichterungen für US-Unternehmen zu beginnen, wenn es im Gegenzug eine dauerhafte Ausnahmeregelung für die EU bei den neuen US-Sonderzöllen auf Stahl und Aluminium gibt. EU-Unternehmen sind derzeit davon noch ausgenommen. Die entsprechende Sonderregelung läuft allerdings am Freitag aus und soll nach Angaben aus Washington nur dann verlängert werden, wenn es konkrete Zugeständnisse der EU gibt.

Die EU will sich allerdings nicht erpressen lassen. Sie hat für den Fall, dass die Ausnahmeregelung ausläuft, bereits die Einführung von Vergeltungszölle auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder oder Jeans vorbereitet.

EU-Kommissarin Malmström hatte am Dienstag im Europaparlament erklärt, dass die EU realistischerweise wohl nicht damit rechnen könne, von US-Sonderzöllen oder Einfuhrquoten ausgenommen zu bleiben. „Selbst wenn die USA entscheiden sollten, auf Zölle zu verzichten, erwarte ich nichtsdestotrotz, dass sie irgendeine Art von Obergrenzen für EU-Exporte verhängen werden“, sagte sie.


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Drohende Eskalation im USA-China-Streit

Hinzu kommt auch noch der Handelsstreit zwischen China und den USA. Hier ist eine Einigung wieder in weite Ferne gerückt, nachdem US-Präsident Donald Trump angekündigt hatte, seine Pläne milliardenschwerer Strafzölle gegen China ungeachtet der jüngsten Verhandlungen fortzusetzen.

„Was auch immer die Vereinigten Staaten unternehmen, China hat die Fähigkeit und die Erfahrung, die Interessen der Chinesen und die Kerninteressen des Landes zu verteidigen“, teilte das Pekinger Handelsministerium mit. Die Ankündigung der USA widerspreche der Vereinbarung, die beide Seiten zuvor in Washington erreicht hätten. Die Chinesen sprachen von einer „taktischen Erklärung“ des Weißen Hauses.

In China tätige US-Firmen warnten derweil vor den Folgen einer Eskalation des Handelsstreits. Es bestünden ernsthafte Bedenken, „dass die Spannungen zu einem Handelskrieg mit Vergeltungsmaßnahmen von beiden Seiten eskalieren werden“, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Weißbuch der amerikanischen Handelskammer in Peking. Ein anhaltender Streit würde „möglicherweise zu einer weiteren Verschlechterung der bilateralen Beziehungen einschließlich der Handelsbeziehungen führen“.

Die USA hatten am Dienstag erklärt, am 15. Juni werde eine Liste chinesischer Produkte veröffentlicht, die mit Zöllen im Gegenwert von insgesamt 50 Milliarden US-Dollar belegt werden sollten. „Kurz danach“ sollten zusätzlich Zölle in Höhe von 25 Milliarden verhängt werden. Die Zölle waren ursprünglich im März bekanntgegeben worden.

Am kommenden Wochenende wird eine US-Delegation unter Führung von Handelsminister Wilbur Ross in Peking erwartet, um die Verhandlungen im Handelsstreit der beiden größten Volkswirtschaften fortzusetzen. Dieser Streit ist für die USA auch deswegen heikel, weil Washington im Atomstreit mit Nordkorea auf die Hilfe Pekings angewiesen ist.

 

© 320°/dpa | 30.05.2018

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