Gerichtsurteil

Vor vier Jahren hat der Landkreis Böblingen einem Privatunternehmen die gewerbliche Sammlung von Alttextilien untersagt – zu Unrecht, wie das Verwaltungsgericht Stuttgart jetzt entschieden hat.

Kreis Böblingen verliert Altkleider-Streit gegen gewerblichen Sammler


Ein gewerblicher Altkleidersammler aus dem Landkreis Böblingen darf dort weiterhin tätig werden. Die Untersagungsverfügung, die das Landratsamt Böblingen im Jahr 2013 gegen ihn ausgesprochen hatte, ist rechtswidrig. Zu diesem Schluss ist das Verwaltungsgericht Stuttgart in einer mündlichen Verhandlung am vergangenen Freitag (27. April) gekommen.

Laut Verwaltungsgericht steht die gewerbliche Sammlung dem überwiegenden öffentlichen Interesse nicht entgegen. „Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist nicht festzustellen“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Das schriftliche Urteil steht noch aus.

Wie aus der Mitteilung weiter hervorgeht, verstößt die Untersagungsverfügung des Landratsamts gegen Europarecht. Das Landratsamt hatte in der Untersagung darauf hingewiesen, dass dem kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb aufgrund der Überlassungspflicht das gesamte potenzielle Sammelaufkommen zustehe. „Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger genießt mit der Aufnahme seiner Sammeltätigkeit gerade keinen absoluten Schutz vor jedweder Konkurrenz durch gewerbliche Sammler, sondern muss sich selbst am Markt behaupten“, begründetet das Verwaltungsgericht seine Entscheidung.

Sammelmenge des kommunalen Betriebs ist gestiegen

In der Entscheidung stützte sich das Gericht auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016. Damals wurde entschieden, dass ein öffentlich-rechtlicher Entsorger nur dann vor Einbußen in der Entsorgung geschützt ist, wenn diese – vereinfacht gesagt – tatsächlich zurückgehen würden.

Von einem solchen Rückgang könne aber keine Rede sein, so das Gericht. Denn der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises hat die Sammlung von Alttextilien seit dem Einstieg im Jahr 2013 von rund 1.200 auf rund 1.800 Tonnen im vergangenen Jahr gesteigert – und das trotz der parallel durchgeführten gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen.

Der Rechtsstreit zwischen den beiden Partien zieht sich schon seit Jahren hin. Im Februar 2013 hatte das Landratsamt Böblingen die Sammlung untersagt. Gegen diese Verfügung erhob das private Unternehmen Widerspruch und beantragte beim Verwaltungsgericht Stuttgart Eilrechtsschutz – dem Antrag wurde im Mai 2013 stattgegeben. Vier Monate später bestätigte der Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg diese Entscheidung.

Da aber das Regierungspräsidium in Stuttgart im Dezember 2014 die Klage des privaten Sammlers als unbegründet zurückwies, klagte dieser Anfang 2015 vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Dieses fällt nun das Urteil zugunsten des privaten Unternehmens. Wegen „der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ hat das Gericht jedoch die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim zugelassen.

© 320°/ek | 02.05.2017

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