Rohstoffkrise lässt Kunststoffpreise kalt

Steigt oder fällt der Ölpreis, so folgt auch der Kunststoffpreis. So war es jahrelang - bis heute. Denn trotz fallender Ölpreise und Finanzkrise halten sich die Kunststoffpreise auf hohem Niveau. Sehr zur Freude der Kunststoffrecycler.

Krise? Welche Krise?


Der vergangene Montag war wieder ein schwarzer Tag für die Ölkonzerne. Erneut rutschte der Ölpreis unter die Marke von 50 US-Dollar. Damit setzte sich fort, was vor knapp einem Jahr begann: der stetige Abwärtstrend der Ölpreise, der im Februar dieses Jahres einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht hatte. Damals erlöste das Barrel (159) der Nordseesorte Brent nur noch 48 US-Dollar. So niedrig war der Ölpreis zuletzt im Jahr 2009 im Zuge der Weltwirtschaftskrise.

statistic_id1331_monatsdurchschnittspreise-der-rohoelsorte-uk-brent-bis-juli-2015Eine Trendwende ist vorerst nicht in Sicht. Analysten rechnen eher damit, dass es kurzfristig aufgrund des Überangebots noch weiter bergab geht. Vor allem wegen der gestiegenen Fördermengen in den USA ist der Markt mit Rohöl überschwemmt. Und Saudi-Arabien, der weltweit größte Ölproduzent, denkt gar nicht daran, seine Produktion zu drosseln.

Erschwerend kommen die schlechten Konjunkturdaten aus China hinzu, die die Verunsicherung auf den Rohstoffmärkten verstärken – mit weiteren Folgen für die Preise. Die Industriemetalle etwa verzeichnen drastische Einbußen, ebenso wie die Altmetalle. Auch die Börsenkurse mussten herbe Einbußen hinnehmen. Nur nicht bei den Kunststoffen. Ihre Preise bewegen schon seit längerer Zeit auf einem vergleichsweise hohen Niveau – sowohl für Neu- als auch für Recyclingware. Weder der niedrige Ölpreis noch die Wirtschaftsflaute im Reich der Mitte konnten sie aus der Bahn werfen.

Alte Regel überholt

Sinkt der Ölpreis, fallen die Kunststoffpreise – es sieht ganz so aus, als wenn diese alte Regel, die über Jahrzehnte galt, überholt ist. Zwar werden die allermeisten Kunststoffe immer noch auf Basis von Erdöl produziert, doch ihr Preis hat sich von dem des Öls entkoppelt.

Das zeigt sich, wenn man die Preisentwicklung im vergangenen Jahr betrachtet. So erzielte die Tonne Polyethylen (PE) laut Branchendienst „Kunststoff Information“ (KI) im August dieses Jahres zwischen 1.630 Euro für HD Spritzgussqualitäten und 1.735 Euro für LLD (C6) Folienqualitäten. Das sind im Durchschnitt 90 Euro mehr als im August 2014. Öl dagegen hat im gleichen Zeitraum rund die Hälfte seines Wertes verloren.

statistic_id400196_herstellung-von-kunststoffen-in-deutschland---umsatzprognose-bis-2020Der Grund für diese fast schon historische Zäsur liegt unter anderem in der Wirtschaft in Mittel- und Nordeuropa verborgen, glaubt Michael Scriba. „Sie brummt und die Kunststoffindustrie profitiert davon“, sagt der Geschäftsführer des Recycling-Unternehmens mtm plastics in Thüringen.

Force Majeure drosseln Angebot

Scriba beobachtet den Markt genau und hat noch einen zweiten Faktor für die anhaltend hohen Notierungen ausgemacht: so genannte „Force Majeure“ (FM). Dabei handelt es sich um Lieferausfälle durch „höhere Gewalt“. Zuletzt zum Beispiel Mitte August, als es in einer Fabrik des tschechischen Petrochemie-Konzerns Unipetrol in Litvinov zu einer Explosion kam. Die Produktion für PE und PP steht dort seitdem still.

Vorfälle dieser Art haben sich in den vergangenen Monaten gehäuft. Sie führen zu einer Verknappung des Angebots und damit zu stabileren Preisen. Der Gesamtverband der Kunststoffverarbeitenden Industrie (GKV) zählt in diesem Jahr schon über 50 Meldungen von „Force Majeure“. GKV-Hauptgeschäftsführer Oliver Möllenstädt spricht von einer „ungewöhnlich hohen Zahl“. Dabei sei die Ursache für „Force Majeure“ nicht immer so nachvollziehbar wie im Fall von Litvinov. „Manchmal werden die Gründe gar nicht bekannt gegeben“, kritisiert Möllenstädt fehlende Transparenz bei den Kunststofferzeugern.

Recycler profitieren

Von den Engpässen, die durch „FM“ entstehen, profitieren die Recycler indirekt. Die Preise, die sie für ihre Regranulate verlangen, orientieren sich an den Primärkunststoffen. Das heißt: Auch sie trotzen der Ölpreiskrise und liegen auf einem hohen Niveau.

Die Preise des Branchendienstes KI bestätigen das. Demnach notierte die Tonne RE PE-LD Folienqualitäten zuletzt zwischen 825 Euro (dunkel) und 1.120 Euro (natur). Die Jahresmittelwerte für 2015 sind bislang ähnlich hoch und versprechen bis auf Weiteres hohe Umsätze.

Auch nicht nur die Umsätze sind gut, auch die Margen scheinen auskömmlich zu sein. „Ich will nicht klagen“, sagt Scriba. Und möglicherweise wird sich die Marge noch verbessern. Denn die schwächelnde Wirtschaft in China hat den Export von Kunststoffabfällen aus Europa deutlich gedrosselt. Folglich steht für den deutschen Markt mehr Material zur Verfügung.

„Das Angebot von Altkunststoffen nimmt zu“, bestätigt der Geschäftsführer von mtm plastics. Die Inputpreise für Kunststoffrecycler könnten also tendenziell fallen – und die Marge zunehmen. Doch noch ist es nicht soweit. Bislang habe sich diese Entwicklung nicht auf die Altkunststoffpreise ausgewirkt. „Sie geben nicht nach“, sagt Scriba und ergänzt: „Noch nicht.“

 

320°/mb

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