Gefährlicher Abfall?

Einige Länderbehörden stufen Metallspäne, die mit Kühlschmierstoffen behaftet sind, noch immer pauschal als gefährlichen Abfall ein. Eine solche Einstufung sei rechtswidrig, argumentiert ein Anwalt. Unterstützung bekommt er vom BMU.

KSS-behaftete Metallspäne: Behörden handeln rechtswidrig


Der Fall scheint eigentlich klar: Eine pauschale Einstufung von mit Kühlschmierstoffen behafteten Metallspänen als gefährlicher Abfall ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen bereits vor gut einem Jahr entschieden. Aber immer noch halten einige Länderbehörden an dieser Einstufung fest.

Erst im Februar noch hat das Bayerische Landesamt für Umwelt entsprechende Einstufungshinweise herausgegeben. Demnach will Bayern mit Kühlschmierstoffen (KSS) behaftete Metallspäne pauschal als absolut gefährlichen Abfall mit dem Abfallschlüssel 18 01 18* gemäß dem EU-Abfallverzeichnis einstufen. Unter diesen Abfallschlüssel fallen ölhaltige Metallschlämme wie Schleif-, Hon- und Läppschlämme. Die Behörde begründet diesen Schritt mit Tropfverlusten von KSS, die auftreten könnten.

Eine pauschale Einstufung von KSS-behafteten Metallspänen als absolut gefährlicher Abfall aber sei rechtswidrig, meint die Essener Anwaltskanzlei Heinemann & Partner. „Richtigerweise sind Metallspäne, auch wenn sie KSS-Anhaftungen aufweisen, den Abfallschlüsseln aus der Gruppe 12 01 gemäß dem AVV-Abfallverzeichnis zuzuordnen“, wie Rechtsanwalt Gregor Franßen erklärt. Diese Gruppe umfasst Abfälle aus Prozessen der mechanischen Formgebung sowie der physikalischen und mechanischen Oberflächenbearbeitung von Metallen.

Metallspäne sind nicht gefährlicher Abfall

Die Einstufung der Metallspäne in einen der vier Abfallschlüssel der Gruppe 12 01 begründet Franßen damit, dass die Metallspäne der weitaus größte Bestandteil des Abfallgemischs sind. „Darüber hinaus dient die Herstellung der Fraktion der KSS-behafteten Metallspäne der weiteren Aufbereitung der Metallspäne zum Zwecke ihrer Rezyklierung in den Herstellungsprozessen von Metallerzeugnissen.“

„Aufgrund ihrer Einstufung mit einem der Abfallschlüssel 12 01 01 bis 12 01 04 sind KSS-behaftete Metallspäne grundsätzlich als nicht gefährliche Abfälle einzustufen“, argumentiert der auf Abfallwirtschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwalt. Er räumt aber ein, dass sie im Einzelfall durchaus ein gefährlicher Abfall sein können. Dann aber müsse eine Einzelfall-Bewertung ergeben, dass den Metallspänen dermaßen viel KSS anhafte, dass das gesamte Abfallgemisch eine Gefahreneigenschaft aufweise.

Das Bundesumweltministerium (BMU) scheint die Ansicht der Rechtsanwälte und des VG Sigmaringen zu teilen und sich einmischen zu wollen. „Ministerialdirektor Helge Wendenburg hat zugesagt, als BMU über den LAGA-Ausschuss für Abfallrecht auf eine Korrektur der fehlerhaften Einstufungsversuche der Länder im Ausschuss für Abfalltechnik hinzuwirken“, erklärt Rechtsanwalt Franßen gegenüber 320°. Diese Zusage habe Wendenburg auf dem Düsseldorfer Abfallrechtstag gemacht.


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  • Neben der sogenannten Trockenbearbeitung werden in vielen Zerspanungsprozessen unterschiedliche Arten und Mengen von Kühlschmiermitteln oder -stoffen (KSS) eingesetzt.
  • In der Fertigungstechnik dienen KSS beim Bearbeiten von Werkstücken auf einer Maschine der Wärmeabfuhr und der Verminderung der Reibung zwischen Werkstück und Werkzeug durch Schmierung. KSS spülen aber auch bei einigen Zerspanungsprozessen die bei der Oberflächenbearbeitung entstehenden Metallspäne aus dem Arbeitsfeld ab. Dank ihnen werden laut VDMA also sowohl Werkstück als auch Werkzeug geschont. Aber auch die Oberflächengüte des Werkstücks sei besser.
  • Je nach Fertigungsprozess kommen die bei der Bearbeitung anfallenden Späne mit verschiedenen KSS in unterschiedlichen Mengen in Kontakt. Nach der Bearbeitung muss der Abfallerzeuger die Späne allerdings vorbehandeln, sodass weder bei der Lagerung/Bereitstellung zur Abholung auf dem Betriebsgelände noch beim Transport die KSS-Anhaftungen unkontrolliert abtropfen können. Das könne beispielsweise durch Schleudern erfolgen, wie der VDMA erklärt.

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VDMA: Metallspäne sind Wirtschaftsgut

Das Gezerre um KSS-behaftete Metallspäne dauert bereits seit einigen Jahren an. Bereits im Jahr 2015 hatten einige Behörden in Bayern aber auch in Baden-Württemberg die Einstufung dieser Metallspäne als gefährlicher Abfall gefordert. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sah das schon damals anders. Der VDMA hatte sich denn auch deutlich positioniert und diese Metallspäne zum „Wirtschaftsgut“ erklärt.

„Die bei der Bearbeitung von Metallen und Werkstücken anfallenden Metallspäne sind, auch wenn ihnen gelegentlich Öle oder Kühlschmierstoffe anhaften, kein gefährlicher Abfall“, wie Hartmut Bauer, Vorsitzender des VDMA-Ausschusses Umweltpolitik, zu dem Zeitpunkt betonte. „Eine Einstufung als gefährlicher Abfall ist bei einem sachgerechten Umgang mit solchen Spänen nicht gerechtfertigt.“

Seine Begründung: Durch die in vielen Betrieben übliche Vorbehandlung würden die Späne quasi tropffrei an die Entsorger übergeben. Sie könnten somit als wichtiger Rohstoff erneut in den Produktionsprozess eingespeist werden. Von daher hatte der VDMA den Ende 2014 veröffentlichten Leitfaden für den umweltgerechten Umgang mit Metallspänen auch voll mitgetragen. Dieser Leitfaden stammte aus der Feder einiger Verbände aus der Recycling- und der Metallverwertungsbranche.

 

© 320° | 13.06.2018

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