Fremdstoffe im Biomüll

Kunststoffabfälle im Biomüll landen als kleine Fetzen auf dem Acker. Dort werden sie Jahr für Jahr mehr. Mit der flächendeckenden Einführung der Biotonne dürfte sich das Problem der Fremdstoffe noch verschärfen, erwarten Experten.

Kunststoffreste auf dem Acker


Neu ist das Thema nicht, aber durch die flächendeckende Einführung der Biotonne bekommt die Problematik eine neue Aktualität. Immer wieder wird in der Recyclingbranche geklagt, dass die Bürger neben Küchenresten und Grünschnitt auch viel zu häufig andere Stoffe in ihre Biotonne werfen. Vor allem die schwer abtrennbaren Kunststoffe bleiben teilweise auch über den ganzen Behandlungsweg im Bioabfall und landen über den Kompost in kleinteiligen Fetzen auf Äckern und in Gärten.

Wie hoch der Fremdstoffanteil in der Biotonne ist, lässt sich im Bundesdurchschnitt schwer sagen. „In der Stadt können das schon mal bis zu zehn Prozent sein“, sagt Micheal Kern, Geschäftsführer des Witzenhausen-Instituts. „Im ländlichen Bereich sind es hingegen oft nur um die zwei Prozent.“ Der Schwankungsbereich sei extrem hoch. Dabei zählen aber nicht nur Kunststoffe zu den störenden Beimischungen. Auch Metalle, Glas oder Steine sowie Papier würde immer wieder in die Biotonne geworfen. „Letzteres würde ich aber mehr als Bei- denn als Störstoff bezeichnen“, sagt Kern. „Papier ist kein Problem, die Kunststoffe schon.“

Auch in der benachbarten Schweiz wird das Problem mit den Kunststoffstücken thematisiert. Der Zeitung Tagesanzeiger sagt ein Landwirt, dass er aus 25 Tonnen Kompost einen 30-Liter-Sack mit PET und Plastikteilchen gesammelt habe. Bei einer einmaligen Düngung wäre das Problem nicht hoch, doch gerade auf Äckern bleiben bei jeder Düngung Fetzen liegen und werden Jahr für Jahr mehr.

„Guter Kompost geht dann verloren“

In Deutschland legen die Qualitätskriterien der Bundesgütegemeinschaft Kompost fest, dass der Anteil an Fremdstoffen, insbesondere Glas, Kunststoff und Metall mit einem Siebdurchgang von mehr als 2 Millimetern einen Höchstwert von 0,5 Prozent, bezogen auf die Trockenmasse des aufzubringenden Materials nicht überschreiten darf. Dieser Wert soll aber durch die Änderung der Düngemittelverordnung massiv verschärft werden: Künftig soll für Altpapier, Karton, Glas und Metall ein Summengrenzwert von 0,4 Prozent gelten. Für Kunststoffe soll die Obergrenze bei 0,1 Prozent liegen. Kern sieht die Verschärfung wie viele Anwender skeptisch. Der strenge Wert würde dazu führen, dass ein Großteil des Komposts die Grenzwerte nicht einhalten würde und somit nicht mehr zu vermarkten sei.

Bio- und Grünabfallaufkommen in Deutschland nach Bundesland 2010Christian Niehaves, Geschäftsführer der Abfallwirtschaft Landkreis Osnabrück (AWIGO), hat zwar Verständnis für den Verordnungsgeber, fügt aber hinzu, dass es unmöglich sei, den Kompost komplett sauber zu halten. Allerdings betont er: „In unserem Kompost auf Grünabfall finden Sie keine Kunststoffe mehr.“ Das liege daran, dass der AWIGO-Kompost aus Grünabfall erzeugt wird. Grünabfall sei weniger anfällig für Kunststoffreste als Bioabfall, erklärt Niehaves. Denn der Großteil des Kunststoffs in der Biotonne sind Plastiktüten, die in den Haushalten zur Sammlung der Bioabfälle genutzt werden. Grünschnitt hingegen wird meist lose in der Tonne entsorgt.

Ist die Tüte erstmal in der Biotonne, ist es schwierig bis unmöglich, sie vollständig wieder abzutrennen. In Osnabrück läuft der grobe Abfall zunächst durch eine Sortierkabine, in der Mitarbeiter die Störstoffe per Hand rausholen müssen. Die Metalle können mit einem Windsichter abgetrennt werden, die Kunststoffe lösen sich dabei von dem pampigen Abfall jedoch nicht und gehen mit in den Vergärungsprozess. Theoretisch könnten die kleineren Kunststoffreste aus dem getrockneten Kompost ausgesiebt werden. Das Problem ist aber: Je feiner das Sieb ist, desto größer sind auch die Verluste beim Kompost. „Bei einem Schiebschnitt von zehn Millimetern entstehen 40 Prozent Überkornfraktion“, sagt Kern. „Dieser Teil lässt sich dann nicht mehr vermarkten und an sich guter Kompost geht einfach verloren.“

Aufklärungskampagnen für die Bürger

Ein wirkungsvolles Rezept gegen die Verschmutzung der Bioabfälle gibt es bisher nicht. Kern kann sich eine Art Müllsheriff vorstellen, der bei Verstoßen sanktioniert. Eine ähnliche Idee hat auch Niehaves. „Eine Möglichkeit wäre sicher, wenn die Müllwerker schon beim Einsammeln in die Tonne schauen und sie notfalls stehen lassen“, sagt der AWIGO-Chef. „Dabei gibt es aber zwei Probleme. Zum einen wird inzwischen viel mit Seitenladern gesammelt und da steht gar kein zweiter Mann mehr auf dem Fahrzeug – der Fahrer selbst kann nicht bei jeder Tonne aussteigen. Außerdem ist es arbeitsrechtlich sicher bedenklich, wenn ein Müllwerker in jede Biotonne schauen muss.“ Am wirkungsvollsten ist für den Niehaves die Aufklärung der Bevölkerung, damit die Plastiktüten erst gar nicht in die Biotonne geworfen werden.

Auch Kern plädiert dafür, in groß angelegten Aufklärungskampagnen den Bürgern zu erklären, wie sie Bioabfälle richtig sammeln können. „Viele wissen bis heute nicht, was überhaupt in die Tonne gehört“, sagt der Wissenschaftler. „Noch heute steht in manchen Satzungen, dass die Speiseabfälle nicht in die Biotonne geworfen werden dürfen. Bei den heutigen Vergärungsanlagen brauchen wir die aber dringend. Inzwischen haben die Restabfallvergärungsanlagen teilweise höhere Gaserträge als die Bioabfallvergärung, weil so viele hochwertige Abfälle im Restmüll landen. Aber das muss der Öffentlichkeit auch mal gesagt werden.“

Teil der Öffentlichkeitsarbeit muss laut Kern sein, dass die Bürger ihre Bioabfälle zu Hause in abbaubaren Biokunststoffsäcken sammeln. Sein Vorschlag: Schon die Hemdbeutelchen zum Einkauf von Lebensmitteln sollten biologisch abbaubar sein. „Dann können die Abfälle bequem in dem Sack gesammelt und mit ihm entsorgt werden“, sagt Kern. Bedenken, dass die Tüten dann fälschlicherweise im gelben Sack landen, hat er nicht. „Wenn wir das bundesweit und einheitlich etablieren, wird der Verbraucher das auch verstehen und akzeptieren.“ Auch bezüglich der Abbaubarkeit sieht er kein Problem. „Diesen ideologischen Krieg um biologisch abbaubare Plastiktüten führen wir nur in Deutschland. Viele Versuche haben gezeigt, dass nach fünf bis sechs Wochen das Material abgebaut war.“

Sowohl Kern als auch Niehaves befürchten, dass sich das Problem mit der flächendeckenden Biotonne noch verschärfen wird. „Bisher gibt es die Tonnen nur auf freiwilliger Basis“, sagt Kern. „Durch den Zwang kommt sicherlich auch ein Klientel dazu, das wenig zur Getrenntsammlung motiviert ist.“ Umso wichtiger sei es, die Einführung mit einer großen Kampagne zu begleiten.

© 320°/ek | 20.10.2014

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