Frauen in der Abfallentsorgung

Die Berliner Stadtreinigung wird weiblicher: 15 neue Müllwerkerinnen hat der größte kommunale Entsorger in Deutschlands eingestellt. Schon die Suche nach der weiblichen Verstärkung hatte für Aufregung gesorgt.

Männerdomäne fällt: BSR stellt Müllwerkerinnen ein


Können sie es oder sind sie zu schwach? Darüber, ob die körperlich anstrengende Arbeit eines Müllwerkers für Frauen zu belastend sei, scheiden sich schon länger die Geister. Während Frauen in anderen deutschen Städten wie Hamburg oder Frankfurt schon seit einigen Jahren tätig sind, suchte man in Berlin weibliche Müllwerker bisher vergeblich.

Sogar der Spiegel widmete den fehlenden Frauen bei der Berliner Müllabfuhr vor zwei Jahren einen Artikel und behauptete, der Zustand sei bewusst herbeigeführt. Die BSR wolle keine „Müllabfuhr light“, wurde damals ein Sprecher zitiert. Die Arbeitsbelastung sei für Frauen beim Vollservice zu hoch, hätten wissenschaftliche Studien ergeben. Außerdem würden sich ohnehin keine Frauen auf derartige Stellen bewerben.

Diese Einstellung hat die BSR inzwischen abgelegt und in den vergangenen Monaten explizit auch nach Müllwerkerinnen gesucht. Die Stellenausschreibung für 50 neue Stellen im Bereich Müllwerker und Kraftfahrer war mit einem Foto versehen, auf dem eine blonde Frau eine Mülltonne zieht. Diese arbeitet zwar im Unternehmen, aber nicht als Müllwerkerin, stellte der Tagesspiegel damals süffisant fest.

Verdi gibt sich kritisch

Für die Suche nach Frauen setzte sich im Vorfeld auch die Berliner Sozialwissenschaftlerin Jutta Allmendinger ein, die bei der BSR im Aufsichtsrat sitzt. Um zu beweisen, dass die Arbeit auch für Frauen zu schaffen ist, arbeitete sie einen Tag lang medienwirksam als Müllwerkerin mit. Ihr Fazit über die Arbeit?

„Ganz sicher können Frauen diese erledigen“, sagte sie. „Mag sein, dass rein weibliche Teams etwas langsamer wären. Im Gegensatz zu meinen Kumpels zog ich nie zwei Tonnen gleichzeitig, die sehr großen schaffte ich nicht. Beides ist in den Dienstanordnungen aber auch nicht vorgesehen“, so Allmendinger. Natürlich müssten Frauen in diesem Job anpacken, um respektiert zu werden. „Das tun sie aber auch in jedem anderen Job“, betont die Sozialwissenschaftlerin.

Zweifel meldete hingegen Ellen Naumann an. Sie ist bei der Gewerkschaft Verdi für die Abfallwirtschaft zuständig und glaubt laut Tagesspiegel, dass die Arbeit für Frauen kaum zu schaffen sei. „So wie die BSR derzeit arbeitet, kann ich mir das nicht vorstellen – die Männer schaffen es ja schon kaum“, wird sie zitiert. „Die 1.100-Liter-Tonne darf man offiziell nur zu zweit ziehen und von den Standardtonnen soll man nur eine nehmen, aber die Männer nehmen zwei davon, und eine große bewegt einer allein“.

Auf die BSR-Anzeige meldeten sich letztlich 1.284 Bewerber, wie BSR mitteilt. 84 davon waren Frauen – ein Anteil von etwas mehr als 6 Prozent. Ergattert haben den Job letztendlich prozentual wesentlich mehr weibliche Aspiranten: Mit 15 von 50 Stellen liegt der Frauenanteil bei den Einstellungen bei stolzen 30 Prozent.

BSR-Chefin spricht von einem Kulturwandel

Für die scheidende BSR-Chefin Tanja Wielgoß ist mit der Steigerung des Frauenanteils ein erster großer Schritt geschafft: Sie bezeichnet die weibliche Verstärkung als „Kulturwandel“.

„Ich bin mir aber, auch aus meinen vielen Gesprächen mit den Kollegen, sehr sicher, dass davon alle Beschäftigten profitieren. Schon jetzt merken wir, dass wir genauer hinschauen“, sagt die BSR-Chefin. Entsprechend stünden besonders schwierige Ladestellen noch mehr im Fokus. „Wir können uns vorstellen, dass das Verständnis bei Planern, Hauseigentümern und -verwaltern steigt, einen Standplatz in einem Keller zu überprüfen, wenn auch Frauen den Job machen.“

Auch die Wissenschaftssenatorin und BSR-Aufsichtsratsvorsitzende Ramona Pop freut sich, dass nun Frauen die Chance „auf faire Arbeitsbedingungen und tarifliche Entlohnung ergreifen“. In allen Branchen und Disziplinen würden Frauen benötigt, die sich aktiv einbringen und das Feld nicht den Männern überließen.

Wie viele Frauen mittlerweile in die Männerdomäne Müllwerker eingedrungen sind, lässt sich deutschlandweit nicht beziffern. Aber offenbar beginnt der Frauenanteil zu steigen, nicht zuletzt durch die Offensive der BSR.

Der Beruf Müllwerker ist der einzige mit einem verschwindend geringen Frauenanteil: Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbunds sind in Handwerksberufen wie Straßenbauer, Maurar oder Metallbauer jeweils weniger als 1 Prozent der Auszubildenden weiblich. Wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut WSI berechnet hat, zieht es die Frauen nach wie vor in Scharen ins Büro: Der mit Abstand beliebteste Ausbildungsberuf ist Bürokauffrau.

 

© 320° | 21.11.2018

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