Neue Bundesregierung

Seit Sonntag steht fest, dass es die Neuauflage der Großen Koalition geben wird. Damit rückt auch der Koalitionsvertrag wieder in den Mittelpunkt. Der Naturschutzbund Nabu sich die Passagen zur Kreislaufwirtschaft angesehen. Hier seine Bedenken und Kritikpunkte.

Kreislaufwirtschaft: Nabu fordert stärkeres Engagement


Nach fast sechs Monaten hat das Warten auf eine neue Regierung ein Ende. Am 14. März stellt sich Kanzlerin Angela Merkel zur Wiederwahl. Gleichzeitig ist damit auch der zwischen CDU/CSU und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag beschlossene Sache. Den hat sich nun der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in einer Stellungnahme Stück für Stück vorgenommen.

Erstaunt äußert sich Nabu-Präsident Olaf Tschimpke unter anderem mit Blick auf die Passagen zur Kreislaufwirtschaft – insbesondere über die „Nicht-Wahrnehmung des Themas Circular Economy“. Offenbar werde sie in Deutschland nach wie vor als bloßes Abfallmanagement verstanden, kritisiert Tschimpke. Aus seiner Sicht ist das bedauerlich. Denn integriere man Politikvorgaben zu Ökodesign, Mehrwegsystemen, hochwertiger Verwertung, böte sich die Chance, Technologieführer zu sein, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu sichern und den Rohstoffverbrauch pro Einwohner deutlich zu senken.

Im Einzelnen bewertet der Nabu die Originalpassagen zur Kreislaufwirtschaft im Koalitionsvertrag 2018 wie folgt:

  • „Wir stehen für eine Weiterentwicklung des erfolgreichen deutschen Modells der Kreislaufwirtschaft. Anspruchsvolle Recyclingquoten, Wettbewerb und Produktverantwortung sollen dabei auch künftig die Leitplanken sein. Wir wollen, auch im Rahmen des europäischen Kreislaufwirtschaftspakets und der weiteren Arbeitenan der europäischen Plastikstrategie, Abfallvermeidung und Recycling stärken, die Einsatzmöglichkeiten für recycelte Materialien verbessern und entsprechende Anreize sowie mögliche gesetzliche Pflichten prüfen. Daneben wollen wir die Produktverantwortung weiterentwickeln, d. h. Hersteller müssen Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit stärker berücksichtigen.“ (Koalitionsvertrag, Zeile 6.614 ff.).

Aus Sicht des Nabu wurden bereits in den vergangenen Jahren ähnliche Ziele formuliert, jedoch nicht angegangen und umgesetzt. „Die Vorbereitung zur Wiederverwendung muss in Gesetzestexten geregelt werden“, betont der Verband. Darüber hinaus müssten Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit im bestehenden Ressourcenpolitikprogramm vorgeschrieben beziehungsweise deutlich gefördert werden. Zudem vermisst der Nabu ein Abfallvermeidungsziel sowie unterstützende Maßnahmen, „obwohl Synergieeffekte im Klimaschutz und für soziale Innovationen zu erwarten sind“.

  • „Wir werden die Recyclingpotenziale weiterer relevanter Abfallströme wie Altholz, Alttextilien oder Altreifen evaluieren und verstärkt nutzen.“ (Koalitionsvertrag, Zeile 6.624 ff.).

Als weiteren Abfallstrom hat der Naturschutzbund bereits Sperrmüll identifiziert, hier sei das Recyclingpotenzial groß. Wie der Verband betont, drohe berechtigterweise ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Der Nabu fordert daher, noch in dieser Legislaturperiode „eine Sperrmüllverordnung und/oder Produktverantwortung auf Möbel und ähnliche Produkte“ einzuführen.

  • „Bei der Einweg-Mehrweg-Diskussion setzen wir auf Wissenschaftlichkeit und den größten ökologischen Nutzen. Deshalb werden wir für Ökobilanzen als Entscheidungsgrundlage zügig die einheitliche Methodik weiterentwickeln.“ (Koalitionsvertrag, Zeile 6.625).

Laut Nabu zeigen seriöse Ökobilanzen (Kriterien der ISO 14040-„Familie“), dass Mehrweglösungen bei innerdeutschen und ähnlichen innereuropäischen Transportdistanzen deutlich weniger Treibhausgase erzeugen und Rohstoffe verbrauchen als Einwegsysteme. Nach seinen Berechnungen würde eine 80-Prozent-Mehrwegquote (inklusive ökologisch vorteilhaftem Einweg) im Getränkeverpackungsbereich zu einer jährlichen Einsparung von 1,4 Millionen Tonnen CO2 führen. Entsprechende Szenarien und Extrapolationen sollten in den vorhandenen und zukünftigen Ökobilanzen aufgeführt werden, appelliert der Verband.

  • „Die Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz muss ein hohes Schutzniveau für Mensch, Boden und Grundwasser gewährleisten, gleichzeitig aber praxistauglich und kosteneffizient ausgestaltet sein sowie Entsorgungsengpässe vermeiden. Wir wollen den Ländern bei entsprechenden Änderungsanträgen des Bunderates mit der Aufnahme einer Öffnungsklausel die Möglichkeit einräumen, bereits bestehende und bewährte länderspezifische Regelungen bei der Verfüllung von Gruben, Brüchen und Tagebauen gesetzlich abzusichern.“ (Koalitionsvertrag, 6.634 ff.).

Bezüglich Bodenschutz und Mantelverordnung unterstellen die Nabu-Verantwortlichen der Bundesregierung Desinteresse. Die Koalitionsparteien wollen „offenbar Bundesländer und wirtschaftlich Beteiligte zufriedenstellen, scheuen aber den immanenten Konflikt zwischen Grundwasserschutz, Förderung hochwertiger Recyclingbaustoffe und bisher gelebter Praxis“.

Klimaschutzmaßnahmen zu unehrgeizig

Enttäuscht zeigt sich der Nabu auch hinsichtlich des Klimaschutzes. „Zusammenfassend gesagt, vernachlässigt die Große Koalition den Klimaschutz“, heißt es in der Stellungnahme. Der Koalitionsvertrag bekräftige zwar die Klimaziele, enthalte aber kaum konkrete Maßnahmen oder vertage das Thema in Kommissionen.

So hätte sich der Nabu mehr konkrete Maßnahmen gewünscht, wie etwa die kurzfristige Stilllegung von alten Braunkohlekraftwerken, die als Kompromiss der Jamaika-Verhandlungen bereits erreicht worden war. Damals hieß es seitens des Wirtschaftsministeriums und der Bundesnetzagentur, dass kurzfristig mehrere Kohlekraftwerke mit einer Leistung von insgesamt sieben Gigawatt ohne Probleme stillgelegt werden könnten.

Als einzige konkrete Maßnahme in Richtung Kohleausstieg hat der Verband nur die Einrichtung einer Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ identifiziert, die zur „schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung“ beraten soll (Zeile 6.762). Allerdings bemängelt der Nabu, dass die Kommission erst Ende 2018 Vorschläge liefern soll. So gehe wertvolle Zeit verloren.

Im Hinblick auf das Klimaziel 2020 wären Sofortmaßnahmen noch in 2018 unerlässlich. Dazu sei die Kohle-Kommission auch beim Bundesumweltministerium anzusiedeln. Nur so könne die Weiterentwicklung des Klimaschutzplans 2050 (BMUB-Zuständigkeit) gewährleistet werden. Derzeit ist geplant, die Kommission beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) unterzubringen.

„Die Kommission sollte kurzfristig, für maximal ein halbes Jahr eingesetzt werden, um gesetzgeberische Fristen einhalten zu können, wenn die Kommissionsergebnisse und anschließenden politischen Beschlüsse noch 2019 in einem Klimaschutzgesetz festgeschrieben werden sollen.“ Um das Klimaziel 2020 noch zu erreichen, müssten die notwendigen politischen Beschlüsse und Maßnahmen direkt durch die Bundesregierung getroffen werden.

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