Alternative Biogasnutzung

Die geplante Reduzierung der Einspeisevergütung bedroht die Wirtschaftlichkeit vieler Biogasanlagen. Aber möglicherweise gibt es zur Verstromung eine Alternative - erweist sie sich als wirtschaftlich, hätten Anlagenbetreiber ein neues Geschäftsfeld.

Neue Perspektive für Biogasanlagen


Biogas wird bislang verstromt oder in Biomethan umgewandelt und in die entsprechenden Netze eingespeist. Die höheren Kosten, die für die Bereitstellung elektrischer Energie aus Biogas im Vergleich zu fossilen Energieträgern entstehen, werden nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) über eine Einspeisevergütung ausgeglichen. Doch diese Einspeisevergütung soll im Zuge der EEG-Novelle reduziert werden. Zahlreiche Biogasanlagen wären somit in ihrer Existenz bedroht.

Doch möglicherweise zeichnet sich ein Ausweg ab, wie Anlagenbetreiber sich von der Förderpolitik unabhängig machen können. „Ein mögliches Konzept ist die alternative Nutzung des Biogases zur Herstellung hochwertiger chemischer Produkte“, erklärt Erik Reichelt, Wissenschaftler am Fraunhofer IKTS. „Die Umsetzung von Biogas zu Biowachsen stellt dabei eine aussichtsreiche Zukunftsoption für bestehende Anlagen dar“, führt Reichelt aus.

Biogas besteht aus Methan und Kohlenstoffdioxid. Kohlenstoffdioxid ist bislang ein nicht nutzbares Abfallprodukt. Doch das kann man ändern, indem das im Biogas enthaltene Kohlenstoffdioxid zur Synthese von Wachsen genutzt wird, heißt es seitens des IKTS.

Mit dem neuen Verfahren wird zunächst Synthesegas erzeugt. Das geschieht – katalytisch unterstützt und bei sehr hohen Temperaturen – in einem Biogasreformer. Anschließend wird daraus über eine Fischer-Tropsch-Synthese das hochwertige Wachs synthetisiert – und das in Bioqualität, wie IKTS betont.

Nutzung in Kosmetikprodukten und als Schmierstoff

Die Wachse seien aufgrund ihrer Reinheit insbesondere für die Kosmetikindustrie geeignet, so das Institut. Die meisten handelsüblichen Cremes basieren auf Erdölderivaten, die in einigen Fällen Unverträglichkeiten auslösen können. Biowachse hingegen seien weitaus verträglicher, da sie keine Verunreinigungen enthalten. Daher eröffneten Biowachse vor allem in der Naturkosmetikbranche lukrative Anwendungsmöglichkeiten.

Darüber hinaus seien Biowachse auch als Schmierstoffe einsetzbar. Die Reinheit der Wachse garantiere stets eine definierte Produktzusammensetzung und somit verlässliche Eigenschaften, die mit erdölbasierten Schmierstoffen nicht vollumfänglich erreichbar sind, erklärt das IKTS. Zudem biete auch in dieser Branche ein Biosiegel einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.

Praxistest und Prüfung der Wirtschaftlichkeit

Das neue Konzept ist Gegenstand eines im Januar 2017 gestarteten Kooperationsprojekts des Fraunhofer IKTS mit vier Unternehmen aus Sachsen und der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Im Fokus stehen der Aufbau und der Betrieb einer Demonstrationsanlage zur Wachsherstellung an einer Biogasanlage. Auf Basis der erhaltenen Prozessdaten kann so abschließend die Wirtschaftlichkeit des Konzepts bewertet werden. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird aus EFRE-Mitteln gefördert.

Die DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH wird sich dabei mit der Entwicklung des Reformers befassen. Dieser bildet zusammen mit dem am Fraunhofer IKTS entwickelten Fischer-Tropsch-Reaktor, für den die TU Bergakademie Freiberg neue Katalysatoren entwickelt, die Grundlage der Gesamtanlage. Diese Anlage wird von der Advanced Machinery & Technology Chemnitz GmbH geplant und aufgebaut. Die Firma Ökotec Anlagenbau GmbH, an deren Biogasanlage die Demonstration des Prozesses erfolgen soll, stellt dabei ihr Know-how im Bereich Biogas zur Verfügung und wird die Anlage betreiben. Die Sunfire GmbH übernimmt die wirtschaftliche Bewertung des Gesamtkonzepts.

„Mit dem erfolgreichen Projektabschluss können wir eine Technologie anbieten, bei der unsere Kunden erstmals eine Wahl haben zwischen Energieerzeugung und Herstellung von nachhaltigen Produkten“, resümiert Gerhard Wilhelm, Geschäftsführer der Firma Ökotec Anlagenbau GmbH. „Für die Biogasbranche werden damit ganz neue Perspektiven aufgezeigt. Für unsere Firma bedeutet diese Innovation nicht nur eine Portfolioerweiterung mit Alleinstellungsmerkmal, sondern eine deutliche Stärkung unseres Unternehmens.“

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