Waste-to-Chemicals

Der Markt für „grüne“ Chemikalien wird in den kommenden Jahren boomen. Das prognostizieren Beratungsexperten. Verfahren, die aus Abfall Bio-Chemikalien herstellen, dürften davon profitieren.

Neue Technologie zur Umwandlung von Abfall in Bio-Chemikalien


Ein niederländisches Konsortium will aus Abfällen verschiedenster Art Chemikalien herstellen. Die Pläne für den Bau einer Waste-to-Chemicals-Anlage liegen beim Chemie- und Farbenkonzern AkzoNobel und dem kanadischen Unternehmen Enerkem bereits in der Schublade. Die beiden Unternehmen zählen zu den beiden Gründungspartnern des Konsortiums, weitere Partner sind die Entsorgungsunternehmen Van Gansewinkel, EEW Energy from Waste und Veolia.

Vor knapp einem Jahr gestartet, umfasst dieses Konsortium derzeit 14 Partner aus der Privatwirtschaft und halbstaatlichen Organisationen. Darunter sind neben den drei Recyclingfirmen auch der Spezialgashersteller Air Liquide, der niederländische Biomethanol-Hersteller BioMCN, das Engineering-Unternehmen Visser & Smit Hanab und auch der Cleantech-Cluster Clean Tech Delta zu finden. „Ziel ist es, in Europa Waste-to-Chemical-Anlagen und Produkte zu entwickeln, die auf der von Enerkem entwickelten Technologie zur Umwandlung von Abfällen in Synthesegas basieren“, sagt Vincent Chornet, Präsident and CEO von Enerkem. „Mit unserer im Vergleich zu traditionellen Produktionsmethoden kostengünstigeren Alternative können Chemieunternehmen nachhaltigere Produkte herstellen, die statt Petroleum Abfall und erneuerbare Quellen nutzen.“

Die geplante Anlage soll entweder in Rotterdam oder Delfzijl stehen. Zum Einsatz kommt ein Verfahren, das Enerkem entwickelt hat. Dabei werden die im gemischten Siedlungsabfall enthaltenen biogenen und nichtbiogenen Kohlenstoffmoleküle chemisch recycelt. „Bei den Abfällen handelt es sich um nichtverwertbare Abfallstoffe und Rückstände“, betont Annie Paré, Direktor für Kommunikation bei Enerkem. Neben sortierten, festen Siedlungsabfällen könnten mit dem patentierten flexiblen Prozess auch landwirtschaftliche und Forstabfälle, Bau- und Abbruchabfälle sowie gewerbliche und industrielle Abfälle in Methanol und Ethanol umgewandelt werden.

Vierstufiger Prozess macht aus Müll Bio-Chemikalien

Der thermochemische Umwandlungsprozess läuft in vier Stufen ab: Zunächst wird das Inputmaterial vorbereitet, sprich sortiert, geshreddert und – wenn nötig – getrocknet. Diese kohlenstoffreiche Fraktion geht dann in den Vergasungsreaktor. In weniger als fünf Minuten werden die Kohlenstoffmoleküle laut Enerkem durch partielle Oxidation bei geringer Hitze und unter Druck in ein reines Synthesegas, auch Syngas genannt, umgewandelt. Anschließend durchläuft das Syngas verschiedene Reinigungs- und Aufbereitungsverfahren und erreicht dadurch Erdgasqualität. Dieses Gas wird mittels handelsüblicher Katalysatoren schließlich in Biokraftstoffe und Chemikalien umgewandelt.

„Bei der zweiten Output-Fraktion, den Chemikalien, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch Methanol unser Hauptprodukt“, erzählt Paré. Methanol ist einer der wichtigsten Grundstoffe der chemischen Industrie. Es ist der Baustein für Sekundärchemikalien wie Olefine und Acrylsäure oder für die in vielen Industrien als Lösemittel und Ausgangsmaterial für Synthesen verwendeten n-Propanol und n-Butanol. Methanol selbst wird ebenfalls in hunderten verschiedenen Anwendungen genutzt. So dient es unter anderem als Lösungsmittel für Farbstoffe oder Lacke. In vielen Industriezweigen hat Methanol als Weichmachungs-, Reinigungs-, und Verdünnungsmittel große Bedeutung, aber auch als Gefrierschutz-, Methylierungs- und Vergällungsmittel. Methanol wird darüber hinaus als Ersatzbrennstoff, Treibstoff und in Kühlmaschinen verwendet.

Weltweit werden jährlich etwa 60 Millionen Tonnen Methanol produziert. Noch ist fossiles Erdgas die nahezu einzige Kohlenstoffquelle für die Methanolproduktion, mit dem großen Nachteil, dass dadurch große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden. Mit Waste-to-Chemical-Verfahren könnten diese Emissionen erheblich verringert werden.

Weltweit wachsender Markt für erneuerbare Chemikalien

Die erste kommerzielle Waste-to-Biofuel/Chemical-Anlage wurde im Juni vergangenen Jahres in Edmonton, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Alberta, offiziell eingeweiht. „Eine Standard-Enerkem-Anlage kann pro Jahr 100.000 Tonnen trockene nicht-rezyklierbare Abfälle durchsetzen und zu 38 Millionen Liter Biomethanol oder Ethanol verarbeiten“, sagt Paré. In Quebec betreibt Enerkem zudem eine Demonstrationsanlage und Testanlage. Das Unternehmen will in Nordamerika noch weitere Bioraffinerien entwickeln und hat auch schon in China Fuß gefasst. Im vergangenen Oktober haben die Kanadier die Vereinbarung zweier Partnerschaften für den Bau von Biokraftstoff-und-Chemikalien-Anlagen in Chinas wirtschaftlicher Boomtown Shanghai und in der Hafenstadt Qingdao verkündet. Unterdessen läuft die Forschungs- und Entwicklungsarbeit bei Enerkem weiter, um das Produktportfolio zu erweitern, inklusive Acrylate. Diese werden unter anderem als Bindemittel für Farben und Lacke, Spritzgussformmassen, Klebstoffe sowie als Werkstoff im Dentalbereich eingesetzt.

Anlagen, die aus Abfall „grüne“ Chemikalien erzeugen, steht höchstwahrscheinlich ein starkes Wachstum bevor. Der Markt für erneuerbare Chemikalien wächst mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 7,7 Prozent, prognostiziert Research and Markets in einer aktuellen Studie. Im Jahr 2018 werde der Markt einen Wert von 83,4 Milliarden US-Dollar erreichen. Das momentan größte Marktsegment ist das der Alkohole wie Ethanol oder Methanol. Noch stärker werde das Polymer-Segment wachsen. Hier sagen die Marktexperten eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 14,3 Prozent voraus.

Markttreiber ist laut Research-and-Markets-Report das wachsende ökologische Bewusstsein der Konsumenten und Hersteller. Das sorge für einen steigenden Bedarf an grünen Komponenten beziehungsweise für eine „Cradle to Cradle“-Lösung. Globale Chemieunternehmen würden bereits Ausschau nach erneuerbaren alternativen Chemikalien halten, um ihre Produkte auf Kohlenwasserstoffbasis den Anforderungen ihrer eigenen Kunden anzupassen. Einen besseren Zeitpunkt für die Entwicklung einer Waste-to-Chemicals-Anlage hätte das niederländische Konsortium also nicht wählen können.

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