Smart Factory

Ein neuer Industriestandard soll es kleineren und mittleren Firmen ermöglichen, alle wichtigen Maschinendaten zu überblicken. Die Smart Factory soll somit auch für kleinere Firmen Realität werden. Gesucht sind unter anderem Partner aus der Recyclingindustrie.

Neuer Industrie-Standard für Austausch von Maschinendaten


Funktioniert meine Maschine so, wie sie es sollte? Diese und andere grundlegende Fragen sollen künftig mit dem neuen Industriestandard IF4.0 schnell beantwortet werden. Denn der Standard soll es Unternehmen ermöglichen, Zugriff auf standardisierte Daten jener Maschinen und Anlagen zu haben, die bei Ihnen im Einsatz sind – und zwar unabhängig davon, welcher Hersteller sich hinter der jeweiligen Maschine verbirgt.

Der Standard wurde vom Industry Business Network 4.0 konzipiert und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Im IF4.0-Standard werden laut Verband die Daten und Methoden definiert, aus denen die relevanten Informationen für einzelne Vorrichtungen oder Komponenten generiert werden können. Dies soll für die Hersteller den Vorteil haben, nicht alle Daten ihrer Systeme, die häufig das technologische Know-how beinhalten, preisgeben zu müssen.

Sicherer Datenaustausch ist wichtige Grundlage

Safety und Security beim Datenaustausch spielen beim neuen Standard eine zentrale Rolle, wie es heißt. Auch in Hinblick auf eine Prüfbarkeit der Vernetzung und des Informationsaustausches soll der IF4.0-Standard im Vergleich zum unkontrollierten Datenaustausch eine deutliche Erleichterung darstellen.

Über diesen Themenkomplex wacht der TÜV Süd, der auch eines der Gründungsmitglieder des Verbands ist. „Nur mit einem schlüssigen Sicherheitskonzept, einer transparenten Datennutzung und der Unabhängigkeit von einem bestimmten Anbieter wird sich Industrie 4.0 im Mittelstand durchsetzen“, betont Detlev Richter, Vizepräsident von TÜV Süd Product Service.

Kerngedanke des herstellerübergreifenden IF4.0-Standards ist, die Daten verschiedener Maschinen und Hersteller mittels geeigneter Methoden direkt zu relevanten Informationen zu verarbeiten und diese in standardisierter Form dem Nutzer zur Verfügung zu stellen. Damit unterscheide sich der neue Standard von vielen bestehenden Lösungen. Diese würden sich oft darauf fokussieren, alle verfügbaren Daten beispielsweise in der Cloud zu nutzen.

Direkter Mehrwert für KMU

Der standardisierte Informationsaustausch könnte insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen interessant werden. „Die Umsetzung einer Smart Factory wird durch den standardisierten Informationsaustausch unterschiedlicher Maschinen und Anlagen mit IF4.0 endlich auch für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv und bietet direkten Mehrwert“, beschreibt Vorstandsvorsitzender Igor Mikulina die Vorteile.

Im nächsten Schritt soll der IF4.0-Standard in Referenzanlagen des Verbands sowie in erste Produkte implementiert werden. „Die erste Referenzanlage wird im kommenden Jahr am Verbandssitz im bayerischen Bad Wörishofen in Betrieb genommen“, berichtet Alexander Funk, Pressesprecher des Verbands und Leiter Marketing & Kommunikation bei MicroStep Europa.

Herstellerübergreifende Arbeitsgruppen würden dann an den Themen „Gasversorgung“ sowie „Maschinenzustände“ arbeiten und die Ergebnisse in einem Prototyp umsetzen. Das soll laut Funk im Herbst kommenden Jahres erfolgen.

Zertifikat für standardkonforme Produkte

„Durch die Umsetzung werden wir den IF4.0-Standard kontinuierlich weiterentwickeln und um weitere Kategorien ergänzen“, erklärt Konstantin Kernschmidt, der im Verband als Projektmanager für Industrie 4.0 tätig ist. Neben Maschinen und Anlagen könnten beispielsweise auch die Gas-, Druckluft-, oder Energieversorgung wichtige Informationen für den Betrieb liefern.

Auch Applikationen, die einen zusätzlichen Mehrwert für den Kunden bieten, könnten über eine standardisierte Schnittstelle angedockt werden und die Informationen der verschiedenen Systeme in der Smart Factory nutzen.

Die Kompatibilität zum IF4.0-Standard wird vom Verband mit einem entsprechenden Zertifikat am Produkt bestätigt. Dieses Zertifikat könnte in Zukunft für Hersteller unverzichtbar werden. Verbandsvorsitzender Mikulina jedenfalls ist davon überzeugt, dass Kunden beim Kauf von Anlagen, Vorrichtungen und Komponenten künftig darauf achten werden, ob die Informationen über die Produkte auf Basis des IF4.0-Standards verfügbar sind.

Firmen aus der Recyclingindustrie sind willkommen

Der Verband Industry Business Network 4.0 wurde im Herbst 2016 gegründet. Gründungsmitglieder der branchenunabhängigen Herstellervereinigung sind neben dem TÜV Süd unter anderem die Unternehmensgruppe der Metall- und Elektroindustrie Kjellberg, der finnische Hersteller von Schweißtechnik Kemppi und das Maschinenbauunternehmen MicroStep Europa.

Aktuell zählt der Verband eigenen Angaben zufolge 24 Mitglieder, darunter Maschinen- und Anlagenbauer, Komponentenhersteller und Software-Entwickler. Wissenschaftliche Unterstützung leistet die Fraunhofer-Einrichtung für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV.

Recycling- oder Entsorgungsunternehmen beziehungsweise Hersteller von Recyclinganlagen und -maschinen haben sich dem Verband bisher nicht angeschlossen. „Wir wären aber ausdrücklich für Partner aus diesem Bereich offen“, betont Pressesprecher Funk. Denn gerade in der metallverarbeitenden Branche gebe es allerhand Rest- und Ausschussmaterial. Recycling spielte hier nicht zuletzt aufgrund des zum Teil hohen Materialwerts eine zunehmend größere Rolle. „Im Rahmen einer vernetzten Fertigung könnte dieser Bereich künftig sicherlich noch effizienter organisiert werden“, sagt Funk.

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