Neues Forschungsvorhaben

Ein Verbundvorhaben will Bauabbruchabfälle mit einer Korngröße von kleiner zwei Millimeter in eine hochwertige Verwertung lenken.Weil das Material sehr feinkörnig ist, muss für die Sortierung ein spezielles Verfahren gewählt werden. Am Ende sollen maßgeschneiderte Baustoffe entstehen.

Neuer Verwertungsweg für feinkörnigen Bauabbruch?


Das Vorhaben trägt den Namen ‚BauCycle‘. Daran beteiligt sind vier Institute der Fraunhofer Gesellschaft sowie ein Praxisbeirat aus Industrie und Forschung. Ziel ist es, in den kommenden drei Jahren einen neuen hochwertigen Verwertungsweg für mineralische Abfälle zu etablieren. Im Fokus stehen dabei Bauabfälle mit einer Korngröße von kleiner zwei Millimeter, für die es aktuell keinen Verwertungsweg gibt.

Wie Sebastian Dittrich in seinem Vortrag anlässlich der Konferenz Mineralische Nebenprodukte und Abfälle vergangene Woche in Berlin sagte, liege das stoffliche Potenzial dieser Fraktion bei jährlich fünf Millionen Tonnen pro Jahr. Andere Baureststoffe, die heute im Verwertungssystem gebunden sind, könnten durch die geplanten Regelungen der Ersatzbaustoffverordnung hinzukommen, so der Diplom-Mineraloge vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP). Weitere Mengen sind wahrscheinlich: Denn Experten rechnen bis 2050 mit nahezu einer Verdoppelung der Bauschuttmengen von aktuell 51,6 auf 104 Millionen Tonnen pro Jahr.

Sortiertechnologie größte Herausforderung

Das Projekt gliedert sich in vier Bereiche: Aufbereitung, Analysieren/Zertifizieren, Material- und Bauteilentwicklung sowie Aufsetzen einer Marktplattform. Dabei ist die Aufbereitung und hier insbesondere die Sortierung die größte Herausforderung, erläuterte Dittrich.

Weil das Material sehr feinkörnig ist, muss für die Sortierung ein Optical Computing-Verfahren gewählt werden. Nur so könnten industriell hohe Durchsätze realisiert und die Hauptfraktionen Beton, Kalksandstein, Ziegel und sonstige Mischfraktionen selektiv sortiert werden. Solche Methoden würden zwar bereits erfolgreich etwa im Kunststoff- und Glasrecycling, in der Lebensmittelsicherheit und im Bergbau zur Gewinnung von Industriemineralen eingesetzt. Allerdings seien die hierbei eingesetzten Hyperspektralkameras zur Materialerkennung zu langsam, um Feinkorn wirtschaftlich aufzubereiten.

Deshalb sollen innerhalb des Projekts neue Patente für Sortiertechnologien angemeldet werden. Die entstehenden RC-Schuttgüter sollen dann über ein Prüfverfahren zertifiziert werden, das ebenfalls erst entwickelt werden muss. Dittrich betont, dass nur so RC-Material mit gleichbleibender und definierter Qualität generiert werde. Dies trage wiederum dazu bei, dass das Produkt besser von der Bauwirtschaft akzeptiert werde und innerhalb des Markts konkurrenzfähig sei.

Neue Bauteile in Echtzeit

In einem dritten Schritt wollen die Beteiligten neue Baustoffe und Bauteile entwickeln. Die spezielle Feinkörnigkeit des Ausgangsmaterials sei dabei von Vorteil. Sie bietet laut Dittrich die Chance, Baustoffe und Bauteile mit einer maßgeschneiderten Mikrostruktur herzustellen. Geplant sind zum einen Granulate sowie Bindemittel zur Zementherstellung. Auf der anderen Seite seien funktionale Bauteile zum Beispiel als Schallabsorber, zur Wärmedämmung oder zur Fassadenbekleidung denkbar. Für diese Produkte müssen neue Verfahren etabliert oder bestehende weiterentwickelt werden, so Dittrich.

Auch der Vertriebsweg für die neuen Produkte muss erst aufgebaut werden. Die angedachte Marktplattform soll dynamisch und echtzeitfähig sein und eine transparente Ressourcenwirtschaft ermöglichen. Dazu soll sie als Softwaresystem entwickelt werden. Erfasst und verknüpft werden sollen Materialquellen (Abbruchorte) und -senken (Produktionsstandorte) sowie die unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Anforderungen in der Branche. Zudem sollen besonders der mittelständische und lokale Charakter des Bauwesens und die großen bewegten Massen berücksichtigt werden.

Nicht nur für Bauabfälle

Wird das Projekt erfolgreich umgesetzt, kann BauCycle den Anteil an zu deponierendem Material fast vollständig senken, ist Dittrich überzeugt. Die angespannte Lage der knappen Deponieflächen würde so nicht weiter verschärft. Darüber hinaus schone das Recycling von Bauabbruch primäre Abbaustellen. Ferner profitierten von der Implementierung einer Marktplattform alle Seiten, sowohl Abbruchunternehmer als auch RC-Baustoffhersteller.

Neben der Bauindustrie sei das Projekt aber auch für andere Branchen interessant, sagte Dittrich abschließend. So könnten etwa die Simulation der Quellen- und Senkenbeziehungen und die Sortiertechnologie für die chemische Industrie, die Lebensmittelindustrie oder im Bergbau hilfreich sein.

Im Projekt BauCycle arbeiten Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP), des Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) sowie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) zusammen. Das Vorhaben hat im Januar 2016 begonnen und soll im Dezember 2018 abgeschlossen sein.

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