Mobile Flash-Pyrolyse

Niederländische Wissenschaftler haben ein mobiles Pyrolysesystem entwickelt. Damit soll die Rückgewinnung von mineralischen Produkten und von Bioöl aus Papierschlamm direkt vor Ort möglich sein. Das spart nicht nur Kosten, sondern generiert auch neues Inputmaterial.

Neuer Verwertungsweg für Papierschlamm


Für die Entsorgung von Papierschlämmen müssen Papierhersteller tief in die Tasche greifen. Die Deponierung von einer Tonne Papierschlamm – dem größten Abfallstrom bei der Produktion von Papier – kostet um die 70 Euro. In Zukunft aber könnten die Hersteller sich dieses Geld sparen. Zudem könnte der bisher entsorgte oder verbrannte Schlamm als Quelle für wertvolle mineralische Produkte und Pyrolyse-Öl dienen. Das zumindest ist das Ziel eines speziell entwickelten Pyrolyseverfahrens, das Forscher der niederländischen Universität Twente (UT) entwickelt haben.

Das neu entwickelte Pyrolysesystem basiert auf einer Technologie, die ebenfalls an der Universität entwickelt wurde. „Unser Fachbereich hat sich auf die Pyrolyse von Biomasse wie Holz, Stroh, Gras und Algen und die Rückgewinnung von Brennstoffen und verkaufsfähigen Produkten spezialisiert”, sagt Gerrit Brem, Professor für Energietechnologie an der UT. Mit dem weiterentwickelten Verfahren könnten nicht nur Papierschlamm, sondern auch ähnliche Abfallströme verwertet werden. Brem kann sich eine Reihe zukünftiger Anwendungsgebiete für diese sogenannte Flash-Pyrolyse vorstellen, darunter auch Klärschlamm, Straßenbegleitgrün, Lignin oder Stallmist.

Teil des neuen Pyrolysesystems ist auch ein neuer Reaktor, für den bereits ein Patent angemeldet ist. „In diesem neuen Reaktor können wir kleine als auch große Partikel durchsetzen, zudem erfordert er keine externe Energiequelle“, erklärt Brem. Nachdem der Schlamm getrocknet sei und den nur wenige Sekunden dauernden Pyrolyseprozess durchlaufen habe, würden die Papierfasern in Öl und brennbares Gas umgewandelt. Die im Schlamm vorhandenen Mineralien könnten wieder als Rohstoffe von der Papierindustrie genutzt werden.

„Da das Recycling in einer mobilen Einheit stattfinden wird und nicht in einer stationären zentralen Anlage, können die Hersteller die aus ihren Papierschlämmen zurückgewonnenen Mineralien und Pyrolyse-Öl direkt wieder für ihren eigenen Herstellungsprozess nutzen“, macht Brem deutlich, wo der Vorteil des neuen Konzepts liegt. Zudem würden dadurch keine Kosten für den Transport der Schlämme anfallen.

Papierhersteller SCA ist der erste Kunde

Derzeit arbeiten die Wissenschaftler mit Ingenieuren des Recyclingspezialisten Alucha an der Entwicklung der ersten mobilen Pilotanlage. Ende des Sommers will Alucha, das zu den weltweit führenden Entwicklern von Pyrolyseverfahren für industrielle Anwendungen zählt, zusammen mit den Wissenschaftlern der UT mit dem Bau der mobilen Anlage beginnen. Mitte kommenden Jahres soll die Pyrolyse-Installation den offiziellen Betrieb aufnehmen.

Bei dieser einen Anlage soll es aber nicht bleiben, Alucha-Gründer Gijs Jansen trägt sich schon jetzt mit Plänen für mehrere derartiger Pyrolyse-Installationen: „Der Erstkunde für die mobile Einheit ist der schwedische Hersteller von Zellulose- und Papierprodukten SCA“, erzählt Jansen. „Wir gehen aber davon aus, dass sehr viele weitere Papierfabriken und damit auch Anlagen folgen werden.“

Finanzielle Unterstützung bekommt Alucha für die Entwicklung der mobilen Pyrolyse-Anlage von der Provinz Gelderland. Diese schießt Unternehmensangaben zufolge 250.000 Euro zu. Insgesamt werde die Entwicklung der ersten Anlage im Industriemaßstab 3 Millionen Euro kosten.

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