Automobilrecycling-Kongress in Berlin

Für die Recyclingwirtschaft ist es meist schwer, ihre Forderungen gegenüber der Industrie durchzusetzen. Das Beispiel Automobilrecycling zeigt: Der Bereich Recycling ist nur ein kleiner Teil in der Gesamtbetrachtung der Umweltauswirkungen. Das gilt auch für die Verwendung von carbonfaserverstärkten Kunststoffen.

„Nur ein Prozent“


Die Probleme der Automobilrecycling-Wirtschaft sind auch 2016 dieselben. Folglich sind es auch die gleichen Probleme, über die heute beim Automobil-Recycling Kongress IARC 2016 in Berlin diskutiert wurde: Wie kann man dafür sorgen, dass in Deutschland und Europa mehr Altautos für die Verwertung zur Verfügung stehen? Und was kann man tun, um die Recyclingfähigkeit durch die Auswahl geeigneter Materialien schon bei der Herstellung sicherzustellen?

Jedes Jahr gehen der EU Rohstoffe durch illegale Exporte von Altfahrzeugen und Elektronikschrott verloren. Jährlich gehen in Deutschland etwa 1,3 Millionen Altfahrzeuge nicht in die Wertstoffkreisläufe zurück, rechnet die Scholz Gruppe vor. Überschlägig seien dies etwa 2 Millionen Tonnen Rohstoffe, die verloren gingen. EU-weit seien es sogar 4 bis 8 Millione Altfahrzeuge, wobei genaue Zahlen nicht vorliegen.

statistic_id310412_altfahrzeuge---menge-der-recycelten-werkstoffe-in-deutschland-2013Nach Auffassung des Metallrecyclers muss deshalb Aufklärungsarbeit geleistet werden. „Fahrzeug-Letztbesitzer wissen heute nicht um das Rohstoffpotenzial ihres alten Autos und so endet ihre Verantwortung mit dem Weiterverkauf. Hier braucht es Anreize, diesen Wert zu erkennen und dann beispielsweise sein Altfahrzeug in einer zertifizierten Entsorgungsanlage in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen“.

„Wettbewerb sorgt für Ressourceneffizienz“

Auch der europäische Automobilverband ACEA erkennt Defizite. Zwar hätten die Behörden mit der EU-Altauto-Richtlinie einen wichtigen Schritt unternommen, ein konsistentes regulatorisches Rahmenwerk zu schaffen, erklärte Tobias Bahr, ACEA-Environmental Policy Director, beim IARC. Aber die Umsetzung weise bislang noch Defizite aus. Um einheitliche Wettbewerbsbedingungen in der Automobil-Recyclingindustrie zu schaffen, sollte deshalb eine EU-weite Pflicht für ein Abmeldesystem eingeführt werden, verbunden mit einer Nachweispflicht für eine ordnungsgemäße Entsorgung von Altfahrzeugen mit entsprechendem Monitoring.

Allerdings wurde beim heutigen IARC auch deutlich, dass der Bereich des Recyclings aus Sicht der Automobilindustrie nur ein kleiner Bereich ist. Die Automobilindustrie habe das Konzept der Kreislaufwirtschaft bereits in der Produktentwicklung, der Herstellung und in einer Reihe von neu angebotenen Serviceleistungen verankert hat, erklärt Bahr. „Ein deutlicher internationaler Wettbewerb führt automatisch dazu, dass Ressourcen in der effizientesten Form verwendet werden“, betont er.

Bahr sprach sich für einen ganzheitlichen, den kompletten Lebenszyklus umfassenden Ansatz aus. Ein solcher Ansatz sei gegenüber einer isolierten Betrachtung von ressourceneffizienten Aspekten am Ende der Produktlebensdauer vorzuziehen. Bei den meisten Automobilen sei die Gebrauchsphase des Fahrzeugs vorherrschend, sie mache rund 80 Prozent der Umweltbilanz aus. Die Nutzungsphase habe die stärkste Auswirkung auf die CO2-Emissionen eines Fahrzeugs sowie den Verbrauch fossiler Ressourcen. Die Umwelteffekte am Ende des Produktlebenszyklus‘ hingegen machten nur einen Anteil von rund einem Prozent aus.

statistic_id275072_plastik---anteile-der-verwendeten-plastiksorten-in-der-automobilindustrie-2012 (1)Wichtig sei daher eine ganzheitliche Betrachtung, um die Umwelteffekte wirkungsvoll zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund sollten Zielvorgaben für die Recyclingfähigkeit mit Zielsetzungen zur Verringerung des „ökologischen Fußabdrucks“ während der Nutzungsphase von Automobilen aufeinander abgestimmt werden, fordert Bahr. Das Ende der Nutzungsphase sei sorgfältig reguliert und die Automobilindustrie arbeite ambitioniert daran, die gesetzlich vorgeschriebene Recyclingfähigkeit von 85 Prozent und die Verwertbarkeit von 95 Prozent in der Typprüfung neuer Fahrzeuge sicherzustellen, versichert er.

Auf die Problematik angesprochen, dass carbonfaserverstärkte Kunststoffe nur schwer zu recyceln sind, sagte Bahr, dass nur wenige Automobilhersteller diese Stoffe verwenden. Im Durchschnitt würden in jedem Fahrzeug nur 70 Gramm carbonfaserverstärkte Kunststoffe eingesetzt. Er zeigte sich zuversichtlich, dass in den kommenden 15 Jahren gelingen werde, ein geeignetes Recyclingverfahren zu entwickeln. Denn erst dann würden die ersten Altfahrzeuge mit solchen Materialien in größerem Umfang zur Verwertung anstehen.

Maßnahmen für Design und Innovationen

Hoffnung machte auch Artemis Hatzi-Hull, in der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission zuständig für den Bereich Abfallentsorgung. Das Kreislaufwirtschaftspaket der Europäischen Kommission beinhalte zahlreiche Maßnahmen, um die Ressourceneffizienz und das Recycling innerhalb der EU zu fördern, sagte sie. Diese Maßnahmen würden auch der Verwertung von Altfahrzeugen zugutekommen. „Die geplanten Maßnahmen der Europäischen Kommission hinsichtlich Design und Innovationen für die Kreislaufwirtschaft werden dazu beitragen, das Recycling von Materialien wie Stahl, Edelmetalle oder Kunststoffe zu steigern.“

Bei der Pressekonferenz zum IARC zeigte sich Artemis Hatzi-Hull überzeugt, dass mit dem neuen Kreislaufwirtschaftspaket noch weitere positive Effekte verbunden sein werden. Sie verwies unter anderem auf die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des Öko-Designs, die darauf abzielen, die Haltbarkeit, Reparaturfähigkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten zu verbessern. Darüber hinaus erwartet sie, dass neue fortschrittliche Technologien positive Auswirkungen auf die Beschäftigung in der Recyclingwirtschaft haben werden. Konkret nannte sie Zerlegung- und Aufbereitungsbetriebe, inklusive Shredder- sowie Post-Shredder-Betriebe. Dort gebe es Potenzial, die bestehenden Einrichtungen zu optimieren und neue Einrichtungen mit fortschrittlicher Technologie für die Separation und Behandlung von Altautomaterialien und E-Schrott zu errichten.

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