EU-Haushalt

Ernst nehmen oder einfach ignorieren? Der EU-Kommissar Günther Oettinger hat eine Kunststoffsteuer vorgeschlagen. Das wäre ein sinnvolles Lenkungsinstrument, meint der Haushaltskommissar.

Oettinger und die Kunststoffsteuer


Es gilt die alte Grundregel, dass man in der Politik immer die richtige Gelegenheit abwarten muss, um eine politische Forderung durchsetzen zu können. Für EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger war nun die Gelegenheit wohl in zweierlei Hinsicht günstig. Zum einen steht der Brexit an und damit ein erheblicher Beitragsausfall durch den EU-Austritt Großbritanniens. Es gilt also nach alternativen Einnahmen Ausschau zu halten.

Und zum anderen gab China bekannt, zum Jahresbeginn den Import von Kunststoffabfällen zu stoppen. Beides zusammen führte offenbar zu Oettingers Idee, eine Kunststoffsteuer zu erheben.

„Kunststoffe sind ein ganz großes Umweltproblem. Wir verpacken zu viel. Die Chinesen haben nun dicht gemacht. Sie haben uns früher alte Kunststoffe abgenommen, daraus Spielzeuge produziert. Jetzt macht China den Markt dicht und die Inder sagen, Jute statt Plastik. Sollten wir nicht eine Besteuerung der Produktion von Plastik und Kunststoffen einführen? – Das wäre ein sinnvolles lenkendes Instrument“, zitiert das österreichische Volksblatt den EU-Kommissar.

Die Vermutung, dass Oettinger mit einer Kunststoffsteuer den EU-Haushalt zu neuen Einnahmen verhelfen will, liegt nahe. Zeitgleich mit seiner Forderung nach einer Kunststoffsteuer hatte der EU-Kommissar in Brüssel die voraussichtlichen Einnahmenausfälle durch den Brexit bekannt gegeben. Demnach werden dem EU-Haushalt zwischen 12 und 13 Milliarden Euro fehlen, wenn Großbritannien die EU verlässt.

Der bvse hat bereits auf den Vorschlag reagiert. Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock bezeichnete eine Kunststoffsteuer als „völlig falschen Ansatz“. Das einzige Problem, das damit eventuell gelöst werde, sei, der Europäischen Union eine weitere Einnahmemöglichkeit zu verschaffen, um das Haushaltsloch als Folge des Brexits zu verkleinern, sagt er. „Ansonsten halten wir diesen Vorschlag für einen umwelt- und industriepolitischen Rohrkrepierer.“

Rehbock warnte davor, Kunststoffe zu verteufeln. „Diese Materialien sind für unsere Wirtschaft und für das alltägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger unverzichtbar. Entscheidend ist, dass wir endlich beginnen, ernsthaft in eine strikte Kreislaufwirtschaft einzusteigen. Die Kunststoffprodukte müssten schon bei der Produktentwicklung so konzipiert werden, dass sie recyclingfähig sind, und die kunststoffverarbeitende Industrie muss zukünftig viel stärker als bisher Recyclate einsetzen.“


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Auch die öffentliche Hand und die Industrie sowie die Verbraucher könnten laut Rehbock einen wichtigen Beitrag leisten: „Es muss einfach selbstverständlich werden, vor allem Recyclingprodukte nachzufragen. Gerade die öffentliche Hand mit ihren eigenen Unternehmen könnte hier endlich einmal mit gutem Beispiel vorangehen. Momentan agieren sie nicht als Leuchtturm, sondern als Bremsklotz. Das muss sich in Zukunft ändern.“

Rehbock verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass sich die EU-Gremien immer noch nicht auf ein Deponierungsverbot von Abfällen geeinigt haben. Auch im neuen Kreislaufwirtschaftspaket gebe es wieder Schlupflöcher und zu lange Übergangsfristen. „Wir hätten uns hier wirklich mehr Ehrgeiz versprochen“, so der Hauptgeschäftsführer.

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