Rückläufiger Verbrauch

Manchmal können 15 oder 20 Cent eine große Wirkung haben. Zum Beispiel bei Plastiktüten: Die verwenden die Deutschen viel weniger, seit sie nicht mehr gratis zu haben sind. Umweltschützer freuen sich - und wollen mehr.

Plastiktüten: Der Griff in den Geldbeutel zeigt Wirkung


Ob Rucksack, Stoffbeutel oder Trolley: An deutschen Ladenkassen packen die Kunden ihren Einkauf immer öfter in eigene Taschen statt in Plastiktüten. Das belegen nun aktuelle Zahlen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) für das Jahr 2017.

Den Zahlen zufolge ist die Zahl der verbrauchten Kunststoff-Tragetaschen deutlich zurückgegangen. So wurden im vergangenen Jahr in Deutschland nur noch 29 Tüten pro Kopf und Jahr in Umlauf gebracht. Im Jahr zuvor waren es noch 45.

Die Gesamtzahl der verbrauchten Plastiktüten ging somit um mehr als ein Drittel auf 2,4 Milliarden zurück. Im Jahr 2015 waren es noch 5,6 Milliarden, im Jahr 2000 sogar 7 Milliarden.

„Plastiktüten sind ein Auslaufmodell“

Liegt das nun an den 15 oder 20 Cent, die Tüten in immer mehr Geschäften kosten, oder an einem gewachsenen Umwelt-Bewusstsein? Vermutlich an den 20 Cent sowie an den weiteren Maßnahmen, die der Handel seit 2016 ergriffen hat. Denn seit Juli 2016 gilt eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels, der sich inzwischen 360 Unternehmen angeschlossen haben. Deren Inhalt: Plastiktüten sollen nicht mehr umsonst über die Theke gehen.

„Viele große Handelsketten haben die Plastiktüte mittlerweile völlig abgeschafft. Das schlägt sich positiv in der Statistik nieder“, sagt der Präsident des Einzelhandelsverbandes HDE, Josef Sanktjohanser. Dabei geht es bisher nur um Tragetaschen, wie man sie typischerweise an der Kasse bekommt, nicht um die dünnen, transparenten Tüten etwa für Obst und Gemüse. Diese „Hemdchentüten“ sind von der Selbstverpflichtung nicht betroffen und auch nicht Teil der Statistik.

Auch die Bundesumweltministerin ist über die Entwicklung erfreut: „Einweg-Plastiktüten haben sich als überflüssig erwiesen. Sie sind heute ein Auslaufmodell, auch weil es gute Alternativen gibt“, sagt Svenja Schulze (SPD). Damit habe man eine Blaupause für andere unnötige Verpackungen und kurzlebige Kunststoffprodukte. „Am Ende sollten nur noch Kunststoffe verwendet werden, die sich einfach recyceln lassen.“ Auch für „Hemdchentüten“ würden bereits Alternativen entwickelt, etwa Stoffnetze oder die Kennzeichnung der Produkte durch Laserverfahren.

„Wir müssen jetzt dranbleiben“

Die Selbstverpflichtung des Handels ist die Folge einer EU-Richtlinie, die im Mai 2015 in Kraft getreten ist und Vorgaben zum Plastiktüten-Verbrauch macht. In der Richtlinie geht es um sogenannte leichte Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke bis zu 50 Mikrometern. Davon dürfen bis Ende des Jahres 2019 höchstens 90 und bis Ende 2025 höchstens 40 Stück pro Einwohner und Jahr verbraucht werden. Mit dem aktuellen Verbrauch von 29 Tüten pro Kopf und Jahr erfüllt Deutschland die Vorgaben schon jetzt mühelos.

Ungeachtet dessen hat die Diskussion über Plastikmüll angesichts der gewaltigen Mengen und der Verschmutzung der Meere nochmal eine zusätzliche Dynamik entfaltet. Derzeit wird in Brüssel unter anderem über eine Plastiksteuer und eine Abgabe auf nicht recycelbare Kunststoffabfälle diskutiert. Bundesumweltministerin Schulze will keine pauschale Plastiksteuer, kann sich aber eine Extra-Abgabe auf nicht recyclebare Plastikabfälle vorstellen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist von einer Plastiksteuer „noch nicht überzeugt“, wie sie diese Woche im Bundestag sagte.

Die Grünen-Spitze dagegen nutzte die Gelegenheit, um für die Abgabe auf Plastikprodukte zu werben: „Politik wirkt, wenn sie will“, sagte Parteichef Robert Habeck der Deutschen Presse-Agentur. „Wir müssen jetzt dranbleiben und eine EU-weite Plastiksteuer auf Wegwerfprodukte einführen.“ Nur mit zielgerichteten Maßnahmen bekomme man das Jahrhundertproblem Plastik in den Griff und stoppe die Vermüllung der Meere.

Mikroplastik in der Antarktis

Die Zahl der deutschen Plastiktüten spielt in diesem Zusammenhang allerdings keine echte Rolle, denn sie landen selten im Meer. Deutschlands Anspruch ist aber, mit gutem Beispiel voranzugehen, wie Ex-Umweltministerin Barbara Hendricks betonte, als sie vor zwei Jahren die Selbstverpflichtung des Handels vorstellte.

Wie groß das globale Plastik-Problem ist, zeigte am Donnerstag unter anderem Greenpeace auf: In sieben von acht Wasserproben, die die Umweltorganisation während einer dreimonatigen Antarktis-Expedition genommen hatte, fanden sich Spuren von Mikroplastik. Zudem waren in sieben von neun Schneeproben giftige Chemikalien zu finden, die unter dem Kürzel PFAS oder PFC bekannt sind. Sie werden beispielsweise verwendet, um Outdoor-Bekleidung zu beschichten und bleiben über Jahre in der Umwelt.

„Die Antarktis mag uns als unberührte Wildnis erscheinen, doch auch dieses Ende der Welt ist schon verschmutzt durch Umweltgifte der Textilindustrie und die Rückstände des Plastikwahnsinns“, sagt Thilo Maack, Meeresexperte bei Greenpeace. Neben den Mikroplastikproben fand die Umweltschutzorganisation zwischen den Eisbergen auch Plastikmüll der Fischerei wie Bojen, Netze und Planen.

 

© 320°/dpa | 07.06.2018

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