Förderung von Ersatzbaustoffen

Mit einer Steuer auf Primärbaustoffe und einer diskriminierungsfreien Ausschreibung will die Politik erreichen, dass in Zukunft mehr Recyclingbaustoffe eingesetzt werden. Schon bald sollen die Beratungen beginnen. Auf dem Papier steht die Höhe der Steuer schon fest.

Primärbaustoffsteuer: Das Konzept steht


Werden Häuser abgerissen, fällt jede Menge Bauschutt an – pro Jahr circa 55 Millionen Tonnen. Drei Viertel davon werden als Recyclingbaustoffe verwertet. Allerdings werden diese Produkte bei der öffentlichen Vergabe kaum berücksichtigt. Das Umweltbundesamt (UBA) will das nun ändern.

Geplant ist zum einen eine diskriminierungsfreie Ausschreibung durchsetzen. „Das heißt, Gesteinskörnungen und daraus erstellte Betone werden nicht nach ihrer Herkunft, also Primär- oder Sekundärbaustoff, sondern ausschließlich nach ihren bauphysikalischen Eigenschaften ausgeschrieben“, erklärt Hermann Keßler, Leiter des Fachgebietes ‚Ressourcenschonung, Stoffkreisläufe, Mineral- und Metallindustrie‘ beim Umweltbundesamt. Ausschreibungen dieser Art würden bereits bei Projekten im Bund praktiziert – und sollen auf alle Bundesländer und kommunale Gebäude ausgeweitet werden.

Zum anderen plant das UBA eine Steuer auf Primärbaustoffe, um Recyclingbaustoffe marktfähiger zu machen. Diese soll zunächst für Bausande, Baukies und Naturgips erhoben werden und bei drei Euro pro Tonne liegen. Dem Vernehmen nach steht das Konzept bereits und soll nach Abschluss der Bundesratsberatungen zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung in die fachliche Diskussion eingebracht werden.

Überlegungen für eine solche Steuer gibt es schon länger. Im Zuge der aktuellen Diskussion um Engpässe beim Rohstoff Sand ist sie wieder im Rampenlicht gerückt. Sand ist mengenmäßig die am meisten verbrauchte Ressource nach Luft und Wasser und wird aufgrund des Baubooms weltweit knapp. Sandstrände sind die neuen Rohstofflager, glauben manche Experten schon zu wissen.


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[su_spoiler title=“Was ist Sand und wofür wird er gebraucht?“]

  • Sand ist ein Lockergestein, das sich aus Mineralkörnern mit einer Größe von 0,063 und 2 Millimeter zusammensetzt. Damit ist Sand gröber als Schluff, aber feiner als Kies. Wüstensand ist zum Bauen nicht geeignet. Das liegt an seinen vom Wind abgeschliffenen, glatten Körnern.
  • In Deutschland werden jährlich circa 235 bis 253 Millionen Tonnen Kies und Sand gefördert. Beide Gesteinsarten werden häufig gemeinsam abgebaut. Der Sandanteil liegt bei circa 50 Prozent.
  • Zusätzlich gelangen 10 Millionen Tonnen an Sand pro Jahr per Import aus grenznahen Gebieten in die Bundesrepublik. Etwa zwei Millionen Tonnen werden exportiert.
  • Zehn Millionen Tonnen der hierzulande geförderten Menge sind hochreiner Quarzsand. Dieser wird für die Herstellung von Glas, Photovoltaik, Mikrochips sowie Reinigungs- und Nahrungsmittel verwendet. Die übrige abgebaute Menge fließt in die Betonproduktion.

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Keßler zufolge ist der Rohstoff hierzulande zwar nicht knapp. „Jedoch entstehen regionale Probleme durch Nutzungskonkurrenzen.“ Als Beispiel nennt er Baden-Württemberg. Dort stünden circa 85 Prozent der Landesfläche einem Rohstoffabbau per se nicht zur Verfügung und die restliche Fläche müsse erst einmal mit Sandvorkommen zusammentreffen.

Das Problem lässt sich aber lösen: Entweder dadurch, dass neue Abbaugebiete schneller genehmigt und Genehmigungsvorläufe reduziert werden. So fordert es der Bundesverband Mineralische Rohstoffe. Oder aber, indem mehr feinkörniger Bauschutt aus Recyclinganlagen – also Recyclingsand – in neue Anwendungen fließt.

„Die größte Hürde ist dabei die ‚Nierenfunktion‘ der Feinfraktion“, sagt Diplom-Ingenieur Keßler. Das bedeutet, Schadstoffe wie Sulfate, etwa aus Gipsbauteilen, finden sich überproportional in der Sandfraktion wieder. „Bisher ist uns keine wirtschaftlich arbeitende Anlage bekannt, die diese Schadstoffe sicher entfernt.“

Allerdings arbeiten Wissenschaftler bereits an einem solchen Verfahren. Experten der Fraunhofer-Institute für Bauphysik, für Materialfluss und Logistik, für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik und für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung haben sich für Projekt ‚BauCycle‘ zusammengeschlossen. Ihre Idee ist ein optopneumatisches Sortierverfahren für feinkörnigem Bauschutt:

  • Dabei werden die Bestandteile des Bauschutts zunächst vereinzelt und über ein Förderband transportiert.
  • Eine Infrarotkamera mit speziellen Filtern scannt das Material auf Farbe, Helligkeiten und chemische Unterschiede in den Partikeln, etwa „sulfatisch“ oder „silikatisch“.
  • Am Ende des Förderbands fallen die Partikel an Düsen vorbei, die die Hauptkomponenten – Kalksandstein, Ziegel, Altbeton und eine Mischfraktion – mittels gezielter Luftdruckstöße in unterschiedliche Behälter schießen.
  • Daraus werden anschließend verschiedene Mischungen kreiert und neue Bauteile gefertigt. Bis dato haben die Projektbeteiligten im Labor Porenbeton, ein Geopolymer sowie einen Leichtzuschlagstoff hergestellt, der im Hochbau genutzt werden kann.

Aktuell kann die Anlage 1,5 Tonnen Material pro Stunde sortieren. Sollte das Verfahren in Serie gehen, könnten rund fünf Millionen Tonnen feinkörniger Bauschutt einer neuen Bestimmung zugeführt werden. Das wäre ein großer Fortschritt. Doch dafür muss dann auch das bestehende Akzeptanzproblem Recyclingbaustoffen gegenüber beseitigt werden.

 

© 320°/bs | 22.11.2018

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