Neue Verfahrensansätze

Ob Smartphone, E-Fahrzeug oder Solaranlage: Überall werden seltene Erden benötigt. Auf den größten Vorkommen sitzt China. Um unabhängiger von Importen zu werden, sind intelligente Recyclinglösungen gefragt. Die Chemie könnte sie liefern.

Recycling von Seltenen Erden: So geht’s mit chemischen Verfahren


Seit 2011 stehen Seltene Erden auf der Liste kritischer Rohstoffe für die EU. Denn Europa ist komplett auf Quellen von Ländern außerhalb der EU angewiesen – in den meisten Fällen auf China. Rund 8.350 Tonnen Seltene Erden werden in Europa pro Jahr verbraucht. Recycling könnte ein Weg sein, den Bedarf zu stillen.

Noch ist es schwierig, die Elemente im industriellen Maßstab aus End-of-Life-Produkten zurückzugewinnen. Darüber hinaus ist es schwierig, die chemisch sehr ähnlichen (lanthanoiden) Elemente umweltverträglich voneinander zu trennen, nach dem die Erze abgebaut worden sind. Aber es gibt vielversprechende Ansätze. Einige davon hat Lena Daumann, Professorin für bioanorganische Chemie an der LMU München, kürzlich in den „Nachrichten aus der Chemie“ vorgestellt.

Die Verfahren stellen wir im Folgenden in gekürzter Form dar:

  • Leuchtstoffrecycling mit ionischen Flüssigkeiten

Das erste Verfahren wurde von Forscher aus Belgien entwickelt. Ihr Ziel, Europium-dotiertes Yttriumoxid aus Leuchtstoffabfällen aus Energiesparlampen zurückzugewinnen. Diese Yttriumoxid-Leuchtstoffe liefern warmes Licht und machen circa 20 Gewichtsprozent des Leuchtstoffabfalls aus.

Die Abfälle werden zunächst 24-Stunden lang bei 80 Grad Celsius mit ionischen Flüssigkeiten behandelt. Dabei werden die Seltenerdelemente mobilisiert. Anschließend wird das Gemisch mit Oxalsäure versetzt. Es bilden sich sogenannte Oxalatokomplexe der Seltenerdelemente, die als Feststoff von der ionischen Flüssigkeit abgetrennt werden können.

Zum Schluss wird durch Kalzinierung bei 950 Grad Celsius Kohlendioxid freigesetzt und Europium-dotiertes Yttriumoxid wiedergewonnen. Unter optimierten Bedingungen lässt sich sogar ein Leuchtstoff wiedergewinnen, der fast dieselben Eigenschaften wie der Originalleuchtstoff hat und so direkt wieder eingesetzt werden kann.

  • Recyceln mit Bakterien

Der zweite Ansatz nutzt Bakterien. Denn einige dieser mikroskopischen kleinen Lebewesen benötigen Seltenerdelemente zum Wachsen. Zum Beispiel hat Methylobacterium extorquens eine Vorliebe für leichte Seltenerdelemente (Lanthan, Cer, Neodym). Bei Bedarf kann der Organismus auch auf neodymhaltige Festplattenmagneten zurückgreifen. Weil das Bakterium Seltenerdelemente in die Zelle transportiert, ist es ebenfalls interessant für die mikrobielle Erzlaugung (Biomining).

  • Trennen mit Bakterien

Auch für die Trennung schwerer Seltenerdelemente von ihren leichteren Verwandten könnten Bakterien infrage kommen. Im Jahr 2016 haben Forscher der Universität Harvard in einer Studie gezeigt, dass immobilisierte Roseobacter-sp.-Bakterien in der Lage waren, die drei schwersten Seltenerdelemente, Thulium, Ytterbium und Lutetium, von den anderen zu trennen.

Bei einem pH-Wert von 6 (neutral) sind zunächst alle Elemente an der Oberfläche der Bakterien gebunden. Wird das umgebende Medium aber auf pH 2,5 angesäuert, werden alle Elemente von Lanthan bis Erbium wieder freigesetzt. Nur Thulium, Ytterbium und Lutetium bleiben gebunden – aufgrund ihres geringen Ionenradius. Welche Strukturen auf der Bakterienoberfläche dafür verantwortlich sind, wird derzeit untersucht.

  • Elektrokinetisch oder supramolekular trennen

Zwei weitere Verfahren nutzen aus, dass die Lanthanoide, auch wenn sie chemisch sehr ähnlich sind, aufgrund der Lanthanoiden Kontraktion im Verlauf der Reihe immer kleiner werdende Ionenradien besitzen. Dies beeinflusst wie diese Elemente mit Bindungspartnern (Liganden) wechselwirken und diese kleinen Unterschiede können zur Trennung genutzt werden. Im ersten Fall nutzte eine Forschergruppe aus den USA einen elektrochemisch aktiven Bindungspartner (TriNOxH3). Dessen elektrochemisches Verhalten wird vom jeweils gebundenen Seltenerdelement beeinflusst. Unterm Strich soll so eine einfache Trennung durch Auslaugen möglich sein.

Einen supramolekularen Ansatz zur Trennung von Lanthanoiden haben in diesem Jahr Forscher aus China und der Schweiz vorgestellt. Dabei kommt ein sogenannter tris-tridentater Ligand zum Einsatz. Dieses Molekül baut bevorzugt mit den kleineren, späten dieser Elemente eine käfigartige Struktur. Auf diese Weise können diese von den frühen und größeren Seltenerdelementen getrennt werden.


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  • Im Jahr 2015 wurden weltweit etwa 130.000 Tonnen Seltene Erden gefördert.
  • Die größte Menge stammte aus China.
  • Beim Abbau einer Tonne Seltenerdoxid fallen 60.000 Kubikmeter giftige Schwefel- und Fluorwasserstoffsäure. Außerdem entstehen 200 Kubikmeter säurehaltige Abwässer und 1,4 Tonnen feste radioaktive Abfälle, heißt es im Buch „Seltene Erden – Umkämpfte Rohstoffe des Hightech-Zeitalters“.
  • Zu den Seltenen Erden werden 17 Elemente gezählt. Dazu gehören Scandium und Yttrium, dann folgen die Lanthanoide: Lanthan bis Lutetium.
  • Bekannte Vertreter der Seltenen Erden sind Neodym und Europium sowie Gadolinium, Terbium und Dysprosium.

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Den kompletten Artikel von Chemieprofessorin Lena Daumann lesen Sie hier.

 

© 320°/bs | 20.08.2018

 

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