Einsatz von Recyclingbeton in der Schweiz

Die Schweiz zeigt, wie’s geht: Seit Jahren schon wird in dem Nachbarstaat der Einsatz von Recyclingbaustoffen im Hochbau gefördert. Und zwar nicht nur im Tiefbau, sondern vor allem im Hochbau. Die Stadt Zürich vergibt sogar Bauaufträge nur dann, wenn ein gewisser Prozentsatz des Betons aus Recyclingmaterial besteht.

Recyclingbaustoffe: Klassenprimus Schweiz


In Sachen Baustoffrecycling ist die Schweiz so etwas wie der Klassenprimus. Während in Deutschland nur zögerlich mit Recyclingbaustoffen gebaut wird und sie vor allem im Tiefbau verwendet werden, so ist es in dem Alpenstaat längst üblich, die Sekundärmaterialien einzusetzen – auch im Hochbau. Die Stadt Zürich fördert den Einsatz von Recyclingbaustoffen sogar ganz besonders: Sie hat den Einsatz von Recyclingbeton (RC-Beton) bei öffentlichen Aufträgen längst zur Pflicht gemacht.

In der Schweiz werden jährlich rund 50 Millionen Tonnen Baustoffe benötigt. Darüber hinaus fallen nach Angaben des Aushub-, Rückbau-, und Recycling-Verbands Schweiz pro Jahr etwa 14 Millionen Tonnen Bauabfälle an. Fast ein Fünftel (9,3 Millionen Tonnen) des Baustoffbedarfs wird dabei bereits mit Recyclingbaustoffen – in der Schweiz werden sie Rückbaustoffe genannt – abgedeckt. In den kommenden Jahren soll dieser Anteil noch deutlich höher werden. In der Studie „Modellierung der Bau-, Rückbau- und Aushubmaterialflüsse: Überregionale Betrachtung“, die das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich herausgegeben hat, gehen Experten davon aus, dass bis zum Jahr 2035 der Baustoffbedarf aufgrund des abnehmenden Bevölkerungswachstums stark zurückgehen wird. Dem gegenüber wird die Menge an mineralischen Abfällen unter anderem wegen stetiger Sanierungen wohl steigen.

„Durch den sinkenden Baustoffbedarf bei gleichzeitig ansteigendem Rückbaumaterialanfall nimmt der Anteil der Rückbaustoffe am Baustoffbedarf von heute rund 20 Prozent bis 2035 auf über 55 Prozent zu“, heißt es in der AWEL-Studie. Das bedeutet, so die Autoren, dass die Rückbaustoffe künftig vor allem in gebundener Form in Beton auch vermehrt im Hochbau eingesetzt werden müssen.

Plattform eco-bau

Dass die Schweizer sich nicht scheuen, Recyclingmaterial – besonders Recyclingbeton – im Bau einzusetzen, haben sie schon über viele Jahre bewiesen. So gibt es beispielsweise seit rund zehn Jahren die Plattform eco-bau. Dieser Zusammenschluss von Bund, Kantonen und Städten hat ein eigenes Label für Neubauprojekte für die Kategorien Verwaltung, Schulen und Wohnen herausgegeben. Dabei ist in dem Sektor Baustoffe/Bauweise ausdrücklich die Verwendung von Recyclingbaustoffen gefordert.

„RC-Beton ist für die häufigsten Anwendungen im Hochbau (auch Sichtbeton) geeignet“, heißt es da in den Vorgaben. In anderen Ländern scheuen sich die Behörde bis heute, solche Sätze im Zusammenhang mit Hochbau offiziell auszusprechen. Und es geht noch weiter unter der Sektion Beton: „Einsatz von Primärbeton nur, falls RC-Beton nicht innerhalb einer Transportdistanz von 25 km verfügbar ist“, lautet die Vorgabe des Labels.

Ziel: 65 Prozent Wiederverwendung für Rückbaustoffe

Grundsätzlich gibt es jedoch keine generelle Pflicht, RC-Beton einzusetzen. „Ob der Einsatz ein Muss ist, bestimmt der Bauherr. Dies ist auch bei der öffentlichen Hand nicht anders “, sagt Michael Pöll, Bauökologe im Amt für Hochbauten der Stadt Zürich. Sein Arbeitgeber jedoch macht für den Einsatz von RC-Beton klare Vorgaben. „Für die Stadt Zürich ist der Einsatz und die Mindestmenge als Vertragsbestandteil verbindlich vorgeschrieben.“

Das heißt, wer in Zürich einen Bauauftrag von der Stadtverwaltung erhalten will, muss mit einem gewissen Anteil von RC-Beton bauen. Als RC-Beton gilt vereinfacht gesagt Beton nach der Norm SN EN 206-1, dessen Gesteinskörnung zu 25 bis 100 Massenprozent aus Material aus Betongranulat oder Mischabbruchgranulat besteht. In der „Richtlinie für Nachhaltiges Bauen“ der öffentlichen Bauherren ist als Bedingung für Werkleistungen im Hochbau festgeschrieben: „Der eingesetzte Recycling-Beton weist bei Konstruktionsbeton einen Gehalt an Recyclinggesteinskörnung von mindestens 50 Massen-Prozent, bei Füll-, Hüll- und Unterlagsbeton einen Gehalt an Recyclinggesteinskörnung von mindestens 80 Massenprozent auf. Für Hinterfüllungen sind nach Möglichkeit Recyclingmaterialien (z.B. Recycling-Kiessand) zu verwenden.“ Pöll rechnet vor: „Der Anteil Recycling-Beton liegt bei der Stadt Zürich erfahrungsgemäß zwischen 70 Prozent und 90 Prozent aller Betonierarbeiten, was pro Jahr einer Recycling-Betonmenge von knapp 17.000 Kubikmeter entspricht.“

Derzeit werden im gesamten Kanton Zürich rund 36 Prozent der mineralischen Rückbaustoffe in gebundener Form wieder verwendet – Asphalt ist dabei nicht mit eingerechnet. Insgesamt fallen durch Abriss und Erneuerung des Bauwerks jährlich rund 2,5 Millionen Tonnen Rückbaustoffe an. Etwa drei Viertel davon sind mineralische Baustoffe. „Diese teilen sich auf in 1,2 Millionen Tonnen Beton, 0,8 Millionen Tonnen Kies und Sand, 0,5 Millionen Tonnen Mauerwerk, Glas, Keramik und Gips“, sagt Manuel Stark, im Kanton Zürich verantwortlich für Rückbaustoffe und Bauabfallanlagen. Das ehrgeizige Ziel seiner Abteilung lautet, bis zum Jahr 2022 rund 65 Prozent der Rückbaustoffe wieder in gebundener Form einzusetzen.

Keine Bedenken für Hochbau

Skepsis gegenüber des RC-Beton-Einsatzes im Hochbau hat Stark nicht. „Bei durchschnittlichen Anwendungen gibt es keine Bedenken“, sagt er. Die Erklärung für den geförderten Einsatz klingt simpel: hoher Siedlungsdruck und hohe Baudichte, hohe Erneuerungsrate der Bausubstanz, innovative Unternehmen und genügend großer Abnehmermarkt sowie die hohe Sensibilisierung für Nachhaltigkeitsthemen – sowohl beim Bauherren als auch beim Mieter.

Ausnahmen für den Einsatz gibt es jedoch auch. Beispielsweise für Spezialbetone im Frost- oder Tausalzbereich. „Die Ansprüche, die an den RC-Beton gestellt sind, werden von den innovativen Unternehmen angepasst und stets weiter entwickelt“, sagt Stark. Um den Austausch der Unternehmen zu fördern, hat das AWEL im Jahr 2003 die Plattform „Kies für Generationen“ gegründet. „Die Plattform versteht sich als Think Tank und will der Baubranche Wissen über Angebot, Verwendung und Herstellung von Rückbaustoffen vermitteln und den Austausch zwischen den Akteuren fördern“, sagt Stark.

Neben der weiteren Förderung von RC-Beton im Hochbau sollen künftig auch andere Recyclingbaumaterialien häufiger verwendet werden. „Richtig etabliert hat sich erst der Recycling-Beton mit Recyclinggesteinskörnungen aus aufbereitetem Betonabbruch“, sagt Pöll. Potenzial sieht er vor allem bei Recyclinggesteinskörnungen aus aufbereitetem Mischabbruch. Auch andere Baumaterialien aus Recyclingbaustoffen oder mit Recyclingbestandteilen werden bereits beim Neubau eingesetzt. Dazu gehören zum Beispiel Glaswolledämmstoffe aus Altglas oder Zellulose-Dämmflocken aus Altpapier. „Im Vergleich zu Recyclingbeton sind das aber kleine Mengen“, sagt Pöll. „Bei weiteren Recyclingbaustoffen dürfte es sich um Nischenprodukte mit vernachlässigbarem Marktanteil handeln.“

© 320°/ek | 27.02.2015

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