Styroporabfälle

Im kommenden Jahr können HBCD-haltige EPS-/XPS-Abfälle in einer Demonstrationsanlage stofflich verwertet werden. Die Anlage wird getragen von einer länderübergreifenden Initiative aus 13 Ländern. Auch der Aufbau eines Sammelsystems ist geplant.

Recyclinglösung für HBCD-belastete Abfälle


Am 7. November hat die Initiative „Kooperative Polystyrene Loop“ in Amsterdam ihre Recyclinglösung für HBCD-haltige EPS-/XPS-Abfälle vorgestellt. Bislang werden Abfälle, die das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) enthalten, meist verbrannt. Ab 2018 könnten sie in einer Demonstrationsanlage in den Niederlanden aufbereitet werden. Das Projekt wird von der EU finanziell unterstützt.

Bei der Veranstaltung sagte Paolo Sandri von der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission: „Diese Altchemikalien sind eine der Herausforderungen auf unserem Weg zu geschlossen Produktkreisläufen.“ Das PSL-Projekt sei ein bedeutender Durchbruch und liefere einen wesentlichen Beitrag zu den Bemühungen der EU, eine nachhaltige, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft zu entwickeln.

Wie die Initiative mitteilt, sollen HBCD-haltige EPS-/XPS-Abfälle mit dem vom Fraunhofer IVV entwickelten CreaSolv®-Prozess aufbereitet werden. Mittels des physikochemischen Verfahrens werden die Verbundabfälle zunächst mit einem Lösungsmittel benetzt. Dabei löst sich EPS oder XPS auf und kann durch Fest-Flüssig-Trennung vom mineralischen Anteil, der das unerwünschte HBCD enthält, separiert werden.

Im zweiten Schritt wird der Polystyrol-Strom aufgereinigt, ausgefällt, getrocknet und als PS für neue Schäume in den Kreislauf zurückgeführt. Der Schlamm inklusive HBCD wird einer Sondermüllverbrennungsanlage zugeführt. Dabei wird der Stoff zerstört und gleichzeitig Brom wiedergewonnen, dass für die Produktion neuer Flammschutzmittel verwendet werden kann.


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[su_spoiler title=“Stichwort: Expandiertes Polystyrol“]

  • Expandiertes Polystyrol (EPS), besser bekannt als Styropor, kommt vor allem als Verpackungsmaterial und Dämmstoff zum Einsatz. 80 Prozent aller Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) bestehen aus EPS.
  • Expandiertes Polystyrol wurde bis vor kurzem noch mit 0,7 bis 1 Prozent Hexabromcyclododecan (HBCD) als Flammschutzmittel ausgerüstet. Laut einer Studie im Auftrag der BKV sind derzeit noch etwa 7,2 Millionen Tonnen HBCD-haltige EPS-Dämmstoffe in Bauanwendungen bundesweit installiert.
  • Seit 2016 fällt HBCD unter das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (POP-Konvention). Alle HBCD-haltige Abfälle mit mehr als 0,1 Gewichtsprozent HBCD (1.000 Milligramm je Kilogramm) gelten seitdem als gefährlicher Abfall.
  • Laut BKV-Studie fielen im vergangenen Jahr in Deutschland 110.000 Tonnen Post-Consumer-EPS-Abfälle an. Darunter sind geschätzt etwa 40.000 Tonnen HBCD-haltige Bauabfälle.
  • Aufgrund des vermehrten Rückbaus wird die Menge an HBCD-haltigen Bauabfällen in Deutschland bis 2050 auf etwa 50.000 Tonnen jährlich steigen. Für Europa rechnen die Polystyrene Loop-Verantwortlichen mit 20 Millionen Tonnen in den kommenden 50 Jahren.

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Dass das Verfahren funktioniert, wurde bereits 2016 in einer Testanlage beim Projektpartner ICL-IP im niederländischen Terneuzen gezeigt. Dabei ließ sich mehr als 99,7 Prozent des HBCD aus EPS entfernen, heißt es. Das erzeugte PS-Recyclat enthalte weit weniger als 100 parts per million HBCD. Darüber hinaus konnte den Verantwortlichen zufolge mehr als 99,999 Prozent des Broms zurückgewonnen werden. Somit würden die strengen Gesamtreinigungseffizienz-Grenzwerte der BASEL-POP-Richtlinien erfüllt.

Die nun geplante Demonstrationsanlage soll in der niederländischen Provinz Noord-Brabant, zwischen Amsterdam und Antwerpen gelegen, errichtet werden. Sie soll 2018 in Betrieb gehen und bis zu 3.300 Tonnen EPS-/XPS-Abfälle pro Jahr aufbereiten können. Jährlich könnten 2.100 Tonnen PS-Gel und 43 Tonnen Brom gewonnen werden. Zudem ist der Aufbau eines Sammelsystems für den Abfallstrom vorgesehen.

Das PSL-Projekt hat ein Gesamtvolumen von knapp neun Millionen Euro und wird bis 2021 mit circa 2,7 Millionen Euro aus dem Umweltförderprogramm LIFE der EU gefördert. Die Finanzierung übernehmen teilweise die Mitglieder des Projekts (2,1 Millionen Euro), die restliche Summe wird in Form eines Kredits der Rabobank (4,5 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt.

Polystyrene Loop ist aus einer 2015 gestarteten Initiative hervorgegangen und wird inzwischen von 56 Mitgliedern aus 13 Ländern getragen. Dazu zählen der europäische Verband der EPS-Branche (EUMEPS), die Europäische Gesellschaft für Wärmedämm-Verbundsysteme mit Putzschicht (EAE) und Plastics Europe.

Aus deutscher Sicht engagieren sich der Industrieverband Hartschaum (IVH) der Fachverband WDVS und die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. Darüber hinaus unterstützen Unternehmen wie BASF, Lanxess, Suez, der israelische Hersteller von Industriechemikalien ICL sowie diverse Dämmstoff- und Maschinenhersteller das Projekt. Geschäftsführer sind Lein Tange und Jan Noordegraaf.

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