Behördlicher Vollzug

Ohne Vollzug ist ein Gesetz nicht viel wert. Für Behörden ist es jedoch schwierig geworden, ihrer Aufgabe nachzukommen. Nicht nur aufgrund knapper Ressourcen, sondern auch wegen wenig praktikabler Gesetze, wie ein Behördenvertreter berichtet.

„Regelmäßige Überwachung kann nicht stattfinden“


Behörden sind nicht nur für den Vollzug der gesetzlichen Vorgaben zuständig. In vielen Fällen wird auch der Anspruch an sie herangetragen, die Stoffströme im Sinne der fünfstufigen Abfallhierarchie des KrWG zu lenken. Theoretisch ist das möglich. In der Realität fehlen jedoch oftmals die nötigen In­strumente – beispielsweise bei nicht gefährlichen Abfällen.

Bei solchen Abfällen stoße eine behördliche Stoffstromlenkung schnell auf praktisch unüberwindliche Hindernisse, erklärte Ulrich Kleemann von der rheinland-pfälzischen Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD Nord) am Dienstag beim Kasseler Abfallforum. So fehle den Abfallbehörden häufig schon die Möglichkeit, Stoffströme überhaupt verfolgen zu können. Dies sei die Folge der vorangetriebenen Entbürokratisierung und der damit verbunden Zurückdrängung staatlicher Überwa­chung von Stoffströmen. Als Beispiel nannte er die Abschaffung des ver­einfachten Entsorgungsnachweises für nicht gefährliche Abfälle zum 1. Februar 2007.

Hinzu kommt die knappe Personaldecke. „Eine regelmäßige Überwachung von Erzeugern nicht gefährlicher Abfälle hinsichtlich der Einhaltung ihrer abfallrechtlichen Pflichten kann aufgrund fehlender personeller Kapazitäten nicht stattfinden“, stellte Kleemann klar. Nicht von ungefähr setzt der Gesetzgeber in der neuen Gewerbeabfall-Verordnung wohl stark auf die Eigenüberwachung. „Der Vollzug der Verordnung soll im Wesentlichen durch die Abfallerzeuger und Betreiber von Vorbehandlungs- und Aufbereitungsanlagen selbst erfolgen“, erklärte Kleemann.

So müssten die Abfallerzeuger und Anlagenbetreiber die Erfüllung ihrer Pflichten selbst dokumentieren und sich hierüber gegenseitig Nachweise geben. Bei bestimmten Vorgaben müssten sie die Erfüllung durch Sachverständige überprüfen zu lassen. „Diese weitgehende Privatisierung der Überwachung öffentlich-rechtlicher Pflichten liegt durchaus im Trend der Zeit“, so Kleemann.

„Kaum vollziehbar“

Erschwerend kommt hinzu, dass bei den gesetzlichen Zielsetzungen aus Kleemanns Sicht oft ein eindeutiger und praktikabler Rechtsrahmen fehlt. „Die Ziele sind häufig nicht so operational, dass man vonseiten einer staatlichen Vollzugsbehörde lenkend eingreifen und – gegebenenfalls gegen den Widerstand der Betroffenen – einen anderen Entsorgungsweg vorschreiben und dessen bessere Vereinbarkeit mit den Zielen der Abfallwirtschaft gerichtsfest begründen könnte.“

Als Beispiel für eine weitere Herausforderung für die Behörden nannte Kleemann das „unbestimmte Normprogramm“ der Paragrafen 2 und 8 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Dieses Regelungsgestrüpp werde in der Fachliteratur pointiert auch als „kaum vollziehbar“ bezeichnet, so der Behördenvertreter.

Was er ebenfalls vermisst, sind konkrete Instrumentarien für die zuständigen Behörden. „Ohne Instrumente zu einer wirksamen Stoffstromlenkung sind anspruchsvolle gesetzliche Ziele zur fünfstufigen Abfallhierarchie, der hochwertigen und vollständigen Verwertung nicht mehr als Lippenbekenntnisse.“

Beispiel Bioabfallverwertung

Dass es den Abfallbehörden nicht gelingt, die Stoffströme im Sinne der fünfstufigen Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) zu lenken, zeigt sich nach Kleemanns Auffassung bei der gesetzlich geforderten hochwertigen Bioabfallverwertung. Hierfür gibt es im Zuständigkeitsgebiet der SGD Nord unterschiedliche Abfallwirtschaftskonzepte der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Elf der insgesamt 16 Gebietskörperschaften haben demnach eine flächendeckende Biotonne, fünf setzen auf ein Bringsystem.

Ein Kreis wolle sogar die Biotonne, die immerhin einen Anschlussgrad von 50 Prozent gehabt habe, abschaffen und durch ein Bringsystem ersetzen. „Da verwundert es nicht, dass die erfassten Bioabfälle im Jahr 2016 zwischen 74 und 326 Kilogramm pro Einwohner variierten“, sagte Kleemann.

Eine hochwertige Bioabfallverwertung, sprich Kaskadennutzung, erfolge in nur sechs der Gebietskörperschaften. Zwei Kreise hätten sie immerhin für Teilströme realisiert. Damit hat die Hälfte der Kreise und kreisfreien Städte im Gebiet der SGD Nord keine Kaskadennutzung umgesetzt. Einzelne Kreise würden sogar technikoffen ohne Forderung nach der Hochwertigkeit ausschreiben.

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