Entwicklung einer abfallfreien Gesellschaft

Die hessische Umweltministerin Priska Hinz begrüßt die ehrgeizigen Recyclingziele der EU-Kommission. Doch sie warnt vor zu hohen Erwartungen. Deutschland hat schon vor 20 Jahren mit der Einführung der Kreislaufwirtschaft begonnen. Die Bilanz sei ernüchternd.

Reine Augenwischerei


Die EU-Kommission will die Recyclingziele deutlich erhöhen, doch Hessens Umweltministerin Priska Hinze will nicht ohne weiteres in den Kanon der Befürworter einstimmen. Mit der Vorgabe neuer Ziele und Rechtsvorschriften allein sei es nicht gemacht, gibt die Grünen-Politikerin zu bedenken. Wichtig sei vielmehr die Umsetzung.

Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeige, dass es vor allem darauf ankomme, kompetente Vollzugsbehörden und effektive Vollzugsprogramme zu organisieren, um dafür zu sorgen, dass die Ziele umgesetzt und die Rechtsvorschriften vollzogen werden, betont die Ministerin. Mit dem angestrebten Deponieverbot für recycelbare Abfälle und dem weiteren Ausbau des Abfallrecyclings werde es nicht gelingen, eine abfallfreie Gesellschaft zu entwickeln. Dies sei „reine Augenwischerei“.

Um die Abfallerzeugung zu verringern, sei ein Maßnahmenpaket nötig, das über die Vorschläge der Kommission hinausgeht. „Ziel muss eine gesteigerte Ressourceneffizienz, die Reduzierung des Verbrauchs natürlicher Rohstoffe und der verstärkte Einsatz von Sekundärrohstoffen in der Bauwirtschaft und der industriellen Produktion sein“, gibt Hinz vor. Hierzu könne die Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten, indem natürliche Ressourcen geschont sowie Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen geschützt werden.

In Deutschland seien bereits vor 20 Jahren mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz erste Schritte zur Einführung der Kreislaufwirtschaft unternommen worden. Auch dürfen seit 2005 keine biologisch abbaubare Abfälle mehr deponiert werden. Dennoch ist die Bilanz aus Sicht der hessischen Umweltministerin ernüchternd:

  • Gegenwärtig werden zwar rund 90 Prozent der mineralischen Abfälle verwertet, doch zugleich werden nur 15 bis 20 Prozent des Baustoffbedarfs abgedeckt. Folglich müssen weiterhin erhebliche Mengen an Kies, Sand und Natursteinen gewonnen bzw. abgebaut werden.
  • Obwohl seit mehr als 20 Jahren die Getrenntsammlung und Kompostierung von Küchen- und Gartenabfälle propagiert wird, verfügt bundesweit nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über eine Biotonne. Darüber hinaus werden noch immer Küchen- und Speiseabfälle überwiegend in der Restmülltonne gesammelt.
  • Nur 20 Prozent der in Deutschland abgemeldeten Fahrzeuge werden entsprechend den Anforderungen der Altfahrzeugverordnung ordnungsgemäß demontiert. Die Erfassungsquote für ausgemusterte Elektronik- und Elektroaltgeräte beträgt etwa 45 Prozent. Der Verbleib der übrigen Geräte ist ungeklärt.
  • Unbefriedigend ist auch die Rückgewinnung von Edelmetallen aus den erfassten Altgeräten. Während Eisen, Chrom, Nickel, Kupfer und Zink über 50 Prozent recycelt werden, liegt die Recyclingquote der für die elektronischen Bauteile und Antriebsaggregate benötigten „seltenen Erden“ niedriger als ein Prozent.

Aufgrund dieser Defizite sei es notwendig, das öffentliche Bewusstsein für Abfallvermeidung und Ressourceneffizienz sowie für Getrenntsammlung und Recycling zu stärken. Neben ordnungsrechtlichen Vorgaben sollten wirtschaftliche Anreize für die Rückgabe von gebrauchten und hochwertigen Elektronikerzeugnissen eingeführt werden, fordert Hinz. Die Technologien für die weitergehende Abfallbehandlung und die Rückgewinnung von Wertstoffen seien fortzuentwickeln. Und nicht zuletzt sollte die behördliche Überwachung auf illegale Verbringungen und umweltgefährdende Praktiken stärker fokussiert werden.

Das Ziel der Kommission, in Europa eine abfallarme Kreislaufwirtschaft zu implementieren, sei ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung, betont die Politikerin. Doch die Missstände müssten die Mitgliedsstaaten in eigener Verantwortung beseitigen.

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