Rheinland-Pfalz

Coffee to go im Pappbecher ist praktisch und überall zu bekommen. Mehrwegbecher haben es daher schwer, sich durchzusetzen. Die Politik nimmt sich aber des Themas an, wie das Beispiel Rheinland-Pfalz zeigt.

Runder Tisch diskutiert über Mehrwegbecher-System


Gemeinsam mit Vertretern von Wirtschaft und Kommunen will das Umweltministerium Ideen für ein mögliches Mehrwegbechersystem in Rheinland-Pfalz sammeln. Es sei ein runder Tisch ins Leben gerufen worden, der sich Ende Mai das erste Mal getroffen habe, sagte eine Ministeriumssprecherin am Donnerstag in Mainz. Mit dabei seien unter anderem Verbände der Bäckereien, Konditoreien, die Innung der Metzgereien, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sowie der Landkreis- und der Städtetag.

Man sei sich einig, dass die Flut von Einwegbechern und die damit verbundenen „Müllberge“ reduziert werden müssten. Das Ministerium verwies auf Zahlen des Umweltbundesamtes, wonach der Verbrauch von Mitnahme-Bechern Schätzungen zufolge bundesweit derzeit bei rund 2,8 Milliarden Bechern im Jahr oder 320.000 Bechern pro Stunde liegt. Dadurch entstünden jedes Jahr etwa 40.000 Tonnen Müll.

Ein weiteres Treffen ist dem Ministerium zufolge nach der Sommerpause geplant. Gesprochen werde zum einen über ein mögliches eigenes Mehrwegbechersystem in Rheinland-Pfalz und über eine Ausweitung des im Nachbarland Hessen bereits bestehenden Systems „BecherBonus“ auf Rheinland-Pfalz.

Bei diesem System verkaufen teilnehmende Betriebe ein Heißgetränk mindestens zehn Cent günstiger, wenn Kunden eigene Becher mitbringen. Sofern sich auch in Rheinland-Pfalz genügend Unternehmen für „BecherBonus“ entscheiden, will ihnen das Umweltministerium dafür kostenlos Werbematerial bereitstellen.


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Coffee to go im Mehrwegbecher gibt es inzwischen in vielen Städten. Die Erfahrungen damit sind unterschiedlich. Generell befindet sich die Verwendung von Mehrwegbechern noch in der Aufbauphase, wie die Beispiele dreier Städte zeigen:

BEISPIEL HANNOVER

„Hannocino“ heißt der rote Mehrwegbecher in Hannover, den man gegen zwei Euro Pfand in 150 Cafés und Geschäften bekommt. Er besteht überwiegend aus Bestandteilen, die biologisch abbaubar sind. Im vergangenen August haben Stadt und der Abfallwirtschaftsbetrieb aha den „Hannocino“ eingeführt. 50 000 sind zurzeit im Umlauf – und könnten nach Schätzungen von aha mindestens 5,2 Millionen Pappbecher im Jahr einsparen helfen.

Gefragt ist das Mehrweg-System vor allem in der Innenstadt und in den Szene-Vierteln. „Es geht auch immer darum: Wie aufgeklärt sind die Menschen und wie sehr setzen diese auf Nachhaltigkeit?“, sagt Sprecherin Helene Herich.

BEISPIEL FREIBURG

Schon etwas mehr Erfahrung haben die Kollegen in Freiburg. Seit eineinhalb Jahren können Kunden in 112 Betrieben gegen einen Euro Pfand den „FreiburgCup“ aus recyclingfähigem Kunststoff bekommen. „Unsere Mehrwegbecher kommen überwiegend bei jungen Leuten gut an“, sagt Dieter Bootz vom Abfallwirtschaftsbetrieb ASF.

Rund um die Uni nutzten 60 Prozent der Coffee-to-go-Trinker den weiß-grünen „FreiburgCup“, woanders nur 20 bis 25 Prozent. Der Grund: „Es gibt Leute, die sind ihren Pappbecher gewohnt. Manche Kunden bestehen einfach drauf“, sagt Bootz. Und die großen Kaffee- und Imbissketten – die immerhin den Großteil des To-go-Verkaufs ausmachen – beteiligen sich wie in Hannover nicht an dem System.

BEISPIEL OLDENBURG

Auch in Oldenburg sind zunehmend mehr Menschen mit einem Pfandbecher in der Hand unterwegs, hat Stadtbaurätin Gabriele Nießen beobachtet. Im vergangen September hat die Stadt ein Mehrweg-System eingeführt. 50 Geschäfte geben die 8.500 Becher mit Stadt-Silhouette gegen einen Euro Pfand aus.

Doch das System sei noch nicht bei allen Kunden angekommen, sagt Nießen. „Wenn die Becher nicht vorne auf der Theke stehen und offensiv angeboten werden, läuft es schlechter.“ Deshalb will die Stadt jetzt noch einmal alle Gastronomen anschreiben.

„Noch in den Kinderschuhen“

Ob Hannover, Freiburg oder Oldenburg – in keiner Stadt funktionieren die Mehrwegbecher-Systeme perfekt. Die Deutsche Umwelthilfe sieht diese trotzdem als Erfolg. „Die Erfahrungen werden auf lokaler Ebene gemacht“, sagt Thomas Fischer, Leiter Abfallpolitik und Kreislaufwirtschaft. Das Ziel müsse aber ein bundesweites Pfandsystem sein wie das für Getränkeflaschen.

„Die Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen. Die Benutzung der Mehrwegbecher muss so einfach sein wie die der Einwegbecher“, meint Fischer. Zurzeit landen davon jährlich fast drei Milliarden auf dem Müll – Tendenz steigend. Deshalb sieht Fischer auch die Politik gefordert: Unternehmen und Kunden müssten mehr bezahlen, wenn sie Einweg statt Mehrweg benutzten.

 

© 320°/dpa | 14.06.2018

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