Tödliche Lkw-Unfälle

Abbiege-Assistenten in Lkw können Leben retten. Aber dennoch gibt es nur einen deutschen Lkw-Hersteller, der einen wirkungsvollen Abbiege-Assistenten auf den Markt gebracht hat. Das Assistenzsystem ist radarbasiert.

So wichtig – und doch so selten


Fußgänger und Radfahrer werden täglich im Straßenverkehr von abbiegenden Lkw gefährdet. Oft kommt es dabei zu schweren Unfällen. Elektronische Abbiegeassistenten könnten die Zahl der tödlichen Unfälle deutlich reduzieren. Erschreckend ist nur: Bislang bietet nur Mercedes-Benz wirkungsvolle Abbiegeassistenz-Systeme an – als einziger deutscher Lkw-Hersteller.

Die Stuttgarter haben ein radarbasiertes Sicherheitsassistenzsystem für Trucks entwickelt. Dieses scheint in den Augen des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) derzeit das Nonplusultra bei Abbiege-Assistenzsystemen zu sein. Denn in der Bewertung des BGL kommen allein solche Systeme gut weg.

Das Radarsensormodul überwacht laut Daimler den kompletten Bereich auf der rechten Seite des Fahrzeugs – inklusive Anhänger. Die Warnzone umfasst die komplette Länge des Zugs und eine Breite von 3,75 Metern. Der Abbiege-Assistent warnt den Fahrer in Form eines gelben Lämpchens, wenn sich eine Person beim Rechtsabbiegen im toten Winkel befindet. Bei einer drohenden Kollision wechselt das Warnlämpchen auf Rot und schlägt zudem einen Warnton an.

Wie Daimler erklärt, warnt das System den Fahrer aber nicht nur vor Fußgängern und Radfahrern. Es helfe ihm auch, Kollisionen mit stationären Hindernissen wie Ampeln, Verkehrsschilder oder Lichtmasten zu vermeiden.

Actros-Lkw haben zusätzlich noch einen Bremsassistenten

Schon 2014 hat Mercedes-Benz Lkw den Prototyp des Abbiege-Assistenten vorgestellt. Seit 2016 ist das System auf dem deutschen Markt erhältlich und laut Daimler mittlerweile in rund jedem dritten Lkw der Modelle Actros und Antos verbaut. Seit Neuestem sei der Assistent auch für den Econic, für den Mercedes-Benz Tourismo und für Setra Reisebusse verfügbar.

Die Actros-Fahrzeuge haben neben diesem Abbiege-Assistenten noch ein weiteres Sicherheitsfeature: den sogenannten Active Brake Assist 4. Dieses Sicherheitsassistenzsystem soll eine Teilbremsung auf sich bewegende Fußgänger vor dem Fahrzeug ermöglichen. Somit könne es helfen, Unfälle zu mindern oder gänzlich zu verhindern, wie Daimler verspricht.

EU-weite Nachrüstpflicht frühestens 2022

Neu ist die Problematik der tödlichen Unfälle von abbiegenden Lkw mit Fußgängern und Radfahrern nicht. Aber die schweren Unfälle in der jüngeren Vergangenheit haben die Diskussion und Assistenzsysteme neu entfacht. Damit ist auch der Druck auf Politik und Wirtschaft gestiegen, den Einbau von lebensrettenden Abbiegeassistenten endlich zur Pflicht zu machen.

Erst vor kurzem, im Juli, hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die „Aktion Abbiegeassistent“ ins Leben gerufen. „Zukünftig sollte kein Lkw mehr unterwegs sein, der nicht mit einem Abbiege-Assistenten ausgerüstet ist“, hofft er. „Dafür setze ich mich als Bundesminister ein – und ich werde nicht lockerlassen.“

Gesetzliche Vorgaben dürften allerdings weiter auf sich warten lassen. Zwar sieht der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD eine rasche Umsetzung der Nachrüstpflicht von Lkw mit Abbiege-Assistenten vor. Doch das Bundesverkehrsministerium (BMVI) verweist auf die EU-Ebene. Eine entsprechende Vorgabe aus Brüssel wird nach Einschätzung des BMVI wohl erst 2022 kommen.

BMVI macht mit Nachrüstpflicht ernst

Gleichwohl geht das BMVI mit guten Beispiel voran: Bis 2019 werden alle Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen der nachgeordneten Ministeriumsbehörden mit Abbiege-Assistenten ausgestattet, wie das Ministerium erklärt. Fahrzeuge, die neu angeschafft werden, müssen demnach mit derartigen Systemen ausgestattet sein. Bereits vorhandene Fahrzeuge sollen im Rahmen von turnusmäßigen Wartungen und Reparaturen nachgerüstet werden. Den Start macht laut BMVI die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung – mit mehr als 260 Lkw.

Darüber hinaus würden sich die Sicherheitspartner des BMVI dazu verpflichten, bereits vor dem verbindlichen EU-Einführungsdatum ihren Fuhrpark mit Abbiege-Assistenten nachzurüsten beziehungsweise ausschließlich Neufahrzeuge mit Abbiege-Assistenten anzuschaffen. Wer über keine eigene Flotte verfüge, verpflichte sich dazu, ausschließlich Fahrzeuge zu nutzen, die mit Abbiege-Assistenten ausgerüstet seien.

Unterdessen haben sich laut BMVI bereits die ersten Unternehmen der Aktion angeschlossen. Somit seien unter anderem Edeka und Netto sowie Aldi Nord, Aldi Süd, Alba, DB Schenker und weitere Logistikunternehmen offizielle Sicherheitspartner der BMVI-Aktion. Zudem soll jeder Fahrer, der mit einem Lkw mit Abbiege-Assistent unterwegs ist, das neue Trucker-Abzeichen #IchHabDenAssi bekommen.

 

© 320° | 15.08.2018

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