Konkurrenzdruck aus China

Die Konkurrenz durch Billigstahl aus China verhagelt die Ergebnisse mehrerer Stahlproduzenten. Unterstützung bekommt die Stahlindustrie nun von der EU-Kommission: Sie hat heute mehrere Anti-Dumping-Verfahren eröffnet und Schutzzölle auf bestimmte Stahlimporte verhängt.

Stahlkonzerne machen herbe Verluste


Europa wird von billigem Stahl aus China regelrecht überschwemmt. Das bekommen die hiesigen Unternehmen deutlich zu spüren. Das Industrie- und Rüstungsunternehmen ThyssenKrupp machte im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2015/16 im Stahlgeschäft herbe Verluste. Um 13 Prozent ging der Umsatz im Bereich „Steel Europe“ im Vergleich zum Vorjahresquartal zurück und lag damit bei 1,72 Milliarden Euro. Der operative Gewinn (EBIT) schrumpfte sogar um 28 Prozent auf 51 Millionen Euro. Die schlechten Ergebnisse im Stahlgeschäft führten dazu, dass Thyssenkrupp konzernweit einen Verlust von 23 Millionen Euro einfuhr.

Nicht ganz so hart hat das schwierige Marktumfeld den österreichischen Technologie- und Industriegüterkonzern Voestalpine getroffen. Da der Konzern sich vor allem auf Spezialstähle konzentriert, konnte ihm der Preisverfall nicht viel anhaben. So sind laut Quartalsbericht in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres Umsatz und Gewinn leicht gestiegen. Der Umsatz zog von 8,3 Milliarden Euro auf 8,4 Milliarden Euro an. Das EBIT verbesserte sich um 15,9 Prozent auf 727 Millionen Euro.

Trotzdem bleibt auch Voestalpine von der Stahlkrise nicht unberührt: Für das zweite Geschäftshalbjahr wird wegen des Preisverfalls mit schwächeren Umsatzzahlen gerechnet. Voest-Chef Wolfgang Eder stellte deshalb auf der Bilanzkonferenz ein Effizienzprogramm vor, bei dem unter anderem die Prozesse verbessert und die Kosten gesenkt werden sollen.

Rekordverlust für ArcelorMittal

Dramatisch rutschten dagegen die Bilanzzahlen von ArcelorMittal ab. Der weltweit größte Stahlkonzern machte im vergangenen Jahr einen Rekordverlust von 7,9 Milliarden US-Dollar (rund 7 Milliarden Euro). Der Umsatz sackte um fast ein Fünftel von 79,3 Milliarden US-Dollar auf 63,6 Milliarden US-Dollar ab. Das EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) ging um 2 Milliarden Euro auf knapp 5,3 Milliarden US-Dollar zurück.

Besonders deutlich wird der Rückgang bei der Kennzahl für das EBITDA pro Tonne Stahl: Während ArcelorMittal 2014 im Schnitt noch 69 US-Dollar pro Tonne einnahm, lag der Durchschnittswert im vergangenen Jahr nur noch bei 56 US-Dollar pro Tonne – ein Rückgang um etwa ein Fünftel.

WV Stahl Dez 15_Jan 16Rückläufig sind auch die aktuellen Produktionszahlen der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Demnach ist die Rohstahlproduktion im Januar um 2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gefallen. Damit ist die Produktion zum dritten Mal in Folge zurückgegangen. Auch die Elektrostahlproduktion zeigt nach unten. Im Dezember fiel sie um 3,8 Prozent. Für das gesamte Jahr 2015 verbucht die Wirtschaftsvereinigung ein Minus von 3,4 Prozent.

EU-Kommission eröffnet drei Anti-Dumping-Untersuchungen gegen China

Inzwischen bekommt die gebeutelte Stahlbranche Unterstützung aus der Politik. Die Wirtschaftsminister von Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Polen, Belgien und Luxemburg haben in einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission appelliert, gegen die Dumpingpreise der chinesischen Stahlimporte vorzugehen.

„Die Europäische Union kann nicht passiv bleiben, wenn wachsende Arbeitsplatzverluste und Schließungen von Stahlwerken zeigen, dass es eine erhebliche und drohende Gefahr eines Zusammenbruchs des europäischen Stahlsektors gibt“, heißt es in dem Schreiben. Das derzeit laufende Anti-Dumping-Verfahren gegen Russland und China müsse vorangetrieben und notfalls Strafzölle verhängt werden.

Tatsächlich wurde am heutigen Freitag bekannt, dass die EU-Kommission im Stahlbereich drei neue Anti-Dumping-Untersuchungen gegen China in die Wege geleitet hat. Das Verfahren richtet sich gegen den Billigverkauf von nahtlosen Rohren, Grobblechen und warmgewalztem Flachstahl. Gleichzeitig verhängte die Kommission Einfuhrzölle gegen kaltgewalzte Flachstahlerzeugnisse aus China und Russland. Die Strafzahlungen für chinesische Importe liegen zwischen 13,8 und 16 Prozent. Im Vergleich dazu müssen russische Importeure zwischen 19,8 und 26,2 Prozent Zollgebühren bezahlen.

„Wir können nicht zulassen, dass unfaire Konkurrenz durch künstlich billige Importe unsere Industrie bedroht,“ kommentierte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström die Entscheidung. Derzeit gibt es 37 Anti-Dumping- oder Anti-Subventionsbeschlüsse gegen Billigstahl aus Drittländern, in neun Fällen dauern die Untersuchungen noch an.

Wirtschaftsvereinigung Stahl fordert ebenfalls Eingreifen

Auch der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans-Jürgen-Kerkhoff, fordert immer wieder das Eingreifen der EU. „Das Handelsschutz-Instrumentarium der EU muss konsequent angewendet werden“, sagte der Verbandspräsident beim Stahldialog Niedersachsen vor wenigen Tagen. „Vor allem die Verfahrenszeiten sollten verkürzt werden. Man muss bereits bei einer drohenden Schädigung aktiv werden können, statt zu warten, bis ein materieller Schaden bereits entstanden ist.“

Außerdem soll laut Kerkhoff eine globale Klimapolitik gelten, die zu fairen Wettbewerb führe. Gleichzeitig warnte er davor, China voreilig den Status einer Marktwirtschaft zu verleihen. China selbst pocht auf diesen Schritt – derzeit diskutieren die europäischen Handelsminister, ob der Status bis Ende des Jahres auf das Land übertragen wird.

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