Gute Aussichten

Auf der Stahlindustrie lasten immense Überkapazitäten. Aber dennoch haben die Stahlrecycler in Deutschland wenig Anlass, sich um die Marktentwicklung zu sorgen. In Zukunft dürfte der Bedarf an Stahlschrott sogar noch steigen.

Stahlschrotteinsatz: „Da ist noch Luft nach oben“


Um die Dimension der Stahlwerks-Überkapazitäten einordnen zu können, eignen sich drei Zahlen: Weltweit bestehen derzeit über 600 Millionen Tonnen Überkapazität. Davon entfallen rund 300 Millionen Tonnen auf China. Die Stahl-Jahresproduktion in Europa beläuft sich auf 165 Millionen Euro. Allein die Überkapazität in China ist also fast doppelt so groß wie die gesamte Jahresproduktion in Europa.

Völlig offen ist bislang, in welchem Umfang diese Überkapazitäten jemals gedrosselt werden. Teilweise werden Stahlwerke mithilfe staatlicher Subventionen am Leben gehalten. Vor allem in China gibt es solche Fälle. In der EU hingegen sind solche Praktiken nicht erlaubt, so dass vermutlich der Markt die europäischen Überkapazitäten bereinigen wird.

Doch welche Folgen hätte der Abbau der Überkapazitäten für die Stahlrecyclingwirtschaft, vor allem dann, wenn auch die Stahl-Kapazitäten in Deutschland und Europa gedrosselt werden sollten? Wird dann auch der Schrotthandel gedrosselt oder geht der Schrott einfach in andere Auslandsmärkte? „Schrott sucht sich immer seinen Weg“, sagte Andreas Schwenter, Präsident der Stahlrecyclingverbands BDSV, gestern (30. November) bei der Verbandstagung in Dortmund. Wenn deutsche Stahlwerke aufgrund von Kapazitätskürzungen weniger Schrott benötigen sollten, dann werde der Schrott eben in den Export gehen.

Gleichwohl sei die Lösung über den Exportmarkt nicht die Präferenz der Stahlrecycler, versicherte Schwenter. Vorzuziehen sei die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern, da sie einfacher sei und es ermögliche, flexibel auf die Anforderungen der Stahlwerke zu reagieren.

ArcelorMittal setzt auf Deutschland

Einer der Partner in Deutschland ist ArcelorMittal. Das Deutschlandgeschäft des weltweit größten Stahlherstellers umfasst zwei Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt, die über die Hochofenroute Flachstahl produzieren. Hinzu kommen zwei Elektrostahlwerke in Hamburg und Duisburg. ArcelorMittal hat an diesen vier Standorten seit 2010 rund 830 Millionen Euro investiert. „Das zeigt, dass wir auf den Standort Deutschland setzen“, betonte Frank Schulz, Chef der ArcelorMittal German Holding, bei der BDSV-Jahrestagung.

Weltweit hat ArcelorMittal im vergangenen Jahr 27 Millionen Tonnen Schrott eingesetzt. In Europa beläuft sich der Schrotteinsatz auf 13 Millionen Tonnen und in Deutschland auf 1,7 Millionen Tonnen. Die Höhe des Schrotteinsatzes hänge ab vom Endprodukt, das produziert werden soll, erklärte Schulz. In jedem Fall aber habe der Schrotteinsatz qualitativ noch Entwicklungspotenzial. Als Beispiele nannte Schulz eine höhere Reinheit, die Chargierfähigkeit sowie die Abtrennung schädlicher Bestandteile und die Vorbehandlung.

Aber auch quantitativ sei noch Luft nach oben. Hintergrund ist die Notwendigkeit der Stahlwirtschaft, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Prozessbedingt haben Stahlwerke einen relativ hohen Ausstoß. Und die technischen Möglichkeiten, den Ausstoß zu reduzieren, sind laut Schulz nahe ausgeschöpft.

Ein Ausweg könnte darin bestehen, den Schrotteinsatz zu steigern, erklärte Schulz in Dortmund. Er sei überzeugt, dass vor diesem Hintergrund der Schrotteinsatz künftig noch interessanter werde.

Gute Marktaussichten

Für die Stahlrecycler ist das ein Signal, das sich in das aktuell positive Gesamtbild einfügt. In diesem Jahr sind die Stahlschrottpreise um durchschnittlich fast 70 Euro gestiegen, berichtete BDSV-Vizepräsident Stephan Karle. Der Schrottabsatz sei im ersten Halbjahr um 3,2 Prozent gestiegen. Insgesamt sei das Jahr wirtschaftlich gut gelaufen.

Und auch die Aussichten für das kommende Jahr sind gut. Eine BDSV-Umfrage hat ergeben, dass 87 Prozent der Mitgliedsfirmen für 2018 von einer gleichbleibenden oder verbesserten Geschäftslage ausgehen. Das schlägt sich auch bei den Investitionsabsichten nieder: 32 Prozent der Unternehmen wollen im kommenden Jahr mehr investieren. Nur 10 Prozent wollen die Investitionen zurückfahren. 58 Prozent planen mit gleichbleibendem Investitionsniveau.

Die detaillierten Ergebnisse der BDSV-Branchenumfrage finden Sie hier. Die BDSV-Marktdaten 2017 finden Sie hier.

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