EU-Abfallpaket

Die einen fühlen sich nicht ausreichend gewürdigt, die anderen freuen sich über eine Hervorhebung. Die Interessenvertreter der europäischen Kreislaufwirtschaft haben ganz unterschiedlich auf die Entscheidungen des EU-Parlaments zur Überarbeitung der EU-Abfallgesetzgebung reagiert. Hier einige Stimmen.

Stimmen zum Parlamentsbeschluss


Nachdem das EU-Parlament am Dienstag in vielen Punkten über neue Kreislaufwirtschaftspolitik der Europäischen Union abgestimmt hat, ließen die Reaktionen nicht lange auf sich warten. Während sich einige über bestimmte Entscheidungen freuen, zeigten sich andere enttäuscht, wie die nachfolgenden Reaktionen zeigen:

Rainer Cosson, BDSV-Hauptgeschäftsführer:

„Die Charakteristik des Stahlschrotts als Handelsware ist nicht hinreichend reflektiert worden. Anstatt den weltweiten freien Handel mit Stahlschrott zu stabilisieren, will das EP Grundlagen dafür legen, dass der Schrotthandel auf den regionalen Markt begrenzt werden kann. Das schädigt in besonderem Maße das Geschäft der Stahlrecyclingbetriebe in Deutschland. Die deutsche Stahlrecyclingwirtschaft brauchte im Vorjahr nur deshalb einen moderaten Rückgang des Stahlschrottversands hinzunehmen, weil der Export die Abnahmeverluste bei den deutschen Stahlwerken und Gießereien weitgehend kompensieren konnte. Namentlich das Exportgeschäft mit dem Nicht-EU-Land Türkei konnte 2016 wiederbelebt werden. Jetzt zu versuchen, an der Regulierungsschraube ‚Exportbeschränkungen‘ zu drehen, ist deshalb tendenziell geschäftsschädigend. Türkische, indische oder koreanische Stahlwerke setzen Stahlschrott genauso effizient und umweltschonend ein wie deutsche Anlagen.“

Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident Wirtschaftsvereinigung Stahl:

„Die heutigen Beschlüsse des Europäischen Parlaments sind aus unserer Sicht nicht ausreichend. Es sollten Anreize für die Kreislaufwirtschaft geschaffen und keine neuen Hürden durch Maßnahmenlisten mit Vorschlägen zu Steuern und Abgaben aufgebaut werden. Unbefriedigend ist auch, dass einzelnen Mitgliedsstaaten erneut zusätzlich Zeit zur Erreichung der Vorgaben sowie Spielraum bei der Festlegung bestimmter Kriterien gegeben werden soll. Wir brauchen kein Europa der zwei Geschwindigkeiten in der Umweltpolitik.“

François de Bie, Vorstandsvorsitzender von European Bioplastics:

„Biobasierte und recycelte Materialien werden erstmals als gleichwertige, zukunftsfähige Lösungen anerkannt, um Verpackungen nachhaltiger zu gestalten und unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren. Zudem soll die getrennte Sammlung von Bioabfall in Europa verbindlich umgesetzt werden – unterstützt durch Maßnahmen wie zertifiziert kompostierbare Bioabfallbeutel. Die Abstimmung (…) stärkt die Bioökonomie in ihrem Bestreben, die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zu reduzieren und den Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen, biobasierten Wirtschaft zu vollziehen.“

Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Delegationsleiterin der österreichischen Grünen:

„Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die neue Lösungen für Abfallvermeidung oder Recycling entwickeln, werden von den neuen Regeln – vor allem von den verbindlichen Zielen für Recycling – profitieren. Recycling oder Reparatur von Produkten schafft viel mehr Jobs, als wenn man sie verbrennt oder auf die Mülldeponien kippt. Aus diesem Grund müssen Unternehmen in Zukunft auch die technischen Details ihrer Produkte veröffentlichen. Das macht die Reparatur einfacher und ist ein wirksames Mittel gegen eingebaute Fehler, die die Lebenszeit eines Produkts von Anfang an begrenzen sollen.“

Jo Leinen, SPD-Europaabgeordneter und Umweltexperte:

„Wir wollen von einer Wegwerfgesellschaft zu einer Kultur der Wiederverwertung gelangen – und heute haben wir einen großen Schritt auf dem Weg dorthin gemacht. Gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission setzte die Sozialdemokratische Fraktion während der Beratungen im Parlament viele Verbesserungen durch. So sollten die Recyclingraten von Haushaltsabfällen ursprünglich von aktuell 50 Prozent nur auf 65 Prozent bis 2030 angehoben werden statt wie nun beschlossen auf 70 Prozent. Deutschland ist zwar in vielen Bereichen der Abfallentsorgung nicht schlecht, aber hat trotzdem Verbesserungsbedarf. Die hohen Pro-Kopf-Abfallmengen sollen in Zukunft sinken.“

Sabine Verheyen, kommunalpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament:

„Wir konnten viele Punkte durchsetzen, die für uns als CDU wichtig waren, wie beispielsweise harmonisierte Berechnungsverfahren für Siedlungs- und Verpackungsabfälle sowie einheitliche europäische Definitionen im Abfallrecht. Darüber hinaus sollen die neuen Richtlinien auch Mindestanforderungen für die erweiterte Herstellerverantwortung einführen. Die Hersteller werden an den Entsorgungskosten für Produktabfälle beteiligt, können diese dann aber auch transparent einsehen und haben in Zukunft einen Überblick über das, was sie erwartet und wofür sie bezahlen.“

© 320°/ek | 15.03.2017

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